Die Informations- und Kommunikationstechniken in Forschung
und Lehre, aus der gesammelten Erfahrung im Bereich Dolmetschen und Übersetzen.
Einleitung:
Im Europäischen Jahr der Sprachen und jetzt, wo das Gutenberg-Projekt,
das 10.000 copyrightfreie Bücher elektronisch verfügbar macht, in
den USA zu Ende geht, scheint für mich die Zeit gekommen zu sein, eine
Zwischenbilanz über den Einsatz und die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechniken
im Bereich Dolmetschen und Übersetzen zu ziehen. Es wird Ihnen nicht entgangen
sein, dass ich mich bemüht habe, das Modewort "Multimedia" unbedingt zu
umgehen, obwohl ich es durchaus hätte verwenden können. Mir lag nur
daran, von vornherein jedes Missverständnis auszuräumen, und ich verzichtete
erst einmal auf einen Begriff, der sich in den letzten Jahren immer stärker
von seinem Ursinn entfernt hat.
Das aus dem Lateinischen "multus" (viel, vielfach) und aus dem Anglo-Amerikanischen
"mass media" (1923) gebildete "Multimedia" wurde in den 60er und 70er Jahren
im pädagogischen Bereich verwendet, um den Einsatz von verschiedenen Medien
(Audio- und Videokassetten, Dias, Fernsehsendungen) im Unterricht zu beschreiben.
"Multimedia" bedeutet lediglich "Einsatz mehrerer Medien", ein Medium ist ja
bekanntlicherweise ein Informationsträger, der zur Darstellung und Verbreitung
akustischer und visueller Informationen verwendet wird. Kaum hat man also seinen
Sprachunterricht anhand von Tonaufnahmen und Bildern aus einer Zeitschrift illustriert,
hat man schon Multimedia betrieben. Jeder Lehrende wird sich heute zumindest
im Bereich Fremdsprachen einmal in seiner Karriere auf multimediale Techniken
gestützt haben. Die Informationsvermittlung anhand von Bildern hat eine
lange Tradition und wir können uns vorstellen, dass in der Höhle von
Lascaux schon die ersten Anfänge gemacht wurden. Später wurde von
Comenius die These verteidigt, dass Lehrinhalte über möglichst viele
Sinne vermittelt werden sollen, was zu seiner Zeit, angesichts der damaligen
finanziellen Zwänge, in der sich die Pädagogik befand, wahrscheinlich
ohne Computer gemacht wurde.
Unter Multimedia versteht man heute nämlich zunehmend die digitale Verknüpfung
von Text, Bild und Ton. Wobei es sich dabei, streng genommen, um hypermediale
Systeme handelt. Eine Hypermedia-Anwendung ist ein Hypertext, also ein Text
auf einem elektronischen Medium mit Querverweisen zu anderen Texten, in das
andere Medien wie Graphik, Bilder, Ton, Video einbezogen werden. Das wahrscheinlich
bekannteste Beispiel von Hypertext ist das World Wide Web, das ein einziger
Hypertext mit Querverweisen zu anderen Texten ist. Die Einsatzmöglichkeiten
der Kombination Multimedia und Hypertextstruktur werden hauptsächlich im
Bereich der Unterhaltung und der Wissensvermittlung genutzt.
Mein Anliegen ist nicht, hier eine ausführliche Auflistung der möglichen
Anwendungen der Informations- und Kommunikationstechniken in Forschung und Lehre
zu erstellen, sondern konkrete Beispiele aus meiner Erfahrung des Fremdsprachenunterrichts
aufzuzeigen und Ihnen meine Überlegungen und Anregungen für die Zukunft
mitzuteilen.
Vorstellung des Materials:
Mehrere Faktoren haben mich dazu bewegt, die zunehmend neuen Möglichkeiten,
die uns Lehrenden die neuen Technologien der Information und der Kommunikation
eröffnen, zu ergründen. Es ist, glaube ich, allgemein bekannt, wie
träge Bildungssysteme sind -- so träge, dass man schon sagen kann,
dass sich seit dem Mittelalter nichts Wesentliches verändert hat in der
Wissensvermittlung. Ein Schüler aus der Zeit Karls des Großen würde
sich ganz schnell akklimatisieren in einem heutigen Klassenzimmer und wäre
wahrscheinlich nach kurzer Zeit in der Lage, den Unterricht in allgemeinen Fächern
zu verfolgen.
