"Dies ist unser Land"
Der Filmemacher John A. Kantara über deutsche Kultur, deutsches Wesen und die Integration
von Ausländern.
Journalist:
Herr Kantara, Sie sehen Fremd aus, obwohl Sie eine deutsche Mutter haben und in Bonn
geboren sind. Ihr Vater kommt aus Ghana. Haben Sie auf Grund Ihrer Hautfarbe Probleme?
Kantara:
Meine Mutter konnte mir als allein stehende weiße Krankenschwester mit zwei schwarzen
Kindern wenig Rückhalt geben. Insofern hatte ich schon Probleme, als ich auf die
Frage, wer ich bin, von meinen Landsleuten immer hören musste: Du bist doch kein
Deutscher, das sieht man doch. Es tat weh, aber tröstlich war zunächst einmal, dass ich
auch andere schwarze Deutsche traf, dass ich also nicht alleine war. Außer der Hautfarbe
unterscheidet einen Afrodeutschen von einem Deutschen absolut gar nichts. Ich spreche platt, wenn ich will, ich bin ein Rheinländer, der in Berlin lebt. Es geht um ethnische
Unterschiede. Ein Herr Soiber etwa isst sicher auch gern mal exotisch, aber er möchte
bestimmt keinen schwarzen Enkel auf dem Schoß haben. Als ethnische Minderheit erwarte ich von den deutschstammigen Deutschen, dass sie sich auch mal auf mich einlassen.
Ich möchte, dass dieses Land sich positiv zu seinen Minderheiten bekennt. Es müsste
zum Beispiel ein Antidiskriminierungsgesetz geben.
Wir stoßen im Alltag immer wieder an Grenzen, die von Menschen und Institutionen
errichtet werden. Wir müssen uns immer wieder bekennen, müssen immer wieder beweisen,
dass wir keine Gefahr für das Gemeinwohl sind. Da kann ich ein aktuelles Beispiel
liefern. Als ich heute Morgen im Berliner Bahnhof Zoo am Automaten eine Fahrkarte zog,
stand ein älteres Ehepaar neben mir, und der Mann sagte zu seiner Frau: "Halt mal
deine Tasche fest." Das habe ich schon tausendmal erlebt. Soll man da immer wieder
etwas sagen? Man verliert irgendwann die Lust, sich darüber zu erregen. Auch deswegen, weil
man dann immer wieder die Antwort bekommt: " Sei doch nicht so empfindlich." Ich
bin aber empfindlich, und ich habe jedes Recht dazu. Den Deutschen, die das stört,
sage ich dann immer: "Wie geht es euch, wenn ihr nach Amerika kommt und mit "Heil Hitler" begrüßt
werdet?
Mich stört hier vor allem dieses Schubladendenken. Mir wurde zum Beispiel immer wieder
gesagt: "Du kannst nicht mehrere Kulturen in dir vereinen, du musst dich entscheiden,
ob du Deutsche oder Afrikaner bist". Wir können doch von einander profitieren, wenn wir mehrere Kulturen haben. Wir gehen zum Türken essen, zum Spanier, zum Italiener,
wir bereisen die ganze Welt mit dem Flugzeug oder per Internet. Es ist doch ein Gewinn,
sich auf andere Kulturen und deren Ausdrucksformen einzulassen. Selbst wenn man die Sprache nicht versteht, stehen einem mindestens fünf Sinne zur Verfügung.
© 2000, Francopolis. Tous droits réservés.