Übersicht
religiös-christlich | religiös-sakrifizial | deprivativ | admirativ | matrimonial | |
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Deutsch | |||||
Polnisch | |||||
Slowakisch | |||||
Tschechisch |
de:12345
pl:12345
sk:12345
cz:12345
Sprachvergleich
Altar – ołtarz – oltár – oltář
Altar gehört zu den konkret-gegenständlichen Schlüsselbegriffen des religiösen Wortschatzes und basiert auf den kognitiv-konzeptuellen Kategorien Ort und Gegenstand (Tisch, tischartiger Aufbau). Auf dieser Grundlage entstehen die metaphorischen und abstrahierenden Verständnisweisen, die Ausgangspunkt der semantisch-pragmatischen Dynamik des Lexems sind. Die Kontrastierung von Etymologie und Lexikographie der hier verglichenen Sprachen zeigt ferner zwei Grundbedeutungen der Wortsemantik, ‘Opferstätte; Ort der Verehrung Gottes/ der Götter/ Geister/ Ahnen etc.’ und ‘christlicher Abendmahlstisch; zentraler Bereich der christlichen Kirchenarchitektur’. Historisch gesehen ist erstere Grundbedeutung primär, aus synchroner Sicht ist es jedoch die zweite, die Ausgangspunkt für alle semantischen Profilierungen ist, wie sie den heutigen Sprachgebrauch prägen.
Das vorliegende Wörterbuch verzeichnet fünf semantisch-pragmatische Profile von Altar, die in allen vier untersuchten Sprachen vorliegen: ein religiös-christliches, ein religiös-sakrifiziales, ein deprivatives, ein admiratives und ein matrimoniales Profil. Das religiös-christliche ist in allen Sprachen das häufigste, gefolgt vom deprivativen und mit Ausnahme des Deutschen vom matrimonialen Profil, das dort stärker durch das Kompositum Traualtar vertreten wird. Das admirative Profil ist im Polnischen besonders stabil ausgebaut, in den anderen Sprachen ist es, ebenso wie das religiös-sakrifiziale Profil selten. Das deprivative Profil leitet sich primär vom religiös-sakrifizialen Profil ab und geht dabei insbesondere auf das in allen Sprachen vertretene Phrasem etwas auf dem Altar des Vaterlandes opfern zurück, für das admirative Profil kann keine eindeutige Ableitungsbasis festgestellt werden, in der Regel handelt es sich um ein okkasionelles Variationsspiel mit grundlegenden (profilübergreifenden) semantisch-pragmatischen Komponenten.
Zwei zentrale Phraseme waren wegweisend für diese Konstellation: jmd. Zu Ehren der Altäre erheben ‘heilig sprechen’ für das religiös-christliche Profil und das auf den römischen Kult und damit das religiös-sakrifiziale Profil zurückzuführende etwas auf dem Altar des Vaterlandes opfern, das in den hier untersuchten Sprachen im Zuge säkularer Bewegungen der Moderne mit übertragener Bedeutung aufkam und das deprivative Profil mitstrukturiert. In der aktuellen Sprache sind Varianten wie jmd. auf den Altar heben und etwas auf dem Altar der/ des [xxx] opfern verbreitet. Gerade beim Füllen dieser open slots mit diskursiven Leitbegriffen zeigt sich die Produktivität der semantischen Säkularisierungsprozesse, die publizistische catch phrases hervorbringen, vgl. Dt. Altar der Koalition, morscher Altar der mittelfristigen Finanzierung, Tsch. oltář reformy, oltář úspěchu, Poln. ołtarz nauki, polityczny ołtarz, Slow. oltár svojej cestovateľskej vášne, oltár Európy. Verwendungsweisen, die allein auf einem Phrasem fußen, werden nicht als eigenständiges semantisches Profil erachtet, jedoch sind für einige Profile phraseologisch-semantische Felder konstitutiv, die durch einen hohen Variationsgrad gekennzeichnet sind. So ist die Grundstruktur des deprivativen Profils in allen Sprachen durch die Verbindung eines Verbs aus dem semantischen Feld ‘bringen, niederlegen’ oder ‘opfern’ mit einer nominalen Verbindung Altar + Abstraktum (im Genitiv) zu beschreiben, das matrimoniale Profil beinhaltet immer eine verbal realisierte Bewegung zum, vom oder ein Verweilen vor dem Altar, wobei fakultativ meist der Aspekt der Begleitung oder Führung, in der Regel der Frau durch den Mann, ausgeführt wird. Um diesen Rahmen herum erfolgt die Ausschmückung, die Wahl des Bewegungsverbes kann dabei völlig neue semantisch-pragmatische Akzente setzen, vgl. etwa Slowakisch dotancovaní pred oltár. Diese Struktur kann noch weiter aufgelöst werden, so dass elliptische Verwendungen wie BECKER U OLTÁŘE, ich láska sa končí pred oltárom, Hugh Grant bliski jest ołtarza in den westslawischen Sprachen zu finden sind, im Deutschen tritt die semantische Refokussierung vor allem im Kompositum Traualtar in Kraft. Diese phraseologisch-kollokativen Felder sind für die genannten Profile in allen Sprachen signifikant ausgeprägt, abgesehen von der geringen Belegdichte des matrimonialen Profils im Deutschen, das durch das Kompositum Traualtar kompakt angelegt ist.