Einer meiner Beweggründe, mich zunehmend für die Mediendidaktik zu
interessieren, war, und ist leider noch, die Personaleinsparung, die wir durch
die Neustrukturierung Anfang der 90er Jahre an der Humboldt-Universität
erlebt haben. Die Auswirkungen dieser wahrscheinlich nötigen Verringerung
des Lehrpersonals waren sowohl seitens der Lehrenden als auch seitens der Lernenden
zu spüren. Der Wegfall von vielen Vorlesungen machte sich besonders bemerkbar
in Anwendungsbereichen wie Dolmetschen, wo die Sprachübung einen nicht
unwesentlichen Teil des Studiums bilden sollte.
Die Audio-CDs
Not macht erfinderisch und wegen dieses Mangels an Übung seitens der Studenten
habe ich mir vorgenommen, ihnen außerhalb des regulären Stundenplans
Trainingsmöglichkeiten anzubieten. So ist die Audio-CD-Reihe "Konferenztexte
für den Dolmetschunterricht" und "Texte für den Dolmetschunterricht"
entstanden, die heute die Glückszahl von 13 Stück erreicht hat. Die
Idee ist, den Akzent auf die Eigentätigkeit des Studenten zu lenken, statt
auf Außensteuerung und bloßes Reagieren. Der Student entscheidet
selbst, ob und wann er zu üben braucht, und sucht sich aus, welche CD seinem
Niveau entspricht. Die gleichen Lernschritte können immer wieder abgerufen
und geübt werden, je nach Belieben und Lerntempo.
Die Reihe "Texte für den Dolmetschunterricht " (Ref:0005-10/99,
0011-04/00, 0012-10/00) ist aus der Vorlesung "Konsekutives Dolmetschen Niveau
2" hervorgegangen und ist für das Gesprächsdolmetschen gedacht. Für
Dolmetscher bildet Zeit eine wesentliche Dimension zur Informationsdarstellung
und Informationsvermittlung. Der Anfänger muss schrittweise lernen, Herr
über die Zeit zu werden. In dieser Hinsicht wurden auf der ersten CD leere
Räume eingebaut, um zu ermöglichen, nach den Passagen zu dolmetschen.
So wird den Studenten die Dolmetschzeit vorgegeben. Diese ändert sich aber
nach jedem Text und am Ende der CD hat sich die Dolmetschdauer um die Hälfte
verkürzt und entspricht so dem Dolmetschtempo, welches später für
die Prüfung erwartet wird. Die anderen CDs haben keine vorgegebene Dolmetschzeit
und der Lernende muss selber bestimmen, wieviel Zeit er für seine Leistung
braucht.
Die Reihe "Konferenztexte für den Dolmetschunterricht
" ist in 3 Zweige unterteilt:
1) Niveau 3 Konsekutiv (Ref.: 0002-09/99, 0008-03/00, 0013-10/00) (grün)
2) Niveau 4 Konsekutiv (Ref.: 0004-10/99, 0010-03/00, 0014-11/00) (blau)
3) Niveau 4 Simultan (Ref.: 0006-10/99, 0003-09/99, 0009-03/00) (gelb und orange)
Im Niveau 4 Simultan bilden die CD's 0006-10/99 und 0003-09/99 eine Doppel-CD.
Die erste CD wurde für Anfänger konzipiert und enthält Konferenztexte,
die langsam gelesen werden, die zweite CD beinhaltet die Originalaufnahmen derselben
Texte.
Eine weitere CD (Ref.: 0001-03/99) wurde für alle Disziplinen konzipiert
und bildet einen progressiven Einstieg in die Materie des Konferenzdolmetschens.
Die beachtliche Zahl von ungefähr 100 CD's, die in diesem Semester bestellt
wurden, bestätigt mich in der Annahme, dass Konzept und Produkt den Erwartungen
der Studenten gerecht wurden.
