Übersicht
religiös | psychologisch | Schrecken | |
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Deutsch | |||
Polnisch | |||
Slowakisch | |||
Tschechisch |
de:123
pl:123
sk:123
cz:123
Sprachvergleich
Hölle – piekło – peklo – peklo
Die drei in SuP ausgegliederten Profile sind in allen hier untersuchten Sprachen vorhanden. Dabei handelt es sich um ein religiöses Profil, ein psychologisches Profil sowie ein Schreckensprofil.
Beim psychologischen Profil werden die mit der Hölle konnotierten psychischen Seelenqualen des Sünders betont, die sich aus der Gottesferne ergeben (Einsamkeit, Gram, Niedergeschlagenheit), während beim Schreckensprofil die mit der Hölle konnotierten physisch wahrnehmbaren Schrecken (extreme Hitze oder Kälte, unerträglicher Lärm, unablässiger physischer Schmerz) profiliert werden. Dabei lassen sich dem psychologischen Profil oft Zustände zuordnen, die im Inneren des Sprechers angesiedelt sind, während mit dem Schreckensprofil oft äußere Ereignisse wie Krieg oder Naturkatastrophen korrespondieren. Dies ist aber nicht immer der Fall. Zudem sind die Übergänge zwischen psychologischem und Schreckensprofil häufig fließend und viele Belege können sowohl dem einen als auch dem anderen Profil zugeordnet werden.
Die drei Profile sind in allen Sprachen in ihrer Verwendung stabil und weisen jeweils eine hohe Frequenz auf. Für die säkularen Profile lässt sich in der spontanen Erschließung neuer Verwendungskontexte eine gewisse Produktivität erkennen. Dies ist auch leicht möglich, da jeweils nur einzelne Aspekte des komplexen religiösen Konzepts Hölle auf säkulare Kontexte übertragen werden, die man unter dem Obergriff Intensität zusammenfassen kann und die jeweils eine verstärkende Funktion haben.
Beiden säkularen Profilen ist dabei sprachübergreifend die hyperbolische und emotional verstärkende Funktion gemeinsam, die sich besonders gut in der Wortbildung zeigt (vgl. Höllen- in Höllenangst ‘sehr große Angst’, Höllentempo ‘sehr schnelles Tempo’ usw.). Trotz der Gemeinsamkeiten im durch die christliche Lehre tradierten Imaginarium von der Hölle (vide Höllenfeuer/ ogień piekielny/ pekelný oheň), gibt es dennoch Unterschiede bezüglich lexikalischer Kombinierbarkeit von Hölle/ Hölle- mit verschiedenen Bezugsgrößen (vgl. poln. piekielna pogoda vs. deutsch Mistwetter, aber Höllenangst vs. śmiertelny strach).
Auch die inzwischen veraltete, aber in diachroner Perspektive in allen Sprachen belegte Verwendung von Hölle für einen Raum zwischen Ofen und Wand weist diese hyperbolische Komponente auf. Da es sich bei der Intensität um momentane Eindrücke handelt, die unbeschadet ihrer Dauer als akut wahrgenommen werden, ist für die säkularen Profile charakteristisch, dass es sich in der Regel um vorübergehende Zustände handelt, während die Hölle als religiöses Konzept ewig währt.
Es lässt sich feststellen, dass das religiöse Konzept die Grundlage für die metaphorischen Erweiterungen des Schreckens- und psychologischen Profils darstellt. Im Sprachgebrauch bestehen aber die religiösen und die säkularen Profile weitgehend unabhängig voneinander, so dass die religiöse Komponente dort verblasst. Dieser Verselbständigung kommt auch zugute, dass in den meisten christlichen Kirchen das Thema Hölle kaum mehr thematisiert wird bzw. ebenfalls einer starken Psychologisierung als Ort größtmöglicher Gottferne und existentieller Einsamkeit unterliegt, während die typischen Höllenstrafen de facto ins naive Weltbild der Gläubigen abgedrängt worden sind (vgl. dazu z.B. Joseph Ratzinger: Einführung ins Christentum, München 1968, 242-249 das Kapitel „Abgestiegen zu der Hölle“.)
