Polysemie
- apokalyptisch: ‘Widersacher Christi’
- metaphysisch: ‘böse Macht’
- ideologisch: ‘Feind, Gegner’
- affektiv: ‘unmoralischer Mensch’
- popkulturell: ‘Selbstbezeichnung in der Punk- und Rockszene’
Definition
Antichrist
Eine biblische Gestalt, Gegner von Christus, Widersacher Gottes, der vor Jesus Wiederkunft versuchen wird, die Macht zu ergreifen und falsche Lehren zu verbreiten; ein Vorbote des Jüngsten Gerichts (vgl. 1 Joh, 2 Joh, Offb). Die Abgrenzung zu anderen negativen Gestalten der Offenbarung des Johannes (z. B. Drache, der falsche Prophet, die große Hure Babylon/ Babel) sowie der gesamten Bibel (Satan, Luzifer, Beelzebub) ist unscharf.
Konnotationen
- böse
- hinterlistig, verstellt
- dunkel, düster
- durch die Zahl 666 symbolisiert (nach Offb 13,18)
- Weltuntergang
Lexikalische Relationen
Synonyme
- Beelzebub
- die Große Hure ( Babel/ Babylon) ‘meist als Weltmacht verstanden, die das Judentum bzw. Christentum vernichten will’
- falscher Prophet
- Luzifer
- Satan1
- Teufel1
Opposita
- Christus
- Gott
- Messias
Wortbildungen
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Phraseme, Kollokationen
Kollokationen
- das Nahen des Antichrists
- fleischgewordener Antichrist
- Kampf zwischen Christus und dem Antichrist
- Kommen des Antichrists
- personifizierter Antichrist
- wahrer Antichrist
Belege
Und jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, ist nicht aus Gott. Das ist der Geist des Antichrists, über den ihr gehört habt, dass er kommt. Jetzt ist er schon in der Welt.
1 Joh 4,3
Viele Verführer sind in die Welt hinausgegangen; sie bekennen nicht, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist. Das ist der Verführer und der Antichrist.
2 Joh 1,7
Ist das „Jüngste Gericht“ die göttliche Endlösung der menschlichen Geschichte? Andere träumten vom „letzten Gefecht“ im Kampf zwischen Christus und dem Antichrist oder Gott und den Teufeln am „Tag von Harmageddon“, sei es mit göttlichem Feuer oder mit modernen Atombomben.
Die Presse, 20.11.1998
Während im Jahre 999 die Menschen fürchteten, dass der Himmel einstürzt, die Erde bebt und alles Leben im Weltenbrand versengt, der Antichrist auf die Erde kommt und das Jüngste Gericht droht, sind tausend Jahre später die Ängste weit profaner.
St. Galler Tagblatt, 11.12.1998
Die ultrareligiösen Vereinigungen der Griechisch-Orthodoxen glauben hingegen, durch die Umsetzung des Abkommens werde sich die biblische Johannes-Apokalypse erfüllen. Mit dem anzuwendenden elektronischen System werde Griechenland eine Code-Nummer erhalten, deren Quersumme 666 ergebe. In der Apokalypse heiße es aber, der Antichrist werde in Form dieser Zahl über die Menschheit kommen.
Salzburger Nachrichten, 13.06.1997
Die Banken werden bankrott gehen, bevor der Antichrist herrschen wird, besessen durch Satan, der sich durch den Antichrist der Welt bemächtigt. Durch moderne Computer- und Telekommunikationssysteme sowie durch ein spezielles Kreditkartensystem wird der Antichrist die Menschen an sich binden. Ein paar Jahre wird dies dauern, bis Jesus zurückkehrt, um sein Volk zu retten.
St. Galler Tagblatt, 05.11.2010
Über Suchmaschinen finden sich im Internet Millionen Seiten zu diversen Weltuntergangszenarien, die derzeit Hochkonjunktur haben. Ein Internet-Dienst verkündet, vor 2002 ist nichts mit Weltuntergang und Co. Weil zuerst muß der Antichrist auftauchen und für dreieinhalb Jahre seine Weltdiktatur ausüben. Ist noch nicht.