Diese CDs in deutscher Sprache eignen sich nicht nur für den Französisch-Unterricht,
sondern für alle, die als Zielsprache eine andere Sprache als Deutsch haben.
So wird unser Material in Russland und Spanien von Kollegen in ihrem Sprachunterricht
schon angewandt.
Der Vorteil des Speichermediums CD ist hauptsächlich seine einfache und
praktische Bedienung. Anders als bei einer herkömmlichen Audiokassette
muss man nicht lange vor- oder zurückzuspulen, um den gewünschten
Text zu erreichen. Eine CD kann sowohl auf der Stereoanlage als auch auf dem
Computer gespielt werden. Sie kann auch optimal mit anderen Medien eingesetzt
werden, um neue kognitive Wege des Lernens zu ergründen. So wurde eine
Verknüpfung zwischen Ton und Text hergestellt, indem die Texte direkt aus
einer extra angelegten Webseite abrufbar sind. Es wird zur Zeit an einer Verknüpfung
CD-Video gearbeitet, die das Spektrum des Lernens wesentlich erweitern soll.
Die Videos
Zwei Projekte werden momentan mit Videos durchgeführt.
1) Videos für den Dolmetschunterricht
Das erste bildet eine Ergänzung zu den Audio-CDs und dient der Übung
für das Simultandolmetschen. Die Variante Video wird für Fortgeschrittene
bevorzugt wegen ihrer größeren Speicherkapazität, die uns erlaubt,
längere Passagen anzubieten. Dieses visuell-akustische Medium erlaubt eine
realitätsnähere Simulation mit semiotischen Ansätzen zu realisieren.
Aus diesem Grund werden auch Videos im Dolmetschunterricht eingesetzt.
2) Untertitelung
Bis jetzt haben wir den Medieneinsatz unter dem Gesichtspunkt der Wiederholung
des Lernstoffes betrachtet. In der Vorlesung "Traduction de Film"
werden Videos als Produktionsmittel benutzt und gleichzeitig als Werbemittel.
Es wird vom Studenten erwartet, dass er sich aktiv am Unterricht beteiligt.
Er soll einen Film, der auf einem Video gespielt wird, übersetzen und untertiteln.
So wird das Video plötzlich zur Plattform für die Darstellung der
Fähigkeiten und Kompetenzen des Lernenden. Am Ende seines Studiums kann
der gerade fertig gewordene Akademiker nicht nur ein Diplom nachweisen, sondern
auch eine Videokassette mit seiner Eigenproduktion. In einer Leistungsgesellschaft,
in der von den Absolventen erwartet wird, dass sie immer jünger mit möglichst
viel Berufserfahrung in die Arbeitswelt gehen, ist dies sicherlich von Vorteil.
Diese Videokassette hat manch einem Studenten der Humboldt-Universität
die Möglichkeit gegeben, Aufträge oder gar eine Stelle zu bekommen.
Durch diese Art der Veröffentlichung erhalten die Präsentationen einen
viel größeren Stellenwert als herkömmliche Vorträge, die
nach ihrer Durchführung und Bewertung meist schnell in Vergessenheit geraten.
Nicht nur Videos eignen sich als Werbeträger für die Studenten und
dadurch auch für die Universität, CD-ROMs sind ein weiteres konkretes
Anwendungsbeispiel.
Die CD-ROMs
Die Vorlesung "Traduction de bande dessinée" wird ausschließlich
im PC-Pool angeboten. Die Comicübersetzung ist ein Fach, das wie die Filmübersetzung
sowohl gute Übersetzer- als auch Dolmetscherfähigkeiten erfordert.
Dazu kommen gute PC-Kenntnisse, besonders im Bereich der Bildbearbeitung. Der
Unterricht ist aber so konzipiert, dass die Kursteilnehmer keine besondere und
teure Software benötigen. Wir arbeiten mit dem mitgelieferten Zeichenprogramm
(Paint), das man auf jedem Windowsbetriebenen Computer finden kann. Ziel ist,
dass die Studenten, welche Interesse haben, in dieser Branche zu arbeiten, auf
keine finanziellen Hindernisse stoßen. Jedoch besteht die Möglichkeit,
mit einer professionellen Software wie Photoshop zu arbeiten.
