Minen.htm
Internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Antipersonenminen
Rede von Bundesminister Dr. Kinkel in Karlsruhe
Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Klaus Kinkel , hielt zur Eröffnung der 2.
Internationalen Expertenkonferenz zum Einsatz moderner Minenräumtechnologie am 1.
Juli 1998 in Karlsruhe folgende Rede:
Herzlich willkommen in Karlsruhe. Ich freue mich, daß Sie meiner Einladung zu dieser
internationalen Expertenkonferenz gefolgt sind.
Diese Konferenz findet nicht zufällig in Karlsruhe statt. Hier wurde schon 1825 die
erste technische Hochschule Deutschlands eröffnet. Hier wurden die elektromagnetischen
Wellen entdeckt und das erste Telegramm abgeschickt. Dieses kreative Potential wollen wir heute im Kampf gegen Minen nutzen. Hier am Karlsruher Fraunhofer-Institut für
Chemische Technologie und in zahlreichen mittelständischen Unternehmen in Baden-Württemberg
wird intensiv an verbesserter Minenaufspürung gearbeitet: Das hat hier Tradition
: Aus Reutlingen stammt die berühmte "Förster-Sonde", die erste Minensonde überhaupt.
Diese Konferenz zeigt: Wir können den Kampf gegen Antipersonenminen nur erfolgreich
führen, wenn wir alle Regierungen, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen
an einem Strang ziehen: Allen, die diese Konferenz möglich gemacht haben, danke ich
für ihre Unterstützung:
Ich freue mich, daß so viele Unternehmen hierhergekommen sind, um ihre Produkte einem
internationalen Fachpublikum vorzustellen: Ich freue mich auch über die Anwesenheit
vieler Nichtregierungsorganisationen. Sie haben von Anfang an eine zentrale Rolle
gespielt im Kampf gegen Landminen. Die Unterstützung durch Jody Williams und alle Bürger
in der "Internationalen Kampagne zur Ächtung von Landminen" gab Hoffnung für Millionen
von Menschen, für die diese Menschheitsgeißel Angst und Leid bedeuten. Auch die vielen anderen humanitären Organisationen, die sich bei der Minenräumung und der Betreuung
der Opfer engagieren, haben oft unter schwierigsten Bedingungen Großartiges geleistet:
Ihnen allen gilt mein Dank und meine Anerkennung.
Auch die Hilfe der Vereinten Nationen ist für unser Thema zentral. Wir haben am Wochenende
einen ganz wichtigen Mitstreiter durch einen tragischen Unfall verloren, den VN-Sondergesandten
Maître Beye. Er hat Herausragendes geleistet für den Frieden und die Bekämpfung von Antipersonenminen in Angola. Ich habe ihm dafür im vergangenen Jahr
den Afrika Preis der Deutschen Afrika Stiftung überreicht. Sein Tod hat uns erschüttert
wir werden ihn nicht vergessen: Wir sind heute zusammenge-kommen, um nach Wegen zu suchen, wie Millionen von Menschen in der ganzen Welt vor Antipersonenminen geschützt
werden können: Noch immer liegen schätzungsweise 70 Millionen ungeräumter Minen und
Blindgänger in über sechzig Ländern auf der Erde, vor allem in Afrika und Asien.
Sie liegen versteckt in Reisfeldern, in Wasserwegen und Vorgärten. Noch Jahre und Jahrzehnte
nach Ende eines Konflikts töten und verstümmeln sie Menschen auf grausamste Weise.
Das Schlimmste dabei: Die meisten Opfer sind Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder.
Ich habe das Leid vieler Minenopfer mit eigenen Augen gesehen in Kambodscha, in
Mosambik, in vielen anderen Ländern. Aus Bosnien allein werden zweieinhalb Jahre
nach Kriegsende immer noch jeden Monat Dutzende von Minenopfern gemeldet. Weltweit
gibt es jedes Jahr über 20 000 Opfer. Der Lebensweg von arglosen Kindern wird zerstört,
bevor er richtig begonnen hat. Diese unerträglichen Bilder vergißt man sein Leben
lang nicht.
Wir müssen deshalb endlich Ernst machen mit der Ausrottung dieser heimtückischen und
grausamen Mordwaffe! Das geht nur mit einer entschlossenen Doppelstrategie.
( 1) Weltweites Verbot und Vernichtung von Antipersonen minen.
(2) Entwicklung, Erprobung und Anw endung neuer Minenräumtechnik - unser Thema heute.
Zusammen mit Kollegen aus 120 Staaten habe ich am 3. Dezember 1997 das weltweite Verbot
von Antipersonenminen in Ottawa unterzeichnet. Deutschland war immer einer der stärksten
Befürworter dieses Vertrags; seit meinem Amtsantritt 1992 habe ich mich persönlich dafür eingesetzt. Deutschland hat als erstes großes Land in Europa die Ratifizierung
des Verbotsabkommens für Antipersonenminen beschlossen. Bereits Ende 1997 haben wir
die letzte Antipersonenmine der Bundeswehr vernichtet; das waren 1,7 Millionen Stück plus 1,3 Millionen der früheren Nationalen Volksarmee. Wir haben als einer der ersten
völlig auf diese Minen verzichtet. Es bleibt dabei : Deutschland bleibt weltweit
Vorreiter im Kampf gegen die Minen!
Abrüstung und Rüstungskontrolle stehen seit Ende des Kalten Kriegs nicht mehr oben
auf der internationalen Politik-Agenda zu Unrecht! Sie sind heute nicht weniger
wichtig als früher. Immer noch stehen rund 40000 nukleare Sprengköpfe und über 70
000 Tonnen chemische Kampfstoffe allein in Rußland und den USA. Die Nukleartests in Indien
und Pakistan haben die Menschheit wieder wachgerüttelt. Beide Länder müs sen unverzüglich
und ohne Bedingungen den Atomsperrvertrag und den Teststoppvertrag unterzeichnen.
