Drei Gründe für Forschungsdatenpublikationen. Und einige Herausforderungen.

Wir bewegen uns mit eDissPlus-Projekt naturgemäß im Rahmen einer Entwicklung in der wissenschaftlichen Kommunikation, die man gemeinhin unter Open Access zusammenfasst. Differenzierter ist allerdings das Konzept der Open Science bzw. Open Scholarship, welches unterschiedliche Facetten des Forschungsprozesses und der Kommunikation seiner Ergebnisse sowie Bedingungen aufschlüsselt:

  1. Open Access - als offenen Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen wie Aufsätzen, Zeitschriften und Monografien
  2. Open (Research) Data - als offenen und nachnutzungsorientierten Zugang zu forschungsrelevanten Daten
  3. Open Source - als offenen und nachnutzungsorientierten Zugang zu digitalen wissenschaftlichen Werkzeugen / wissenschaftlicher Software
  4. Open Methodology - als umfassende, also die Nachvollziehbarkeit der Forschung absicherende Methodentransparenz.

Als Projekt mit dem Schwerpunkt Forschungsdaten interessiert uns vor allem, inwieweit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereit sind, das ihrer Forschung zugrunde liegende Datenmaterial für einer Forschungsdatenpublikation aufzubereiten und entsprechend zu publizieren. Es gibt generell drei Gründe, die für die Publikation von Forschungsdaten sprechen:

  1. Forschungstransparenz - anhand der Forschungsdaten wird nachvollziehbarer, möglicherweise auch reproduzierbar, wie bestimmte Erkenntnisse, die in den Publikationen kommuniziert werden, zustande kommen. Forschungsdaten dienen an dieser Stelle also zur Sichtbarmachung des Forschungsprozesses und zur Verifikation der Ergebnisse. In diesem Szenario ist eine enge Verschränkung von Forschungsnarrativ (z.B. einem Aufsatz oder dem Dissertationstext) mit den Forschungsdaten beispielsweise im Sinne der Idee von Enhanced Publications naheliegend. Hierfür sind bisher nur wenige infrastrukturelle Möglichkeiten und publikationsstrukturelle Konventionen entwickelt. Das eDissPlus-Projekt legt seinen Schwerpunkt mit der Spezialisierung auf die Publikationsform “elektronische Dissertationen” in der Infrastrukturentwicklung auf diesen Aspekt.
  2. Nachnutzbarkeit - nicht in jedem Fall aber doch häufig können einmal erhobene Daten aus weiteren Perspektiven beforscht werden, als es die Erheber für ihren konkreten Forschungszusammenhang vorgenommen haben. An dieser Stelle hilft eine Forschungsdatenpublikation mit Nachnutzungsfreigabe Doppelarbeit zu vermeiden, einen Forschungsrahmen zu erweitern oder auch zukünftige Langzeitstudien vorzubereiten. Der letztgenannte Aspekt unterstreicht, dass es durchaus auch sinnvoll sein kann, Daten ohne akute Nachnutzungsperspektive zu veröffentlichen, da diese zukünftig aus heute noch nicht antizipierbaren Blickwinkeln relevant werden können. Die Herausforderung besteht hier in einer möglichst präzisen Erhebungs-, Kontext- und Strukturdokumentation, die es auch langfristig ermöglicht, den Umfang und das Aussagepotential der Forschungsdaten richtig bewerten zu können. Hierzu agiert das eDissPlus-Projekt vor allem im Bereich von Beratungsdienstleistungen in Kooperation mit der für das Forschungsdatenmanagement zuständigen Stelle der Humboldt-Universität zu Berlin.
  3. Kreditierung - man kann davon ausgehen, dass sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur dann umfassend für eine Forschungsdatenpublikation und den damit unvermeidlich zusammenhängenden Mehraufwand (Aufbereitung, Dokumentation) gewinnen lassen, wenn es sehr konkrete Anreize gibt. In der Wissenschaft sind dies im Regelfall Kreditierungen, wie man sie von der Zuschreibung einer Entdeckung bzw. Entwicklung und mehr noch von den vorwiegend mittels Zitationsanalysen gewonnenen Impact Zahlen und Rankings aus den Zeitschriftenpublikationen kennt. Im Bereich der monographischen Publikationskulturen üben die jeweilige Reihe bzw. der Verlagsname diese Funktion aus. Für Forschungsdatenpublikationen sind bisher kaum ähnlich Mechanismen verankert. Aus Sicht vieler Forschenden erscheint dieser Schritt daher als Mehraufwand ohne karrierwirksamen Mehrwert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich diese Situation langfristig ändert. Bereits heute existieren Data Journals, die entsprechende Ansätze aus der Zeitschriftenkultur übertragbar machen. Auch Forschungsdatenpublikationen auf Publikationsplattformen wie der der Humboldt-Universität erhalten persistente Identifikatoren (in der Regel einen DOI) und sind somit zeitstabil zitierbar. Zudem sind sie über ihre Metadaten über Bibliothekskataloge und andere Discovery Systeme bzw. Suchmaschinen auffindbar. Die infrastrukturelle Seite der Kreditierbarkeit ist also schon jetzt vorbereitet und wird stetig weiterentwickelt. Die Erkenntnisse des eDissPlus-Projektes werden auch an dieser Stelle eine Rolle spielen. Wie Datenpublikationen am Ende jedoch karrierwirksam werden können, müssen die jeweiligen Forschungskulturen klären. Wir bieten den Dialog und bei Bedarf Beratung und ein Engagement bei der weiteren Entwicklung von entsprechenden Prinzipien an.

Letztlich bleibt eine Herausforderung Bedenken wirksam entgegen zu treten, wie sie u.a. aktuell in einer kleinen Anfrage zum Stand des Open Access an den Hochschulen in Thüringen deutlich wird. Der Anfragende Christian Schaft (Die LINKE) wollte u.a. wissen:

Welche Bedenken sind der Landesregierung seitens der Thüringer Hochschulen, Hochschulbibliotheken, Forschungseinrichtungen, Wissenschaftsverbände oder auch einzelner Forschender bezüglich der stärkeren Verwendung von Open-Access-Formaten bekannt?

Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft antwortete:

Im Kontext von Forschungskooperationen mit Unternehmen stößt der Open-Access-Gedanke im Hinblick auf die Publikation von Forschungsergebnissen, aber vor allem auch hinsichtlich Forschungsprimärdaten auf erhebliche Einwände. Befürchtet wird die Verletzung von Geheimhaltungsverpflichtungen, die für Partner aus der freien Wirtschaft von essentieller Bedeutung zur Sicherung von Wettbewerbsvorteilen sind.

Dies verdeutlicht zunächst vor allem etwas, das sich auch in den bisherigen Interviews mit Promovierenden abzeichnet: Für die Forschungsdatenpublikation ist die Idee des offenen Zugangs (Open Access) im Vergleich zu Publikationen ungleich komplexer. Es wird an dieser Stelle keine pauschale Lösung geben können und jede Empfehlung zur Publikation wird ein “nach Möglichkeit” enthalten müssen. Andererseits ist nicht davon auszugehen, dass man es nur mit Einzelfällen zu tun hat. Aus diesem Grund wird das eDissPlus-Projekt für seinen Teilbereich der dissertationsbegleitenden Forschungsdatenpublikationen auf Grundlage der Interviews und Einzelbegleitungen Szenarien entwickeln, aus denen sich, so die Vermutung, eine Typologie des Umgangs mit Forschungsdaten in Dissertationszusammenhängen erstellen lässt.