Wie bei der Filmübersetzung lag mir daran, den Teilnehmern ein konkretes
Ergebnis ihrer Leistung in die Hand zu geben. So ist die CD-ROM "Traduction
de BD" (Ref.: 0007-11/99) entstanden. Diese wurde vom Verlag Jochen
Enterprise zur Frankfurter Buchmesse '99 und vom MOSAIK Steinchen für Steinchen
Verlag im Festival d'Angoulême 2000 vorgestellt.
Die CD-ROM ist ein Datenträger, der sich optimal einsetzen lässt für
die Darstellung der sequenziellen Kunst. Dabei sollte betont werden, dass der
zeitliche und technische Aufwand für die Erstellung einer solchen CD-ROM
sehr hoch ist und im Moment ausschließt, dass sie von den Studenten selbst
vorgenommen wird, abgesehen von der Bildbearbeitung, die sie, wie Sie feststellen
werden, in hervorragender Weise meistern.
Mit dieser CD-ROM, die mit "Acrobat Exchange" realisiert wurde, wurde mit verschiedenen
Formen der vom Computer gestützten Darstellung von Comics experimentiert.
Der Comic "Touché" vom Berliner Zeichner Tom, bekannt
aus der "TAZ" und der "Zitty", ist eine relativ einfache Anwendung der Möglichkeiten
des Hyperlinks. So kann man beliebig durch die Comicstreifen vor- und zurückblättern,
um die humorvollen Geschichten zu lesen. Für jeden Streifen besteht die
Möglichkeit, an die französische Übersetzung zu kommen und weiter
die französische Fassung zu lesen oder wieder zur Original-Fassung zu gelangen.
Mit dem Comic "Die Abrafaxe" wurde eine innovative Darstellung
einer Übersetzung durchgeführt, die das Erscheinen der französischen
Fassung durch einfaches Überfliegen mit der "Maus" ermöglicht. Diese
Technik des "Rollovers" bildet meines Erachtens eine angenehme Übertragung
des Prinzips der Filmuntertitelung. Das Bild wird nicht geändert, in diesem
Fall wird keine neue Seite aufgerufen; die Übersetzung kann fast zeitgleich
mit dem Original verglichen werden. Jedoch handelt es sich hier eher um eine
"Übertitelung", die den Originaltext überdeckt. Eine direkte Untertitelung
des Comics, wie sie schon in den 30er Jahren in Frankreich auf Papier erfolgte,
würde dem Text eine zu große Rolle geben und würde das Bild
in den Hintergrund stellen, was für Comics nicht wünschenswert ist.
Mit dem "Marchand de Gros Mots" sind wir einer sprichwörtlichen
multimedialen Anwendung näher gekommen. Hier ist das Wort Multimedia nicht
nur durch die computergestützte Darstellung gerechtfertigt, sondern auch
durch die Verknüpfung von Bild, Text und Ton. Die Idee war, die Eignung
des Comics für den pädagogischen Einsatz im Fremdsprachenunterricht
zu zeigen. Wie im Fall von "Touché" werden Originalfassung
und Übersetzung reichlich "verlinkt" und ermöglichen eine ständige
Überprüfung der Übersetzung oder eine lineare Verfolgung der
Geschichte, in der selbstausgewählten Sprache. Die Miteinbeziehung von
Tondateien schafft dem Comic eine neue pädagogische und unterhaltsame Dimension.
Für dieses Projekt hatten wir das große Glück, Herrn Christian
Kienast, Fernseh- und Radiomoderator beim Bayerischen Rundfunk, zu gewinnen;
er hat seine Stimme für die deutsche Fassung gegeben. An dieser CD-ROM
kann man feststellen, welche Leistungen in punkto Übersetzung und Bildbearbeitung
von den Studenten erbracht wurden.
