Übersicht
religiös | Benennung | symbolisch | Marketing | Initiation | dilutierend | aquatisch | |
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Deutsch | |||||||
Polnisch | |||||||
Slowakisch | |||||||
Tschechisch |
de:123457
pl:12356
sk:1234567
cz:12346
Sprachvergleich
taufen – chrzcić – krstiť – křtít
Die religiöse Ausgangsbedeutung bezieht sich auf das christliche Sakrament, wodurch ein Mensch von Sünden, vor allem der Erbsünde, gereinigt und in die christliche Gemeinschaft aufgenommen wird, was mit der Namengebung (meistens dem eines Heiligen) verbunden ist. Ein sichtbares Zeichen der Reinigung ist das Wasser, mit welchem der Kopf des Täuflings – meistens im Kindesalter – begossen bzw. in das sein ganzer Körper eingetaucht wird. Die Taufe stützt sich auf markante Stellen in allen vier Evangelien (die Wirkung von Johannes dem Täufer, vgl. Mt 3,11; Mk 1,4-11; Lk 3,3-16, Joh1,25-33). Die Bezeichnungen des Ritus knüpfen aber – etymologisch gesehen – an unterschiedliche Motive an. In einigen Sprachen wird durch die Form die Handlung des Eintauchens im Wasser hervorgehoben (vgl. engl. baptism nach dem griech. Original baptismós ‘eintauchen’, ähnlich dt. taufen, dasmit tauchen verwandt ist). In anderen Sprachen ist die Initiation, die Aufnahme in die christliche Gemeinde prägend – so wie in den slawischen Sprachen, in denen chrzcić/ krstiť/ křtít auf Christ zurück geht (siehe die Rubrik „Etymologie“).
Dem religiösen Konzept entsprechen auf lexikalischer Ebene zwei Lexeme: taufen und die Taufe (entsprechend auch im Slawischen). Wenn sogar manche Wortbildungswörterbücher von dem Substantiv als Basiswort ausgehen (siehe Słownik gniazd słowotwórczych współczesnego języka ogólnopolskiego, Band 2, Gniazda odrzeczownikowe, Hanna Jadacka et al., Kraków 2001), wird in SuP das Verb vorrangig betrachtet, weil sein semantisches Spektrum deutlich breiter ist. Das abstrakte Substantiv ist nämlich in säkularen Profilen häufig fehl am Platz, vgl. „Pozbawiony ramiączek biustonosz ochrzczono już na wieki „bardotką”” [‘Der trägelose Büstenhalter wurde für immer auf den Namen „bardotka“ getauft’], aber: *chrzest biustonosza (*‘die Taufe des BHs’). Morphologisch gesehen hat man hier mit zwei zum Teil suppletiven Stämmen zu tun: chrzes(t)-/krst-/křest-, sowie chrzci-/ krsti-/ křtí- und křti-,mit jeweils anderen Derivaten. Der nominale Stamm ist die Ableitungsbasis für Namen der vielen Aktanten, z.B. poln. chrześniak/ chrześnica, slow. krstňa (krstný syn/ krstná dcera)‘Patenkind’, poln. ojciec chrzestny, slow. krstný otec ‘Pate’ [vgl. Stichwort Pate]. Vom verbalen Stamm sind im Slawischen viele Präfixverben motiviert, derer strukturelle Bedeutung manchmal kontradiktorisch zu der religiösen ist, vgl. slow. odkřtít ‘die Wirkung der Taufe rückgängig machen’ – und die kritische Meinung eines Sprechers dazu: „„Odkrstiť sa“ je nemožné, pretože krst zanecháva v duši pokrstného nezmazateľný znak, byť pokrstený znamená byť aj členom Cirkvi.“ (Franková 2011: 234).
