Redford.htm Der Pferdeflüsterer


Journalist : Mr. Redford, Sie haben mal gesagt, Glück sei für Sie, auf Ihrem Pferd durch Utah zu reiten. Haben Sie nach so vielen Monaten Arbeit an Ihrem Film "Der Pferdeflüsterer" noch Lust dazu?

Redford : Ehrlich gesagt wollte ich unmittelbar nach dem Dreh erst mal kein Pferd mehr sehen. Aber grundsätzlich entspricht das immer noch meiner Vorstellung von Glück. Am liebsten reite ich auf meiner Farm in Utah kurz vor Sonnenuntergang los. Es herrscht zu dieser Stunde eine seltsame Stille, und die Tiere verhalten sich plötzlich anders. Das Licht wird intensiver. Dann kommt der unglaublich schöne Moment, wenn das Zwielicht in die Dunkelheit übergeht. Ich liebe diesen Augenblick, er ist so wunderbar ruhig.
Von meinem Pferd habe ich viel über Würde und Unterwerfung gelernt. Irgendwann hatte der Mensch die Idee, er könne das Pferd für seine Zwecke nutzen, zum Reiten oder als Arbeitstier auf dem Feld. In diesem Moment gab es einen Bruch in der Beziehung. Die Unterwerfung hat das Vertrauen zerstört. Der Pferdeflüsterer Tom Booker, der kein Intellektueller ist, begreift, daß man an diesem Punkt wieder ansetzen muß. Er läßt das Pferd für einen Moment dem Menschen gleich sein und hört sich an, was es zu sagen hat.

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Redford: Als ich als Kind zu reiten anfing, war völlig klar, daß man sie schlagen und dominieren muß, damit sie gehorchen. Aber je mehr Zeit ich mit den Tieren verbrachte, desto besser verstand ich, daß ein gutes Verhältnis auf Vertrauen statt auf Unterwerfung aufbauen muß. Man zeigt dem Pferd nicht, wer der Boß ist, sondern daß man es verstehen will. Das gibt dem Pferd die Chance, von sich aus Zeichen zu geben. Es fängt an, sich zu entspannen.
Am Ende des Films, der auf dem Bestseller von Nicholas Evans basiert, bindet Tom Booker ein Bein des Pferdes hoch und zwingt es schließlich doch in die unterwerfung. Ich habe diese Methode selbst angewandt. Sie sieht aber nur so brutal aus. In Wahrheit will Booker die letzten noch verbliebenen negativen Energien und Ängste des Tieres brechen. Als ihm das auf dem sanften Weg nicht gelingt; zwingt er das Pferd zu Boden. Dann steigt der Mann auf das Pferd und fängt an es zu streicheln. Er könnte es verletzen, aber er tut es nicht. Das begreift das Tier, und daraus entwickelt sich Vertrauen.

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Die Geschichte, die der Film erzählt, ist eine Metapher für das Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur. Weil wir so arrogant sind zu glauben, wir könnten der Natur den Respekt verweigern, zerstören wir dieses Gleichgewicht, auf das wir für unser eigenes Überleben angewiesen sind. Wir fliegen zu nah an der Sonne, gerade jetzt, in unserer Zeit. Leute wie der Rancher und Pferdeflüsterer Tom Booker, die das verstehen und entsprechend leben, sind eine bedrohte Art. Ihnen wird das Land weggenommen, von Immobilienmaklern, denen es nur um das schnelle Geld geht. Die Rancher können der Versuchung nicht widerstehen, weil die Erträge ihrer Farmen nicht ausreichen. Am Ende zahlen wir alle drauf.
Die Familie, auf deren Farm in Montana wir gedreht haben, lebt zum Beispiel von der Hand in den Mund. Um sie herum verkaufen die Bauern ihr Land, weil sie der Verlockung des Geldes erliegen. Ich wollte das Farmerleben zeigen, ehe es nur noch Erinnerung ist.


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