Bei der Vorstellung dieser CD-ROM sollten die Erwartungen nicht zu hoch bemessen
sein und die Euphorie sollte nicht den kritischen Blick trüben. Das Verhältnis
zwischen Arbeitsaufwand und Ergebnis für die Gestaltung einer leistungsfähigen,
hybriden CD-ROM auf der Basis von pdf-Dateien erlaubt, unter den heutigen Möglichkeiten
in unserer Universität, keine regelmäßige Produktion und die
gleichzeitige Durchführung verschiedener medienorientierter Projekte. Dies
erfordert, meiner Meinung nach, zuviel technisches Equipment und Expertenwissen.
Um die Herstellungskosten zu senken und den Zeit- und Arbeitsaufwand zu verringern,
setzen wir in Zukunft auf die HTML (hypertext mark-up language) -Sprache. Dies
erlaubt uns, relativ einfach, gleichzeitig eine CD-ROM und eine Internetpräsenz
zu erstellen. Ich spreche hier von der CD-ROM Francopolis (Ref: 0015-08/00),
die so konzipiert ist, dass sie jedes Semester neu erscheinen wird und den Studenten
mit aktualisiertem Inhalt angeboten wird. Dies führt uns zum nächsten
und letzten Multimedia Projekt, welches ich in den letzten Jahren geführt
habe.
Francopolis oder der große Sprung ins WWW.
Dieser etwas überheblich klingende Titel entspricht eigentlich wenig der
Wirklichkeit, die etwas bescheidener ist. Doch ich konnte der Versuchung nicht
widerstehen. Naja, also einige Worte zur Vorgeschichte.
1) Das Entstehen von Francopolis
Die etwas aussichtslose Situation, die wir in den 90er Jahren in diesem Hause
angesichts der Personaleinsparungen und der Erhöhung des Lehrdeputats erlebt
haben, hat dazu geführt, dass wir immer unter schwierigsten Bedingungen
gearbeitet haben und die Fachrichtung Dolmetschen und Übersetzen großer
Gefahr ausgesetzt war. Damals war der Missmut unter den Studenten allgegenwärtig
spürbar und sie gingen sogar auf die Straße. Da ganze Bereiche der
Lehre an der Hochschule bedroht wurden, habe ich die Eigeninitiative ergriffen
und mich entschieden, mir einen virtuellen Assistenten zu (ver)schaffen. So
wurde der Schritt vom Multimedia ins Zeitalter des Hypermedias gemacht. Das
World Wide Web erlaubt die Integration von verschiedenen Medien durch das Hypertext-Prinzip
und wird somit als Hypermedia bezeichnet.
Da die Zahl der angebotenen Vorlesungen im Bereich Dolmetschen und Übersetzen
auf das strikte Minimum geschrumpft war, habe ich in der ersten Fassung von
Francopolis 1997 eine Linkssammlung aufgestellt, um den Studenten eine anregende
Lern- und Forschungsumgebung im Sinne von authentischen Kontexten anzubieten.
Diese Liste, genannt "guide" , beinhaltet eine
Auswahl von ungefähr 4000 Web-Adressen, die sorgfältig ausgesucht
wurden. Dieser Führer begleitet die Studenten in ihren ersten Schritten
im französischen Cyberespace und gibt ihnen eine "Orientierung". Die Bestätigung
über den Sinn dieser Unternehmung kam von den Studenten und ehemaligen
Studenten, die sie für berufliche Zwecke benutzen, aber auch von den "Netdays",
die mich baten, die französischen Webseiten im November 1999 vorzustellen.
Zu dem "Guide" kam auch die Rubrik "Articles"
, die eine zusätzliche Orientierung im WWW gibt. Da wir im Unterricht
meistens nicht genug Zeit haben, um ausführlich manche immer wiederkehrenden
grundsätzlichen Fragen der Studenten zu beantworten, habe ich mir vorgenommen,
diese vorweg zu beantworten. In den angebotenen Beiträgen werden z.B. Themen
wie "Anglicismen", die "Feminisierung" der Berufsbezeichnungen und Titel, die
Rechtschreibreform oder die Regionalsprachen in Frankreich bearbeitet. Diese
Artikel, die in der Zeitschrift "Fremdsprachenunterricht "
veröffentlicht wurden, finden hier durch die Hypertextualisierung ihre
richtige Dimension. Die Verweise werden als Hyperlink direkt im Text eingebaut,
so wird die Primärinformation von der Sekundärinformation getrennt
und der Blick auf das Wesentliche gelenkt. Der eigentliche Gedankengang wird
geradliniger und man kann sich trotzdem Zusatzinformationen holen. Man kann
sich von der linearen Textabfolge, die einem im Buch aufgezwungen wird, nach
Belieben lösen und sich selbst einen eigenen Lesepfad auswählen.