Der religiöse Taufe-Begriff ist komplex und vielschichtig. Sprachlich gesehen hat man dabei mit einem performativen Verb in erster Person Sg. zu tun („Ich taufe dich…“), welches während der Zeremonie ausgesprochen werden muss. Sein konzeptueller Rahmen ist mit allen dazu gehörigen Mitspielern sehr symbolträchtig und für metonymische und metaphorische Übergänge geeignet, und zwar:
Die Komponente ‘Wasser’ motiviert eine manchmal scherzhafte, manchmal anprangernde Bedeutungserweiterung ‘etwas (eine Flüssigkeit) mit Wasser verdünnen’, vgl. slow. krstiť vino (religiöser Brauch in der griechisch-katholischen Kirche; im profanen Sinn jedoch als ‘Verwässerung’ gemeint). Diese Bedeutung konnte nur im Slawischen bestätigt werden und auch dort gilt sie als inzwischen veraltet. Die polnische Lexikographie verzeichnet sie meistens nicht mehr. Slowakische Wörterbücher berücksichtigen sie immer noch, obwohl im slowakischen Sprachkorpus solche Belege eher selten sind. Im Polnischen konnten dagegen viele auf diese Bedeutung rekurrierende Zitate gefunden werden. Am häufigsten werden Alkohol oder Benzin „getauft“. Es ist meistens eine kriminelle Handlung. Der Sprecher distanziert sich davon, was in der geschriebenen Sprache typographisch mit Anführungszeichen zu verstehen gegeben wird, vgl.: „Kto „chrzci” wódkę na granicy?“[...] „trunki są mocno „chrzczone”.“ […] „Niektórzy lubią „ochrzcić” benzynę“. Ein tschechisches Beispiel zeigt, dass der Sprecher sich einer säkularisierenden (laizistischen) Verwendung des Verbs bewusst ist: „Stejně jako víno ani burčák se nesmí zmnožovat, laicky řečeno, křtít (Hervorhebung der Red.) vodou“(siehe dilutierendes Profil in SuP, von lat. diluere ‘verdünnen’).
Von der Geste des Beträufelns kann man die aquatische Bedeutung‘Nasswerden durch Witterung (Regen oder Schnee)’ herleiten, vgl. slow. „Prve dní nás krstil dážď“, dt. Jmd. wurde mit Schnee getauft. Neben Niederschlägen kann es auch der Schweiß auf der Haut sein, der jmdn. „tauft“, wie im slow. …hrudu znojom krstí.Es ist eine stilistisch etwas gehobene, grammatikalisch auf die dritte Person bzw. den Passiv beschränkte Ausdrucksweise und daher eher marginal. Im Polnischen und Tschechischen ist sie nicht bekannt. Die bildhafte Assoziation mit dem Taufwasser ist dennoch nicht uninteressant.
Der Akt der Namengebung, der mit der Taufe verbunden ist, eröffnet einen weiteren semantischen Pfad in die profane Richtung ‘Etwas einen Namen geben (einem Tier, einem Gegenstand, einer (Ein)Richtung etc.’ – das Benennungsprofil, vgl. poln. (meistens pf. ochrzcić): „Otoczył się grupą ludzi, którą ochrzczono mianem pampersów. Ochrzczono projekt imieniem NEFRE.“Tschech.:„Hlava státu (…) Kromě setkání s občany bude v zoo křtít mláďata servalů.” Slow. „Veď človek (...) vo svojej bohatej reči krstil názvami tieto hory a poľany, rieky a potoky...” Im Deutschen und Tschechischen kann mit dem Verb taufen/ křtít auch die säkulare Benennung von Menschen mit saloppen Spitznamen oder unkonventionellen Vornamen bezeichnet werden, vgl. „Meine Eltern hätten mich ja auch nach einem Ort taufen können, der für sie (…) wichtig war. Der arme Sohn von David Beckham heißt Brooklyn, die Tochter von Madonna heißt Lourdes – und Paris Hilton muss damit leben, dass ihr Name für eine Hotel-Anschrift gehalten wird.“ In Polen sorgt der Rat für Polnische Sprache dafür, dass Neugeborenen solch unpassende Vornamen nicht gegeben werden, was allerdings nicht religiös sondern sprachlich-kulturell begründet ist.
Nicht weit von diesem Profil entfernt scheint eine Verwendung des Verbs im Slowakischen und Tschechischen als ‘beschimpfen, spotten’ zu sein, vgl. slow. „Aj z televíznej obrazovky možno niekedy vyčítať, keď brankár „krstí" spoluhráča za kiks.”. Tschech.: „křtil ho všemi možnými jmény, nehezky”. Das slowakische KSSJ verzeichnet diese Bedeutung (meistens pf. vykrstiť, skrstiť) mit dem Zusatzmerkmal „expressiv“. Sie bezieht sich auf einen beleidigenden Sprechakt, wenn jemand mit ruppigen Worten verflucht wird. Es wäre zu prüfen, ob solche Bedeutungsvariante sich aus dem religiösen Akt des Verwünschens entwickelt hat, zumal sie für folkloristisch anmutende Milieusprachen typisch ist. Diese Verwendung wurde jedoch im SuP nicht separat behandelt.
