Sprachvergleich
Sünde – grzech – hriech – hřích
Das Konzept der Sünde referiert insbesondere auf das Judentum, Christentum und den Islam. Der Begriff bezeichnet vor allem im christlichen Verständnis den unvollkommenen Zustand des Menschen, der sich durch seine falsche Lebensweise von Gott abgewandt hat. Diese Trennung wird in der biblischen Erzählung (Gen 3) als Sündenfall bezeichnet. Zur Abkehr von Gottes gutem Willen kommt es im jüdisch-christlichen Verständnis durch das Zulassen des Bösen oder durch das Sich-Verführen-Lassen.
Im vorliegenden Wörterbuch werden für alle vier Sprachen zwei Profile des Begriffs unterschieden. Das religiöse Profil bezieht sich auf den Verstoß gegen die Liebe zum Gott und zum Nächsten. In der jüdisch-christlichen Tradition sind es insbesondere verschiedene Vergehen gegen die biblischen Zehn Gebote (Ex 20,1-17). In allen vier Sprachen beschränkt sich die Phrasematik dieses Profils auf die theologischen Konzeptualisierungen des Begriffs, vgl. (in der Reihenfolge Deutsch – Polnisch – Tschechisch – Slowakisch): Todsünde – grzech śmiertelny – smrtelný hřích – smrteľný hriech; lässliche Sünde – grzech powszedni/ lekki – všední/ lehký/ hřích, každodenní hřích – všedný hriech; eine Sünde begehen – dopuścić się grzechu – dopustit se hříchu – dopustiť sa hriechu oder die Sünden abbüßen – pokutować za grzechy – odpykat si(svůj) hřích – odpykať si hriech. Außerhalb des theologischen Diskurses wird im gegenwärtigen Sprachbewusstsein der Deutschsprecher, sowie der Sprecher der slawischen Sprachen das Konzept der Sünde weniger als eine religiöse, viel mehr als eine moralische Kategorie wahrgenommen. Die Handlungen werden nicht als solche wahrgenommen, die gegen Gott gerichtet sind oder die Beziehung des Menschen zu Gott durchbrechen. Die Sündhaftigkeit wird insbesondere mit der Sexualsphäre identifiziert. Dies weist jedoch eine lange Tradition in der Wahrnehmung des Begriffes auf. Schon die Fresken von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle (z.B.: „Sündenfall“ oder „Jüngstes Gericht“) waren den zeitgenössischen Moralwächtern auch der Gegenreformation nicht geheuer und gelten bis heute als Abbildungen fleischlicher Sünden.
Im säkularen Profil des SuP wird Sünde – grzech – hřích– hriech als eine falsch angesehene Handlung verstanden, ohne dass damit eine theologische Aussage impliziert wird. In allen vier Sprachen gehört der Begriff der Umgangssprache an. Im Deutschen wird dabei ein besonders breites, semantisches Spektrum solcher Verstöße, die als Sünden bezeichnet werden, festgehalten, z.B.: Verstöße gegen den Umweltschutz (Klimasünde, Umweltsünde) oder gegen Verkehrsregeln (Parksünder, Temposünder, Verkehrssünder). Des Weiteren wird von Steuersünde(r)n, Modesünden, Ernährungssünden oder Bausünden im deutschsprachigen Diskurs berichtet. In den slawischen Sprachen wird im Diskurs meistens die Graduierung der Sünden, die sowohl ernsthafte als auch scherzhafte Ereignisse thematisieren, festgehalten vgl. (poln.) niewybaczalny ‘unverzeihlich’/ straszny ‘schrecklich’ grzech – (tschech.) neodpustitelný ‘unverzeihlich’ hřích – (slowak.) donebavolajúci ‘unverschämt’ hriech. Die Bezeichnung einer Person als Sünder – (poln.) grzesznik – (slowak.) hriešnik tritt im Polnischen und im Slowakischen lediglich im religiösen Profil auf, im Deutschen und Tschechischen (hříšník) hingegen ist diese Wortbildung auch im säkularen Profil vorhanden. In allen vier Sprachen ist der Begriff Jugendsünden – grzechy młodości – hříchy mládí – hriechy mladosti vorhanden. Dieser bezieht sich auf unüberlegte, leichtsinnige Handlungen von jmdn. in seiner Jungend, an die er meistens nicht erinnert werden möchte.
Sprachübergreifend sind ebenfalls die Assoziationen der Sünde, die positive Eigenschaften implizieren, vgl. (de.) sündhaft teuer, (poln.) grzechu warte/ (tschech.) stát za hřích ‘etw./ jmd. ist eine Sünde wert’. Diese Erscheinung wird häufig durch die Werbeindustrie genutzt. Während Phraseme wie eine Sünde wert – grzechu warte – stát za hřích im alltäglichen Sprachgebrauch fungieren, werden Formen wie süße Sünde – słodki grzech – sladký hriech lediglich in Werbeslogans der Lebensmittelindustrie festgehalten.