2) Francopolis 2
Mit der zweiten Fassung von Francopolis kam, auf Anregung von Benutzern, die
Einführung von Frames, also Fenstern, die es ermöglichen, im Hauptfenster
zu surfen, während die umrahmenden Fenster einen schnellen Rückgriff
auf Francopolis und seine Dienste ermöglichen.
Inzwischen ließ die Anwesenheit einiger Studentinnen ziemlich nach. Eine
Schwangerschaftswelle hatte uns ergriffen. Daher die Überlegung, ihnen
trotz Windeln, Babyflaschen und Windpocken die Möglichkeit zu geben, von
zu Hause aus üben zu können. So wurden die Texte, mit denen wir gearbeitet
haben, unter die Rubrik "Cours" gestellt. Anfangs
wurden die Texte erst am Wochenende nach dem Unterricht online erreichbar, es
hat sich aber erwiesen, dass es effizienter ist, die Texte einige Stunden vor
dem Unterricht im Internet anzubieten. Somit wird die Selbstverantwortlichkeit
des Lernenden gefordert. Die Anfänger, die sich zu unsicher fühlen,
können sich die Texte kurz vor dem Unterricht durchlesen und sich die schwierigen
Wörter im Wörterbuch suchen. Es hat sich gezeigt, dass Anfang des
Semesters diese Möglichkeit viel genutzt wurde und nach einigen Wochen,
wenn die Studenten sich sicherer fühlen, weniger frequentiert wird. Die
Eigeninitiative des Lernenden wird gefragt. Es gibt keine vorgegebene Wortliste
vor dem Unterricht. Der Lernende entscheidet selbst, ob er eine Stütze
braucht und wenn, welche Worte oder grammatischen Fälle für ihn wichtig
sind. Diese Forderung einer Selbstbildungskompetenz ist eine wichtige Voraussetzung
für die Fähigkeit des "lebenslangen Lernens" in der Informationsgesellschaft.
Schon in der Uni lernt der zukünftige Dolmetscher oder Übersetzer,
sich eigenständig die Informationen, die er für eine Tagung oder einen
Übersetzungsauftrag braucht, herauszusuchen. Später wäre es dann
schon zu spät.
Eine interessante Variante, die die Studenten motivieren soll, sich kognitives
Wissen anzueignen, ist, ihnen einen Hyperlinkverweis anzugeben, der Zeitungsartikel
über die Thematik des Textes beinhaltet, den wir im Unterricht behandeln
werden. Es soll auch ein zusätzlicher Ansporn sein, sich für Aktualität
zu interessieren und die, in diesem Fall, französische Presse zu lesen.
Den Studenten vom Niveau III Konsekutives Dolmetschen wird grundsätzlich
eine französische Fassung angeboten, die die Nacharbeit zu Hause erleichtert
und den kritischen Blick gegenüber manchen "offiziellen" Übersetzungsvorschlägen
schult.
Eingeweiht wurde mit Francopolis 2 auch"La Cédéthèque"
, welche die Druckversion der Texte, die auf den Audio-CDs aufgenommen sind,
anbietet. Dies bildet eine zusätzliche Erweiterung des Arbeitsspektrums
für die Übung zu Hause.
3) Francopolis 2001 -- der Anfang einer neuen Ära
Wer darin geübt ist, sich im Meer des Wissens treiben zu lassen, dem werden
die unzähligen versunkenen Website-Leichen aufgefallen sein oder die vielen
Gallionen aus einem anderen Jahrhundert, um nicht zu sagen Jahrtausend, die
sich noch an der Oberfläche halten. In einem so schnell(l)ebigen Medium
wie dem Internet sieht nach relativ kurzer Zeit die mühsam erstellte Homepage,
die der Stolz seines Webmasters ist, alt aus. Nach mehreren Jahren guter Dienste
war die Zeit gekommen, Francopolis neuen Glanz zu geben.