Grammatikalische Besonderheiten: Im Tschechischen sowie im Slowakischen ist noch der erstarrte Genitiv Plural pekel bzw.pekiel als archaische Form vorhanden, der außerhalbder biblischen Bücher in einigen Phrasemen und einem dem Genre der Mahnrede vorbehaltenen dramatischen Duktus weiterlebt. Diese Verwendung ist fest mit dem religiösen Profil verbunden (archaisch, buchsprachlich). In den slawischen Sprachen können Deminutivformen von peklo gebildet werden (z.B. tschech.: peklíčko ‘kleine Hölle, *Höllchen’, poln. piekiełko), die ausschließlich in den säkularen Profilen vorkommen und eine ironisierende bzw. banalisierende Wirkung haben. (Im Polnischen kann aber mit piekiełko auch ein Nachtlokal im Untergeschoss bezeichnet werden.) Indirekt ist das Vorkommen solcher Deminutive ein Beweis für die hyperbolische Funktion der Wortverwendung in den säkularen Profilen. Damit besitzen Wortbildung und in vereinzelten Fällen archaische Kasusformen eine domänenanzeigende Spezifik. Im Deutschen besteht keinedieser Möglichkeiten. Am Rande sei bemerkt, dass Höllchen in Internetforen als virtuelles Haustier aus der Sci-Fi-Welt sein ephemeres Unwesen treibt: „ Höllchen: Diese übellaunigen Geschöpfe aus Flammen und Wut entstehen manchmal aus den Überresten größerer Höllenbestien, die im Kampf gefallen sind.“ http://www.wowzoo.de/haustier/62317-hoellchen [14.10.2014]
Diese beiden Beispiele zeigen, dass insbesondere bei den derivaten neue Verwendungskontexte und eine überraschende Veränderung der Konnotationen erfolgt. Beim polnischen piekiełko steht das Gemütliche im Vordergrund, der Wortgebrauch assoziiert eine bestimmte Dunkelheit, Heimeligkeit sowie angenehme Temperaturen. Ähnliches ist auch im Bereich der Werbung festzustellen, wenn z.B. eine Firma in Polen (Purmo), die Heizkörper verkauft, mit piekło wirbt und mit dem Gebrauch des Wortes offenbar beim Kosumenten das Gefühl angenehmer Wärme wecken möchte, die mit dem Kauf des Produktes versprochen wird.
In den slawischen Sprachen besteht ein relativ reiches Inventar an regelmäßigen Derivationsmustern (tschech. Reihe Subst.: -ník, -nice, -nictví, -nost Adj./ Adv.: -ně, -nicky, -ný,-nický daneben existiert předpeklí , (vergleichbar im Slowakischen); poln. Reihe Subst. -nik,-nica, daneben przed-, Adj. -ny, die aber oft lexikalisiert sind (z.B. bezeichnen die Substantive poln. piekielnik und seine Movierung piekielnica streitsüchtige Menschen, die nicht unbedingt durch und durch schlecht sind; ebenso bedeutet das poln. Verb pieklić się ‘sich zoffen’ und nicht etwa ‘in der Hölle schmoren’). Im Deutschen sind außer den ad hoc bildbaren substantivischen Komposita nur Vorhölle und höllisch vorhanden.
Die Phrasematik zeigt zwischen den Sprachen insgesamt große Übereinstimmungen. Einzelsprachliche Besonderheiten sind u.a. polskie piekło ‘selbstkritisch über vermeintliche polnische Eigenschaften wie Neid, Streitsucht, Unfähigkeit zu Kompromissen’ tschech.: mít z pekla štěstí ‘großes Glück haben’ sowie im Slowakischen die fakultative Ergänzung jazerný ‘see-’ in: hnať/ posielať do (horúcich/ jazerných) pekiel ‘verfluchen, wegjagen oder sich einer Sache oder jmds. entledigen’, die sich wohl auf den in der Apokalypse 20,10 erwähnten Feuersee bzw. feurigen Pfuhl bezieht, in den der Teufel am Ende der Tage geworfen wird.