Die Kampagne 2004
Im März dieses Jahres fand die erste Feldkampagne der H.U.N.E. statt. Vier Mitarbeiter der Berliner Humboldt-Universität und drei sudanesische Kollegen haben mit dem Survey im Konzessionsgebiet begonnen.
In nur zehn Tagen Feldarbeit wurden 180 Fundplätze dokumentiert, d.h. mit ihren GPS-Koordinaten erfaßt, beschrieben, fotografiert und teilweise in maßstäblichen Skizzen gezeichnet. Oberflächenfunde, insgesamt nahezu 1000 Keramikscherben, 300 Steinwerkzeuge und verschiedene andere Objekte, wurden gesammelt. Sie werden derzeit in Berlin ausgewertet, um Anhaltspunkte für die genaue Datierung der Fundplätze zu liefern.
Das Festland [Text: Julia Budka]
Insgesamt wurden bei der Begehung des linken Ufers 118 archäologische Fundstellen dokumentiert. Diese umfassen folgende Typen an Fundplätzen: 24 Friedhöfe (acht christliche Steinkistengräber (sog. box graves), davon vier in Kombination mit Tumuli, 16 reine Tumuli-Friedhöfe (unterschiedliche Typen an Steinkreisen als Graboberbau); drei isolierte Tumuli; drei Steinumfassungen/Bruchsteinmauern, 20 Besiedlungsrelikte/Siedlungsspuren, 39 Konzentrationen an Felsbildern (mit über 200 Einzelbildern), fünf Siedlungen (Steindörfer aus Trockenmauerwerk), 13 Unterstände (aus Trockenmauerwerk, tw. unter Einbindung der natürlichen Felsen), sowie 19 verschiedene, vorläufig nicht näher einzuordnende und schwer zu datierende Steinformationen. Da an einigen Fundstellen eine Kombination mehrerer Fundplatztypen vorlag, können einzelne Orte unter verschiedenen Typen kategorisiert werden (z. B. als Friedhof, Siedlung und Felsbild). Insofern liegt die Gesamtzahl der Fundplatztypen (126) auch über derjenigen der aufgenommen Fundstellen (118).
Allgemein ist eine Datierung von Fundplätzen anhand des oberflächlich dort aufliegenden Fundmaterials kaum möglich – denn die Funde und ihre zeitliche Einordnung müssen nicht den Strukturen des Platzes entsprechen. Hier können nur künftige Ausgrabungen Klärung bringen. Vorerst sieht es ganz danach aus, als sei die Masse des Materials einerseits ins Neolithikum, auf der anderen Seite in die christlichen/mittelalterliche Periode zu datieren.
Ausgewählte Fundplätze
Mushra Nord
MN 010 – ausgedehnter Friedhof auf einer sandigen Ebene nördlich der öffentlichen Schule des Dorfes Kerari - ca. 40 box graves (Steinkistengräber), sehr gut erhalten, Ost-West orientiert; zwei stark zerstörte, wohl ältere Tumuli im christlichen Friedhof integriert; besonders bemerkenswert ein islamischer Friedhof, der direkt östlich an die christlichen Gräber anschließt und die Ost-West-Orientierung der älteren Anlagen exakt übernimmt - so dass alle Gräber auf den Fluss hin orientiert sind, während Muslime normalerweise in einer nach Mekka weisenden Lage bestattet werden. |
MN 013 – isolierter Tumulus, Steinkreis aus kleinformatigen schwarzen Granitblöcken ohne Füllung, annähernd runde Form, im Osten und Westen jeweils einzeln vertikal aufgestellte Steine; im Osten davor ein vollständiges offenes Wassergefäß deponiert - zahlreiche Scherben im Umkreis; laut mündlicher Auskunft rezente Relikte eines modernen Kultortes für Frauen (Schwangerschaft, Fruchtbarkeit etc.) |
MN 014 – Gruppe von großen eiförmigen Tumulus-Gräbern; drei erhalten, alle mit Steinring und Schnabel/Nase im Osten – für das Gebiet des Vierten Kataraktes typische Grabform |
Mushra Süd
MS 006 - Felswand an der Einmündung des kleinen Khor Shekuk und des Wadi Etanub; unmittelbar bei modernen Häusern von Etanub, ca. 4 m hoher Fels (Meereshöhe 286-290 m) mit mind. 4 Motivgruppen von Felsbildern: 1) mehrere Gruppen: Kamele, Kamele mit Reitern und Rinder, mind. 20 Einzelmotive; 2) ein Esel und ein Kamel jeweils mit Reiter; 3) Kamel mit Reiter und ein Vierbeiner – wohl Equide mit Reiter; 4) drei Antilopen auf Einzelblock. Generell ist das Repertoire der Felsbilder, von denen wir in der ersten Kampagne ca. 200 Einzelbilder fanden, recht überschaubar. Sechs Hauptthemen sind, geordnet nach Häufigkeit, hervorzuheben: Tiere (an erster Stelle das Kamel, auch Rinder etc.), Tiere mit Reitern (Kamele und Equiden), Tiere mit Treibern (v. a. Kamele), Menschen (Kampf- und Jagdszenen) sowie Symbole (z.B. christliches Kreuz) und Objekte/Architektur (Boote und Kirche – bis jetzt nur auf den Inseln nachgewiesen). |