Dabei wurde berücksichtigt, dass die technische Leistung und die Graphik
nicht zum Nachteil des Inhalts in den Vordergrund gestellt werden sollen. Optische
Gestaltung und Informationen sollen im Gleichgewicht sein.
Bis kurz vor dem Sommer wurde Francopolis für eine lokale Verwendung konzipiert
und genutzt, dann kam ein kleiner unerzogener Roboter, der diese geheime Adresse
willkürlich in verschiedene Suchmaschinen eingetragen hat. Auf einmal wurde
klar, dass Francopolis sich nicht auf einem Intranet befindet, sondern tatsächlich
im Internet und dass es für den Laien anwendungsfreundlicher werden musste.
Bei dieser Gelegenheit haben wir uns vorgenommen, dessen Leistungsspektrum zu
erweitern.
" La Traduction de BD" ist zu einer eigenständigen
Website geworden, die die hervorragende Qualität der Arbeit der Studenten
in ein besseres Licht stellen soll. Die Entscheidung für einen eigenen
Comic-Bereich dient der Übersichtlichkeit für die Besucher und für
die Suchmaschinen.
Die "Cédéthèque" wurde zur "Mediathèque"
und bietet jetzt die Audio-CDs als MP3-Dateien, die direkt aus dem Internet
herunterzuladen sind. Dieses Angebot sollte den Studenten, die ein Semester
oder ein Jahr in einem anderen Land als Frankreich verbringen, erlauben, nicht
den Boden unter den Füßen zu verlieren. In Zukunft werden wir mit
Hilfe von Herrn Klage versuchen, gleich nach dem Unterricht die Unterrichtstexte
als MP3-Dateien anzubieten.
3 a) Francopolis geht interaktiv
Wenn ich im Titel dieses Vortrages den Begriff "Informations- und Kommunikationstechniken"
verwendet habe, ist dies kein Zufall und führt uns zu dem neuen Merkmal
von Francopolis: die Kommunikation. Auf der Suche nach neuen Anwendungen und
Erweiterungen von Diensten haben wir uns entschieden interaktiv zu werden. Ein
erstes Beispiel dafür ist die Bestellung von CDs, die gleich online erfolgt.
Ein weiteres Beispiel der Anwendung der Interaktivität ist die Integration
einer internen Suchmaschine, die dem Besucher eine Orientierung durch die 700
Seiten, die heute bei Francopolis untergebracht sind, ermöglicht. Das Surfen
wird durch diesen neuen technischen Fortschritt wesentlich schneller und einfacher.
Besonders interaktiv gestaltet wurde der neue Bereich, der den Dolmetschern
und Übersetzern gewidmet ist und für unsere Studenten zugleich als
Schaufenster und als Tür nach außen dienen soll. Als Schaufenster
haben wir uns vorgenommen, diesem Bereich eine Seele zu geben. Es ist wichtig,
unsere Internetpräsenz humaner zu gestalten. Dafür werden Fotos und
Videos eingesetzt, die die Studenten während Dolmetschleistungen zu besonderen
Ereignissen vorstellen und die der Außenwelt einen Einblick in unser Institut
verschaffen.
Soviel zum Schaufenster, die Interaktivität wird besonders deutlich in
der "Tür-nach- außen-Funktion". Den Studenten wird die Möglichkeit
gegeben, mit dem Forum selber zu Wort zu kommen.
In einer ersten Phase wird es den einfachen Erfahrungs- und Meinungsaustausch
zwischen ehemaligen und heutigen Studenten und Besuchern ermöglichen. Weitere
Anwendungen werden für didaktische Zwecke verwendet, wenn die Unterrichtsräume
über die nötige Technik verfügen werden.