Kleine Zeitung, 01.02.1999
In dieser Zeit kommt der Antichrist an die Macht, verspricht der Welt Frieden und Einheit. Er bezieht Quartier in Babylon (dem heutigen Irak) und schickt seine Armeen durch den ausgetrockneten Euphrat nach Israel. Dort kommt es im Tal von Armageddon zur letzten Schlacht mit Christus, der auf dem Tempelberg in Jerusalem zur Welt zurückkehrt, um ein tausendjähriges Reich zu errichten. LaHaye und Jenkins bauen ihre Serie um die Endzeitprophetien der Bibel auf und übertragen die düstere Vision der "Geheimen Offenbarung" in die Jetztzeit. Der Antichrist benutzt die Vereinten Nationen, um eine Weltregierung zu schaffen. Eine wirre Geschichte? Vielleicht - aber eine, die Millionen Leser in Amerika in ihren Bann zieht. Die "Left Behind"-Bücher rühren an einem Bedürfnis, das in Amerika nach den Terroranschlägen vom 11. September noch ausgeprägter in Erscheinung tritt als schon zuvor: die Lust am Ende der Zeiten. Mehr als jeder dritte US-Bürger denkt nach einer Umfrage des "Time"-Magazins "über das Ende der Welt nach", und 59 Prozent glauben, es werde so kommen, wie die Bibel es beschrieben habe.
Rhein-Zeitung, 01.06.2004
Definition
Antichrist
Eine dunkle Macht, der böse Geist und sein Werkzeug, die als einflussreich gelten und deren Wirken verhängnisvolle Folgen nach sich zieht. Tendenziell wird ihnen unterstellt, dass sie im Geheimen die Welt zum Bösen verführen und zum (moralischen) Verfall und Verwüstung führen.
Der Ausdruck spiegelt heutzutage i.d.R. die Einstellung des Sprechers nicht wider, sondern wird zitatähnlich als Hinweis auf die Meinung jemandes anderen verwendet, den der Sprecher häufig als einseitig oder fanatisch erscheinen lässt. Ein Gebrauch des Wortes, bei dem sich der Sprecher mit der so ausgedrückten Bewertung identifiziert, beschränkt sich meistens auf Diskurse bestimmter christlicher Glaubensgemeinschaften, des Okkultismus u. ä.
Sg. Tant.
Lexikalische Relationen
Synonyme
- Satan2 ‘das Böse, der böse Geist’
Wortbildungen
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Phraseme, Kollokationen
Kollokationen
- etw. ist ein Werkzeug des Antichristen
Belege
Seine politische Theologie verweist unmittelbar auf die christliche Apokalyptik, die Juden sind für Fichte der zu bezwingende Antichrist. Hitler wird sich schließlich als neuen Messias sehen, der die Menschheit vom Antichrist befreit: „So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.“
Die Presse, 07.02.1998
Für Nikiforow ist das kein Thema: Die Alleinseligmachende werde sich nicht auf eine derartig primitive Diskussionsebene einlassen. Gott werde Rußland schon retten. So er dies vorhat, muß er sich beeilen: „Der Antichrist naht. Er heißt Imanuil und ist Jude. Über Amerika hat er sich auf den Weg nach Rußland gemacht und die Gestalt Jelzins angenommen“, behauptet Nina Akimowa.
Die Presse, 30.07.1997
Der Geist des Antichristen ist am Leben und hat heute einen grossen Einfluss. Das ist keine grosse Überraschung, oder? Doch die Tatsache, dass er heute in sogenannten
christlichen Gemeindeorganisationen vorherrscht und einen solch grossen Einfluss hat, ist besorgniserregend.