MS 022 – Steindorf, Siedlungsplatz mit mind. neun Strukturen aus Trockenmauerwerk, auf einem Hochplateau gelegen, viele Funde auf der Oberfläche – charakteristisches Siedlungsmaterial (Kochgeschirr, Gebrauchskeramik, Tierknochen, Brotbackplatten, Reibsteine, Steingeräte...) – wohl christlich/mittelalterlich Allgemein umfassen die bis jetzt entdeckten Siedlungen in unserem Konzessionsgebiet vorwiegend Steinbauten, Lehmziegelstrukturen wurden nur vereinzelt gefunden (so bei ShS04). |
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Halbinsel Umm Domi
UD 004 – neolithischer Abschlagplatz auf einem Hochplateau, mit Blick auf Insel Tibet; mehrere Stein- und Keramikkonzentrationen an der Ofl.; Nord-Süd Ausdehnung ca. 20 m; Ost-West ca. 10 m; auch rechteckige, niedrige Steinlegungen |
Ausgewählte Funde
MS 040.5 – Randscherben eines Napfes, bemalt (Mergelton; Md. 11,2 cm) (Photo und Zeichnung) |
UD 005.1 - Tonfigurine von Kamel (Maße: 4,1 x 3,9 x 2,3 cm) (Photo und Zeichnung) |
— weitere Fundplätze und Funde —
Die Inseln [Text: Claudia Näser]
Im Frühjahr 2004 wurde der Survey auf den Hauptinseln Us und Sur, die im flußabwärtigen, von der Flutung zuerst erreichten Ende der Konzession liegen, begonnen. Außerdem wurden die kleinen Inseln Tibet und Umm Kieb vollständig untersucht.
Auf Us wurden in drei Tagen 27 Fundplätze dokumentiert, darunter zahlreiche Felsbilder, neolithische Siedlungen, Friedhöfe der Kermazeit, der postmeroitischen und christlichen Epoche sowie mehrere christliche Siedlungen.
US 1 – Friedhof der christlichen Epoche: kastenförmige Graboberbauten aus Trockensteinmauerwerk |
US 04 – Felsbild einer Kirche |
US 09 – Postmeroitischer Friedhof mit Graboberbauten in Form großer Erdtumuli mit Steindecke; rezente Beraubungen |
Auf Sur wurden 28 Fundplätze erfaßt. Zu ihnen gehören wiederum zahlreiche Friedhöfe von der Kermazeit bis in die christliche Epoche, außerdem Siedlungen der Kermazeit sowie ein ausgedehnter Fundplatz der christlichen Zeit mit einer Kirche und mehreren Friedhofsarealen.
SR 18 – Singuläre Struktur: Steinfundament einer Hütte mit rundem Grundriß, darin ein Steinpodium, auf dem ein Monolith aus deutlich hellerem Stein ruht |
SR 22 – Schutthügel einer Kirche aus gebrannten Ziegeln (20 x 20 m); im Bild eine rezente Störung, in der Holz-und Glasfragmente gefunden wurden |
Auf der kleinen Insel Tibet, im Zwickel von Us und Sur, wurden fünf Fundplätze der christlichen Epoche dokumentiert. Die Insel wurde offensichtlich erst in dieser Epoche besiedelt. Da Friedhöfe fehlen und die Siedlungen Wehrcharakter aufweisen, darf man vermuten, daß Tibet als Rückzugsgebiet in turbulenten und gefährlichen Zeiten diente.
TB 05 – Kleines, zweiräumiges Haus in einer Siedlung aus christlichen Zeit |
Auf der kleinen, heute unbewohnten Insel Umm Kieb gibt es nur einen einzigen Fundplatz: eine Festung aus frühislamischer Zeit. Verschiedene Indizien weisen auf ihre ursprüngliche Entstehung in der christlichen Epoche hin.
Die Festung besitzt einen grob viereckigen Grundriß von etwa 40 x 30 Metern. Die 1,5 bis 2,0 Meter starken Außenmauern sind gut erhalten. Im Inneren können an Hand der Baureste ein Hofbereich, ein Gebäudetrakt und ein Wachturm rekonstruiert werden.
Ausgewälte Funde
SR 22 – Fragment einer Stele aus Keramik mit Resten einer Inschrift, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Totengebet in griechischer Sprache rekonstruieren läßt (von einem Friedhofsareal neben der Kirche SR22) |
US 07 – Beilklinge aus poliertem Plutonit (von der Oberfläche des neolithischen Fundplatzes US07; vergesellschaftet mit Keramikscherben, weiteren Steinwerkzeugen und Tierknochen) |