Die oben aufgelisteten Bedeutungsspezifizierungen beruhen auf metonymischer Erweiterung des Bezugsbereichs eines Ausgangslexems, wenn ein definitorisches Element der religiösen Bedeutung (‘Wasser’, ‘Name’) als Bindeglied zu säkularen semantischen Feldern betrachtet werden kann. Auch metaphorische Übertragung ganzer Strukturen konnte beobachtet werden:
Einen profanen Ritus, in dem die religiöse Handlung nachgeahmt wird, mit typischer Rollenverteilung und dem performativen Taufe-Sprechakt, stellt das symbolische Profil dar. Es werden prototypisch Schiffe und Boote getauft, gegenwärtig auch Autos, Züge und sogar Gebäude. Sie bekommen einen Namen von der Taufpatin/ dem Taufpaten, vgl. poln. „Kapituła (…) wybierze panią, która w sierpniu pojedzie do Chin, aby ochrzcić statek (...) szóstym z serii noszącej nazwy geograficzne polskich ziem...” Anstatt Wasser wird das getaufte Objekt mit Sekt besprengt. Diese Verwendung vom Verb taufen ist fest im Sprachusus aller untersuchten Sprachen verankert.
Die religiöse Taufe wird auch in einem Brauch nachgeahmt, in dem der Einstieg ins Berufsleben oder Ausübung einer Rolle gefeiert wird, vgl. Zeller Karnevalisten wurden traditionell in Moselwasser getauft, poln. chrzcić szczury lądowe. Solches Initiationsprofil ist vor allem im Deutschen ausgeprägt, was wahrscheinlich mit der langen Zunfttradition in Deutschland zusammenhängt. Im Polnischen gibt es im studentischen Milieu einen vergleichbaren Brauch otrzęsiny, wo Neuimmatrikulierte auf lustiger Party einer Probe unterzogen werden, bevor sie als vollberechtigte Studenten begrüßt werden können.
Mit einer Initiation zunächst im Militärsinn hat man es im längst säkularisierten Phrasem Feuertaufe, poln. chrzest bojowy (chrzest ogniowy nicht in ISJP registriert), slow. krst ohňom, seltener prejsť krstom boja, tschech. křest ohněm zu tun, welches den ersten Kampf auf dem Schlachtfeld bedeutet und vom Durchschnittssprecher nicht mehr mit der Bibel in Verbindung gebracht wird. (In den Evangelien wird der Wassertaufe eine Feuertaufe im Heiligen Geist gegenübergestellt (vgl. Lk 3,16)). Die Feuertaufe wird gegenwärtig auf andere Bereiche übertragen, wo eine Aufgabe zum ersten Mal erfüllt werden muss.
Ein völlig säkularisiertes und seit 1990-er Jahren expandierendes Marketingprofil ist im Tschechischen und Slowakischen zu finden. In tschechischen Wörterbüchern wurde diese Bedeutung schon kodifiziert: „křtít slavnostně uvádět nový produkt, výrobek na trh: kapela křtila v klubu své druhé album” [‘feierlich ein neues Produkt, Erzeugnis auf den Markt einführen’] (Martincová et al, 1998: 138), analog „křtiny slavnostní uvedení nového produktu, výrobku na trh; křest: křtiny nové desky; křtiny exkluzivního kalendaře” [‘feierliche Einführung eines neuen Produkts, Erzeugnisses, auf den Markt; eine Taufe’] (Martincová et al, 2004: 217). Getauft werden vor allem kulturelle Produkte – CDs und Bücher. Religiöse Anspielungen sind hier deutlich, was einen polnischen Buchautor Mariusz Szczygieł vor ein Rätsel stellt:
„Wracając do Gotta. Marta mówi, że to człowiek o duszy bez skazy. To właśnie on był w 1996 roku ojcem chrzestnym nowej płyty Marty Kubišovej z czeskimi bluesami. Otworzył szampana i skropił nim pierwszy kompakt. [„Um zu [Karel] Gott zurückzukehren: Marta sagt, dass er ein Mensch mit tadelloser Seele ist. Er war im Jahre 1996 der Pate der neuen CD mit tschechischen Blues von Marta Kubišová. Er eröffnete den Sekt und bespritzte damit die erste CD“] (M. Szczygieł, Gottland, 2006: 162)
Der Autor, der sich in seinen Büchern als Tschechophile vorstellt, erklärt dieses und ähnliche Phänomene im tschechischen Leben als eine Sehnsucht nach sacrum in einer desakralisierten Wirklichkeit. Solche Werbestrategie ist im katholischen Polen nicht bekannt (Einführung neuer Titel in der Musik- und Buchbranche nennt man promocja. Die Rolle des Paten sowie Begießen mit Sekt werden nicht praktiziert). Im deutschen Sprachraum kann man auf eine CD-Taufe in der Schweiz stoßen, wobei dort vor allem die Gospel- und Volksmusik in Frage kommen.
Die Beobachtung des Sprachusus sowie -systems (Wortbildung, Phrasematik) bestätigen, dass Taufe-Konzept zu den wichtigsten religiösen Keywords gehört und einem dynamischen semantischen Wandel unterliegt. Seine gesellschaftliche Relevanz kann man in Verbindung mit Pate (siehe das Stichwort in SuP) noch besser beobachten.