http://www.endzeitzeichen.org/Entrueckung%20nahe.pdf [18.4.2012]
Wenn du freimaurerische Wurzeln in deiner Gemeinde duldest, machst du dich zum Komplizen Satans, denn die Freimaurerei ist der offizielle Feind der Christen, ein Werkzeug des Antichristen, auch wenn er noch so „friedevoll“ und mit noch so wohl klingenden humanistischen Zielen daher kommt. Still und heimlich versucht sie aber alles christliche zu unterwandern und auszurotten, seien es Kreuze und Gebete in den Schulen oder auch Skrupel gegen Abtreibung und Homosexualität, sowie jegliche Scham im sexuellen Bereich u.v.m.
http://liebezurwahrheit.de [18.4.2012]
Definition
Antichrist
Eine Person oder eine Institution, die als einflussreich gilt und deren Wirken verhängnisvolle Folgen nach sich zieht. Tendenziell wird ihnen unterstellt, dass sie im Geheimen die Welt zum Bösen verführen und zum (moralischen) Verfall und Verwüstung führen.
Einerseits wird als Antichrist im Besonderen eine Person bezeichnet, die nicht an Gott glaubt bzw. wichtige Teile des christlichen Glaubens ablehnt oder falsche Lehren verbreitet. In diesem Sinne auch stark abwertend über Juden. Andererseits können die Anspielungen auf die christliche apokalyptische Literatur und damit zusammenhängende religiöse Überzeugungen manchmal auch nur latent oder kaum präsent sein.
Der Ausdruck spiegelt heutzutage i.d.R. die Einstellung des Sprechers nicht wider, sondern wird zitatähnlich als Hinweis auf die Meinung jemandes anderen verwendet, den der Sprecher häufig als einseitig oder fanatisch erscheinen lässt. Ein Gebrauch des Wortes, bei dem sich der Sprecher mit der so ausgedrückten Bewertung identifiziert, beschränkt sich meistens auf Diskurse bestimmter christlicher Glaubensgemeinschaften, des Okkultismus u. ä.
Lexikalische Relationen
Synonyme
- Erzfeind
- Ketzer
- Satan3 ‘böser Mensch’
- Teufel2 ‘böser Mensch’
Wortbildungen
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Phraseme, Kollokationen
Kollokationen
- Antichrist unserer Zeit
- fleischgewordener Antichrist
- personifizierter Antichrist
- wahrer Antichrist
- jemanden als Antichrist bezeichnen
Belege
Obwohl die Ehen arrangiert waren, führten die Opfer dieser Machtpolitik oft ein glückliches (Ehe-)Leben, etwa die Frau Kaiser Franz’ I. Vergnügungssüchtig, mischte sie sich gern in die Politik und beeinflußte ihren Gatten vor allem in bezug auf ihren Erzfeind Napoleon, den sie abschätzig nur als „Antichrist“ bezeichnete.
Die Presse, 05.12.1998
Und die jüngste Erklärung der Glaubenskongregation, die den anderen Kirchen das Kirche-Sein bestreitet, wirft zwischen der römisch-katholischen Kirche und den anderen Kirchen neue Gräben auf mit dem Ergebnis, dass jetzt von evangelischer Seite wieder diskutiert wird, ob an dem alten Vorwurf Luthers, der Papst sei der Antichrist, nicht doch etwas Wahres dran sei.
St. Galler Tagblatt, 21.09.2007
In der Ideologie der weissen Rassisten nehme der Sieg Obamas den Stellenwert einer Zeitenwende ein, sagt Levin. Obama ist für sie kein geringerer als der Antichrist. Er steht nicht nur für eine Politik, welche die weisse Kultur untergräbt, er ist das wandelnde Symbol für die, wie sie es nennen, „Bastardisierung.“ So sei Barack Obama gleichsam „der perfekte Stachel im Fleisch des harten Kerns der rassistischen Bewegung“ in den USA.
St. Galler Tagblatt, 22.11.2008
Derby-Lewis hat den Mord an Chris Hani geplant – um Südafrika „ins Chaos zu stürzen und eine Machtübernahme der Rechten zu ermöglichen“, wie er vor der Wahrheitskommission aussagte. Hani, der nach Nelson Mandela populärste Führer des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und Chef der Kommunistischen Partei, sei der „Antichrist“ gewesen, begründete Derby-Lewis die Tat.
