"Georgia van der Rohe"
Georgia van der Rohe wurde als Tochter der wohlhabenden Ada und des aus einfachen Verhältnissen stammenden Architekten Ludwig Mies van der Rohe geboren. Ihr Vater wurde bald weltberühmt, auch durch seine Tätigkeit als Bauhaus-chef. Georgia van der Rohe war in den dreißiger Jahren Tänzerin bei der Künstlerin Mary Wigman, in den fünfziger Jahren Schauspielerin beim legendären Regisseur Erwin Piscator. Später lebte sie als Filmemacherin in New York. Inzwischen ist sie in ihre Geburtstadt Berlin zurückgekehrt.

Journalist: Frau van der Rohe, Ihr Vater war einer der bedeutendsten Architekten des vergangenen Jahrhunderts. Sie waren immer von Promineneten umgeben. Empfinden Sie als typisches Frauenschicksal, stets in zweiter Reihe gestanden zu haben?

Georgia van der Rohe: Aber gar nicht. Ich fühle mich in keiner Weise benachteiligt. Ich habe doch ein ganz untypisches Frauenschicksal, weil ich immer das gemacht habe, was ich wollte, im Leben und in der Liebe -- und das können die wenigsten Frauen meiner Generation behaupten.

Mein Vater hieß Ludwig Maria Mies, und ich bin als Dorothea Mies geboren. Nun hatte mein Vater früh schon das gefühl, er werde mal berühmt. Zugleich glaubte er, mit seinem Namen -- der ja Assoziationen wie " mieser Charakter", "mieses Wetter" weckt -- benachteiligt zu sein. Deswegen verband er den Namen seines Vaters mit dem Namen seiner Mutter, fügte als snobistischen Schwindel, "van der" hinzu und nannte sich bis zu seinem Tode Mies van der Rohe. Leider hat er versäumt, diesen Namen standesamtlich bestätigen zu lassen. So liefen wir alle -- meine Mutter, meine beiden Schwestern und ich -- lebenslang mit einem falschen Namen herum. Ich habe daran noch zusätzlich herumgetrickst. Ich habe meinen Vornamen Dorothea geändert, denn ich finde Georgia viel passender. Später habe ich meinem Nachnamen das Mies weggelassen: Ich bin also auch eine absolut fiktive Figur.

Mein Vater war kein Familienmensch. Meine Eltern bekamen ja drei Töchter, und das war dreimal eine große Enttäuschung, weil sich mein Vater immer einen Sohn gewünscht hat. Er hatte wenig Interesse an uns Kindern, wenig Verantwortungsgefühl. Nach seinem Tod erfuhr ich übrigens, dass er einen unehelichen Sohn hatte. Als Soldat in Rumänien zeugte er den erwünschten Stammhalter. Um den hat er sich aber nicht gekümmert. Ich konnte ihn nie ausfindig machen. Mein Vater hatte zahllose Afffären und konnte mit keiner Frau wirklich zusammenleben.

Ich möchte aber betonen, dass es meinem Vater und mir in den letzten drei Jahren seines Lebens gelungen ist, eine wunderbare Freundschaft zu begründen. Er war alt und angewiesen auf Zuwendung. Und schließlich war es doch einfacher, mit einer Tochter umzugehen. Es gab immer noch genug Frauen um ihn herum, aber die waren sich ja seiner Zuwendung nicht sicher. Lora Marx war offiziell seine letzte, langjährige Lebensgefährtin, aber glauben Sie mir: Es gab genug nebenher.




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