Ein weiteres interaktives Angebot bietet unser Bereich "Petites
annonces" . Hier sollen in Zukunft Stellenangebote, Praktikumsstellen
den Studenten helfen, leichter schon während ihres Studiums berufliche
Erfahrung zu sammeln und somit ihrer Zukunft eine feste Grundlage zu geben,
indem sie Kontakte knüpfen mit den Akteuren der Berufswelt. Diese Idee
ist eine Übertragung aufs Internet von dem, was in anderen namhaften Unis
auf traditionellere Weise im Bereich Übersetzen und Dolmetschen gemacht
wird.
Ein weiteres Projekt, das sich auf die Interaktivität von Francopolis stützt,
ist die Erstellung von interaktiven Übungen, die die schriftliche, grammatische
oder kulturelle Sprachkompetenz des Studenten prüfen soll. Automatisch
werden seine Fehler gefunden und korrigiert. Siehe "Test".
Schluss:
Ziel ist jetzt, diese durchgeführten Projekte einem breiteren Publikum
bekannt zu machen. Die Besucherzahl von Francopolis wurde seit Herbst 2000 verdoppelt
und erreicht ungefähr 400 pro Monat. Ziel ist, in absehbarer Zeit die 600-Marke
zu erreichen. Es liegt im Interesse des Studiengangs und der Studenten, dass
solche Projekte geführt und bekannt werden. Der Studiengang wird hoffentlich
bekannter und die Studenten können sich besser profilieren.
Die Realisierung solcher Projekte erfordet aber viele Kompetenzen. Mehr als
um den Einsatz von Multimedia in der Lehre und Forschung handelt es sich hier
um den Einsatz von Multikompetenzen. Jeder sollte sich im Klaren sein, dass
es dabei nicht unbedingt um Arbeitsersparnis geht. Die Arbeitstage können
sich dadurch stetig verlängern. Für Internet- Projekte sollte man
z.B. berücksichtigen, dass Wissen nicht nur sporadisch und unvollständig,
sondern regelmäßig und umfassend eingespeist werden sollte. Dazu
gehört mehr als nur die vorübergehende Begeisterung Einzelner, für
das neue Medium. Dazu gehört der Aufbau fester Strukturen und ein Kostenkonzept,
das die Bezahlung der erforderlichen Arbeiten garantiert. Um ein immer breiteres
Angebot und eine leistungsfähige Lehre dank der neuen Technologien anbieten
zu können, werden finanzielle Mittel erforderlich. Es wird oft in den verschiedenen
Multimedia-Konzeptionen der verschiedenen Hochschulen vergessen, dass diese
Multikompetenz, die immer mehr erwünscht ist, im Privatsektor teuer bezahlt
wird.
Wenn die Universität künftig auf die neuen Technologien setzen will,
sollte sie einige Punkte in Erwägung ziehen.
1) Der Lehrende sollte dazu motiviert werden, sei es als Lehrdeputatsminderung
oder als Bezahlung der Extra-Arbeit. Bei der Bezahlung könnte man ein System
der Vermarktung des Produktes unter der Schirmherrschaft der Universität
entwerfen und der Lehrende würde dann einen Prozentsatz davon bekommen.
2) Der zweite Punkt wäre ein radikales Umdenken innerhalb der Universität.
Diese neuen Technologien bieten neue Wege in der Informationsvermittlung, die
gar nicht genutzt werden. Erst in letzter Minute haben wir erfahren, dass es
eine Multimedia-Konzeption gibt, zu der wir uns äußern dürfen.
3) Eine Vereinfachung der Bürokratie ist unabdingbar. Wenn die Universität
wirklich auf diese neuen Technologien setzen will, sollte sie sich auch anpassen
und flexibler werden. In einer Welt, in der die Prozessoren immer schneller
werden, wurde aber die Multimedia-Konzeption für das Jahr 2000 bis 2003
erst im Dezember 2000 bekannt gegeben!
4) Die neuen Möglichkeiten, die sich uns eröffnen, sollten auch für
die Entscheidungsfindung, unter anderem innerhalb des Instituts, genutzt werden.
Grundsätzlich finde ich, dass die Möglichkeiten der elektronischen
Post nicht ausgenutzt werden.
© 2001, X. Bihan. Alle Rechte vorbehalten.