Frankfurter Rundschau, 21.08.1997
Nach Weiss könne man nicht bestreiten, daß für Luther der Jude der fleischgewordene Antichrist war. Er sah in ihm „eine Plage, Pestilenz und eitel Unglück“, und es sei eine Tatsache, daß er den Fürsten geraten habe, Synagogen, jüdische Schulen und Häuser niederzubrennen.
Die Presse, 19.04.1997
Wer es aber wagt, zum Führungsstil von Bischof Krenn kritische Bemerkungen zu machen, demaskiere sich dadurch nach Meinung gewisser Kreise als verdammenswerter Kirchenschänder und Glaubenszerstörer, als zu bekämpfender Antichrist, weil er die Autorität und Unfehlbarkeit der Stellvertreter Christi auf Erden in Frage stellt.
Salzburger Nachrichten, 22.07.1993
Christliche Autoren späterer Jahrhunderte, die Nero schon wegen der Hinrichtung ihrer Glaubensbrüder nach dem Brand von Rom verurteilten, prägten endgültig das Bild des Kaisers als größenwahnsinnigem Tyrannen. Im Mittelalter galt er geradezu als Verkörperung des Antichrist. Dieses negative Bild überwiegt bis heute, auch wenn einzelne Historiker immer wieder eine Ehrenrettung des Kaisers versuchen.
StefanC; Jed; Ohtar; u.a.: Nero, In: Wikipedia - URL:http://de.wikipedia.org: Wikipedia, 2005
Der Antichrist ist Symbolgestalt gegnerischen Christentums. Er kann in vielen Formen auftreten. Das Widergöttliche spielt sich heute ja auf allen Gebieten ab. In der Menschheitsgeschichte haben die Kräfte des Bösen immer neue und wechselnde Gestalt angenommen. Gegenwärtig wird der Antichrist vor allem in jenen widergöttlichen Kräften spürbar, die den Papst kritisieren. Diese Kampagne setzt sich auf unteren Ebenen fort, wenn es gegen Bischöfe geht.
Neue Kronen-Zeitung, 07.04.1995
Definition
Antichristveraltet
Schimpfwort; ein schlechter, unmoralischer oder auch ungläubiger Mensch
Konnotationen
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Belege
Das Kind sollte seiner Großmutter zugesprochen werden. Aber es weigerte sich, die Adoptivfamilie zu verlassen. In Briefen beschimpfte es seine Großmutter als alte Hexe, Feindin des Lichts, Antichrist.
Die Presse, 01.02.1997
Beim Verlassen der Kirche bewarfen ihn hundert Personen mit Eiern und beschimpften ihn als „Lebemann“, „Pharisäer“ und „Antichrist“.
Frankfurter Rundschau, 23.03.1999
Im Song "The Big M" grölte er, Masturbation sei nur künstlicher Sex und eine Sünde gegen den eigenen Körper. Und in "Planned Parenthood" wettert van Pelt sogar: "Du bist für Abtreibung, du bist für die Rechte Homosexueller. Du bist Anti-Christ!" Aussagen, so erzkonservativ wie die eines texanischen Wanderpredigers - nur in modernerem Gewand.
http://einestages.spiegel.de [16.4.2012]
Definition
Antichrist
Selbstbezeichnung in der Punk- und Rockmusik sowie in der Popkultur generell. Symbol des Protests gegen das Establishment, die bürgerliche Moral, aber auch eine Strategie der Vermarktung von Produkten, vorwiegend unter Jugendlichen.
Konnotationen
- amoralisch, nihilistisch
- provozierend, blasphemisch
- kraftvoll
Lexikalische Relationen
Synonyme
- Antimoralist
- Nihilist
- Satanist
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Phraseme, Kollokationen
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Belege
„Ich bin ein Bettmensch, halb Mensch und halb Bett.“ Mit diesem Lied verabschiedete sich der Hamburger Singer/Songwriter, Entertainer und „Antichrist mit grossem Herzen“ Olli Schulz von seinem Publikum in der Grabenhalle im November 2006. Zuvor sang Schulz auch schon im damaligen Hafenbuffet in Rorschach über den „heiligen Ernst“ des Lebens, lachte und weinte.