Aber auch alle Nuklearmächte müssen Ihrer Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung nachkommen.
Ein neues nukleares Wettrüsten mit katastrophalen Folgen für die globale Stabilität
darf es nicht geben!
Im Kampf gegen Antipersonenminen kommt es jetzt auf vier Punkte an:
Erstens : Weltweite Geltung des Abkommens von Ottawa. Die USA, Rußland, China, alle,
die noch zögern, müssen beitreten.
Zweitens : Nochmehr Aufklärung und Warnung in allen betroffenen Ländern über die Gefahren
der Minen - vor allem für Kinder.
Drittens : Bessere Versorgung und Betreuung der Opfer, damit sie ein menschenwürdiges
Leben führen können.
Viertens : Mehr Geld für das Aufspüren und Räumen der Minen. Obwohl wir haushaltsmäßig
mit dem Rücken zur Wand stehen, hat die Bundesregierung seit 1993 über 66 Millionen
D-Mark dazu bereitgestellt und zusätzlich 28 Prozent der EU -Mittel von 245 Millionen D-Mark; 1998 kommen national weitere 20 Millionen D-Mark und auf EU-Ebene 30 Millionen
hinzu.
Ohne den zweiten Pfeiler der Strategie die Entwicklung und Anwendung moderner Technik
läßt sich das Problem der Minenräumung nicht lösen. Die Dimension ist enorm: Experten
schätzen, daß die Beseitigung aller Minen mit den bisherigen manuellen Verfahren viele Jahrzehnte dauern würde und dies auch nur dann, wenn keine neuen Minen verlegt
würden. Wer Berge abtragen will, braucht Maschinen, keine Fingerhüte. Es ist absurd,
daß der Mensch auf den Mond fliegen kann, aber die riesigen Minenfelder von Hand
räumt wir müssen hier weiterkommen !
Dringend erforderlich sind neueVerfahren zur Räumung und Aufspürung. Die Entschärfung
einer Mine kostet rund fünfzigmal so viel wie ihre Herstellung ein unüberwindbares
Problem für arme Länder. Und sie kostet Menschenleben bei der Räumung von 5000
Minen wird im Durchschnitt ein Minenräumer getötet. Viele neue Minenarten können aufgrund
geringen oder gar keinen Metallgehalts nicht mehr aufgespürt werden. Zahl und Art
der verlegten Minen sind äußerst vielfältig. Genauso vielfältig müssen unsere Antworten auf diese heimtückischen Mordinstrumente sein. Die Förderung und Nutzung modernster
Technologie zur Auffindung und Räumung ist deshalb heute notwendiger denn je!
Seit der 1. Expertenkonferenz in Bonn im Dezember 1996 haben wir erfreuliche Fortschritte
gemacht beim mechanischen Minenräumen und bei der modernen Sensortechnologie. Deutschland
fördert beides mit erheblichen Mitteln. Drei deutsche mechanische Minenräumgeräte sind erfolgreich erprobt wurden in Mosambik, Bosnien und Kroatien. Ein weiterer
Einsatz beginnt im Herbst in Kambodscha. Diese gewaltigen Fräsen und viele andere
neue Entwicklungen können Sie in unserer Ausstellung "Minenräumung und Opfervorsorge"
sehen. Die Bundesregierung wird auch weiter die in Deutschland entwickelten Minenräumgeräte
vor Ort testen lassen. Wir brauchen hierfür Geräte, die vor Ort einsatzfähig sind
und wir brauchen die Bereitschaft der betroffenen Staaten, die Voraussetzungen
für effektives Minenräumen zu schaffen.
Es gibt noch weitere Hoffnungsschimmer: Die Zahl der jährlich geräumten Minen ist
beträchtlich gestiegen. Erstmals seit vielen Jahren werden mehr Minen geräumt als
neue verlegt - das macht Mut. Zusatzgeräte wie der Vegetationsschneider erleichtern
heute die Arbeit. Tragbare Detektorgeräte werden immer genauer, robuster und einfacher zu
bedienen. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten bei Multisensor-systemen kommen
gut voran. Auch beim Einsatz von Spürhunden gibt es Fortschritte ihr Einsatz in
Afghanistan ist sehr erfolgreich.
Auf dieser Konferenz wollen wir Inventur machen, was an moderner Technik schon einsatzbereit
ist und was bald verfügbar sein wird. Wir wollen die Einsatzmöglichkeiten transparenter
machen und die Zusammenarbeit bei der Durchführung von Projekten verbessern. Das ist besonders wichtig, denn wo es um Menschenleben geht, darf es keinen Platz
geben für Konkurrenzdenken das wäre purer Zynismus.
Die Konferenzen von Ottawa und Washington haben das Zusammenwirken von Vereinten Nationen,
Nichtregierungsorganisationen, Geber- und betroffenen Ländern ein großes Stück vorangebracht.
Die Gesamtkoordinierung muß in den Händen der Vereinten Nationen liegen. In Einzelbereichen ist es jedoch sinnvoll, die Koordinierung an einzelne Länder
zu delegieren.
Ich möchte hier ein Angebot machen : Deutschland ist bereit, als internationale Koordinierungsstelle
für mechanisches Minenräumen zur Verfügung zu stehen. Wir brauchen dazu zweierlei:
Erstens eine Zusammenstellung aller auf der Welt verfügbaren Minenräumgeräte.
Zweitens möglichst konkrete Anforderungsprofile von den betroffenen Ländern.
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