Helmut Kohl war korrupt

Interview mit der Politologin Christine Landfried über den Spendenskandal und warum er zu einer Staatskrise werden kann.

Journalist: Frau Professor Landfried, wenn Sie die politischen Krisen der Bundesrepublik miteinander vergleichen, wo ordnen Sie den derzeitigen CDU-Skandal ein?

Landfried: Was wir derzeit erleben, ist ein Skandal, der in seiner Bedeutung alle bisherigen politischen Affären der Bundesrepublik übersteigt. Das geht weit über eine simple Parteispendenaffäre hinaus. Meiner Meinung nach ist dies eine Krise des Parteienstaates insgesamt. Ich nenne das eine Staatskrise, weil es unsere gesamte politische Ordnung betrifft. Allerdings sehe ich noch keine Krise der Demokratie. Die Umfragen zeigen großes Interesse der Bürger an diesen Vorgängen und gleichzeitig ein bemerkenswert gutes Verständnis für die Werte der Demokratie, die hier verletzt werden. Trotzdem befindet sich die Demokratie in einer heiklen Situation: Wenn es so weitergeht und die Bürger nicht bald erleben, dass wirkliche Konsequenzen gezogen werden, dann gefährdet das langfristig die Demokratie erheblich.

Es ist natürlich ein Zynismus, wenn Helmut Kohl in der Hamburger Handelskammer sagt: "Ich habe nie für mich in Anspruch genommen, ein Heiliger zu sein." Und die Gäste klatschen, Helmut Kohl regierte in einem sozialen Umfeld und ist mit seiner Haltung nicht allein. Er hat Unterstützer. Und diese Kräfte versuchen natürlich jetzt, den Verfassungs- und Rechtsbruch als Kavaliersdelikt hinzustellen und zum Alltag überzugehen. Auch die Tatsache, dass viele Zuhörer ihm darin zustimmen, zu seinem Ehrenwort zu stehen, ist schon bedenklich. Das Ehrenwort steht natürlich nicht über der Verfassung. Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan hat dazu richtig gesagt: Jemand, der den Amtseid gebrochen hat, hat seine Ehre verloren. Er kann also keine Ehrenworte mehr geben. Korruption ist der Missbrauch eines öffentlichen Amtes zu privaten oder parteipolitischen Zwecken durch die Verletzung von Rechtsnormen. Demnach waren sowohl Helmut Kohl als auch Manfred Kanther korrupt. Sie haben zu parteipolitischen Zwecken Gesetze und sogar die Verfassung gebrochen und gleichzeitig ihre ganz persönliche Macht gestärkt. Finanziell haben sie sich nicht bereichert, aber politisch. In seinen jüngsten Äußerungen wurde es noch einmal überdeutlich: Für Helmut Kohl ist Politik Krieg, und für diesen Krieg brauchte er eine Kriegskasse. Darin zeigt sich, dass es hier nicht um Verfehlungen eines ansonsten integren Politikers geht. Hier ist das Politikverständnis eines ehemaligen Regierungschefs nicht nur undemokratisch, dies ist regelrecht antidemokratisch.

In 16 Jahren hat helmut Helmut Kohl die CDU offensichtlich zu einer Partei gemacht, in der Kritik bestraft wurde und später auch nicht mehr stattfand. Das Fehlen von Kritik aber ist der Tod jeder demokratischen Partei. Diese verlernte Fähigkeit zur Auseinandersetzung innerhalb der Partei fehlt der Führung auch jetzt bei der viel zu zögerlichen Aufklärung der Finanzaffäre. Wie sie es von Helmut Kohl gelernt hat, versucht die derzeitige Führung, die Konflikte nicht auszutragen, sondern täglich ein neues Häppchen, ein paar neue Milliarden zuzugeben. Natürlich war es ein großer Fehler von Wolfgang Schäuble, darauf zu verzichten, rechtliche Schritte gegen seinen Vorgänger einzuleiten, damit dieser die Namen der Spender nennt.


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