St. Galler Tagblatt, 02.04.2008
Der Crowley-Tarot, nach Aleister Crowley (1875 bis 1947), erschien 1944 und wurde von Frieda Harris gezeichnet. Seine Karten sind abstrakter und geheimnisvoller. Crowley war eine schillernde Figur der okkulten Szene, für viele einfach ein Schwarzmagier und Hexenmeister. Haß und Gewalt prägten seine „Philosophie“, er selbst sah sich als der Antichrist.
Salzburger Nachrichten, 17.05.1997
Wortindex
Etymologie
Griech.: antí ‘gegen, anstelle von’ + christos ‘Christus, Messias, Gesalbter’, deutsch auch: Widerchrist, Endchrist, ist eine Figur der christlichen Apokalyptik, die als Gegenspieler und Gegenmacht Jesu Christi vor dessen Wiederkunft erwartet wird. Der Begriff stammt aus dem Neuen Testament und bezeichnet dort einen Menschen, der „gegen den [von Gott] Gesalbten“ auftritt und falsche Lehren über ihn verbreitet. Der Begriff wurde in der Christentumsgeschichte auf viele verschiedene Personen und Mächte der jeweils überschaubaren Gegenwart bezogen und ausgedeutet.
Semantischer Wandel
Die Bedeutungswörterbücher des Deutschen unterscheiden beim Lemma Antichrist i.d.R. zwei Bedeutungen: 1. der Widersacher Christi, der Teufel (Gen. Sg. des Antichrists, ohne Pluralbildung), und 2. Gegner des Christentums (Gen. Sg. des Antichristen, Pl. Antichristen), vgl. WAHRIG (2006), DUDEN GWDS (1993), in DUW (2011) als Homonyme angeführt. Die erste Bedeutung entspricht dem apokalyptischen Profil im vorliegenden Wörterbuch. Die zweite Bedeutung kann als ‘Christenhasser’ oder ‘eine gegen den christlichen Glauben eingestellte Person’ paraphrasiert werden. Während also die erstere Bedeutung als eine Zusammensetzung von anti/ gegen + Christus zu interpretieren ist, gründet sich die letztere auf der Zusammensetzung von anti/ gegen + Christen. Im vorliegenden Wörterbuch wird die Bedeutung ʻGegner des Christentumsʼ nicht angeführt, da sie anhand der Korpusbelege nur selten belegt werden konnte. Vermutlich handelt es sich um ein Wortspiel, das auf beide Lesarten der Wortbildung von Antichrist aufmerksam macht und u. A. als eine Anspielung auf Nietzsches Schrift Der Antichrist, Fluch auf das Christentum wahrgenommen werden kann. Diese Bedeutung kommt vorwiegend in stark intellektualisierten Textsorten wie z. B. Essays vor.
Die Bedeutung ‘Widersacher Christi’, hier als apokalyptisches Profil angeführt, hat einen direkten Bezug zu christlichen Vorstellungen über das eschatologische Ende der Zeit und das Jüngste Gericht, denen ein Kampf zwischen Christus und dem Antichrist, oder auch verallgemeinert zwischen dem Guten und dem Bösen, vorausgehen soll. Dementsprechend beschränkt sich dieses Profil auf Texte, die die christliche Apokalyptik thematisieren oder sie in Bezug auf die Gegenwart aktualisieren (vgl. Belege bei dem apokalyptischen Profil).