Altar ist mit Ausnahme der deutschen Komposita arm an Derivaten, das minimale Ableitungsinventar fällt beinah ausschließlich auf die beiden religiösen Profile, so das fachsprachliche Altarist/ oltářník/ ołtarznik/ oltárník. Im Westslawischen handelt es sich um Diminutivformen und Relationsadjektive, die als äquivalent zum deutschen Kompositabestandteil Altar- zu betrachten sind. Reichlich auffindbar sind dagegen in den westslawischen Sprachen Kollokationen, die einerseits in Bezug zu den freien Phrasemvariationen in den säkularen Profilen stehen – Verbindungen wie oltář úspěchu werden in SuP als Kollokationen interpretiert. Andererseits gehören sie neben den Konnotationen und zusammen mit Phrasemen zur konventionellen Ausgestaltung der religiösen Profile, vgl. etwa Tschechisch vs. Deutsch: poslacený oltář, zlatý oltář, stříbrný oltář/ vergoldeter Altar, goldener Altar vs. Goldaltar, Silberaltar …; křídlový oltář/ Flügelaltar; marianský oltář/ Marienaltar; oltář lárenů/ Larenaltar.
In allen behandelten Sprachen und damit auch entsprechend geteilter Traditionen und übergreifender gesellschaftlicher Entwicklungen gehört ein großer Teil der heutigen Belege in den religiösen Profilen zur kunstgeschichtlichen und populärwissenschaftlichen Domäne, was einen lange andauernden Säkularisierungsprozesse vorerst abschließt, vgl. auch die Ausführungen zu Arche Noah im Westslawischen in der Bedeutung ‘Flügelaltar’. Im Vordergrund steht nicht der religiös-theologische Sinn, sondern die baulich-stilistische Ausgestaltung und ihre Beschreibung. Die jüngeren, metaphorischen säkularen Verwendungsweisen greifen in völlig andere Kommunikationsbereiche, allen voran Politik, Wirtschaft und zeitgenössisches massenkulturelles Leben. Herausstechend ist das matrimoniale Profil, bei dem der Altar zwar noch eine gegenständliche Referenz beinhaltet und nicht rein metaphorisch gemeint ist, aber der religiöse Bezug im Sprecherbewusstsein keine Rolle spielt.
Im Sprachvergleich sind neben der obenstehend skizzierten sprachstrukturell bedingten nahezu gegenläufigen Distribution von Derivaten, Komposita, Phrasemen und Kollokationen und mit Ausnahme des matrimonialen Profils alle Profile sehr ähnlich abgedeckt, im Fazit können daher eine weitgehend gleiche Clusterbildung semantischer und kommunikativer Bereiche bei ähnlicher sprachlich-diskursiver Ausgestaltung konstatiert werden. Auffällig ist dabei die tragende Rolle phraseologisch-kollokativer Felder, in denen konzeptuell-semantische Ellipsen als treibender Faktor semantischer Säkularisierung betrachtet werden können. Die säkularen Profile haben völlig neue Verwendungsmöglichkeiten von Altar und neue Kommunikationsbereiche erschlossen, die Ausprofilierung ist dabei in der heutigen Sprache abgeschlossen, quantitativ und in Bezug auf Kombinierbarkeit mit weiteren sprachlichen Mitteln und Domänen ist aber ein weiterer Ausbau vorstellbar.