Auf das metaphysische und ideologische Profil wird in den Bedeutungswörterbüchern nicht explizit hingewiesen. In diesen Profilen bezieht sich der Ausdruck Antichrist meistens auf eine konkrete Person oder Institution, seltener auch ein Kollektiv (z. B. eine Nation, insb. Juden). Der Ausdruck spiegelt i.d.R. die Einstellungen des Sprechers nicht wider, sondern er wird als Hinweis auf die Meinung (und manchmal auch die Redeweise) jemandes anderen gebraucht, die der Sprecher häufig als einseitig oder übertrieben wertet. Häufig wird die Person oder Gruppe, deren Perspektive wiedergegeben wird, ausdrücklich genannt und das zitatähnliche Aufführen des Wortes Antichrist durch Anführungszeichen verdeutlicht, vgl. sie [die Frau des Kaisers Franz I.] bezeichnete Napoleon abschätzig nur als „Antichrist“; die Juden sind für Fichte der zu bezwingende Antichrist usw. Obwohl nicht zwingend auf religiöse Apokalyptik angespielt wird und das Wort auch verallgemeinert im Sinne von ‘großer Feind, Verkörperung des Bösen’ u. ä. verwendet wird, bleibt in vielen Belegen der Bezug des Wortes Antichrist zur christlichen Welt erhalten. So kommt der Ausdruck beispielsweise in Texten über innerkirchliche und zwischenkonfessionelle Auseinandersetzungen vor (als Bezeichnung des Papstes oder im Gegenteil der Kritiker des Papstes).
Im popkulturellen Profil spiegelt sich eine Umwertung der Gestalt des Antichrists (ähnlich wie bei Satan) in bestimmten Gegenkulturen wie Punk, Metal etc. wider, indem er als eine provozierende Figur aufgefasst wird, die durch den Bruch mit diversen Tabus die vermeintlich kleinliche und engstirnige Mehrheitsgesellschaft herausfordern und schockieren möchte. Obwohl von religiösen Vorstellungen weitgehend losgelöst, tauchen auch in der popkulturellen Stilisierung als Antichrist biblische Motive wie Drache, die Zahl 666 u. a. auf.
Das affektive Profil von Antichrist wird in den Wörterbüchern nicht verzeichnet und ist nur selten belegt. Neben der allgemein negativen Bewertung einer Person wird durch das Schimpfwort meistens das unchristliche Verhalten, schlechte Moral oder Ungläubigkeit eines Menschen kritisiert. Das Schimpfwort kommt entweder in Zitaten älterer Texte, oder im Diskurs christlicher Fundamentalisten vor.
Sprichwörter
Antichristus kann Christum nicht predigen.
Kulturelle Kontexte
Literatur
- Friedrich Nietzsche: Der Antichrist – Fluch auf das Christentum, 1895.
-
Friedrich Oberkofler: Der Antichrist – Der Mythos des Abschieds vom Teufel, 2009.(Quelle: http://ecx.images-amazon.com/images/I/4173ynQEeJL._SS500_.jpg)
- Dominicus Trojahn: Der Antichrist, Legende oder Wirklichkeit?, 2010.
Film
-
Antichrist (Antichrist, Regie: Lars von Trier), Dänemark, 2009.(Quelle: http://www.examiner.com/images/blog/wysiwyg/image/3511144826_1f05c2c921%281%29.jpg)
Musik
-
Marilyn Manson: Antichrist Superstar (Album), USA, 1996.(Quelle: http://images.wikia.com/lyricwiki/images/6/6e/Marilyn_Manson_-_Antichrist_Superstar.jpg)
Sonstiges
Die Selbstinszenierung als Antichrist in der Rock- und Punkmusik wird durch typische bildliche und optische Effekte begleitet wie aggressiv wirkende Anwendung des Laserlichts in den Konzerten, ein weiß geschminktes Gesicht des Musikers mit betont schwarzen Augen, Kostümierung als Drache u. ä., ein provokantes Spiel mit Symbolen wie Nationalflagge, Davidstern und nationalsozialistische Wahrzeichen, Dominanz der Farben Schwarz, Weiß und Rot.
Bibliographie
Brandes, Wolfram/ Schmieder, Felicitas (Hgs.) 2010: Antichrist. Konstruktionen von Feindbildern, Berlin.
Stegmaier, Werner 1992: „Nietzsches Kritik der Vernunft seines Lebens: Zur Deutung von ‘Der Antichrist’ und ‘Ecce Homo’“, in: Nietzsche Studien: Internationales Jahrbuch für die Nietzsche-Forschung, 21: S. 163-83.