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"20 Jahre digitale Sprachgeographie"
Berlin 2.-3. November 2012
Tagungsbericht


Pünktlich um 9:00 Uhr eröffnen die Veranstalter Dieter Kattenbusch und Fabio Tosques die Tagung "20 Jahre digitale Sprachgeographie". Mit der Veranstaltung in Berlin, die vom 2. bis 3. November 2012 stattfindet, soll daran erinnert werden, dass in Kooperation mit Roland Bauer von der Universtität Salzburg vor 20 Jahren das Projekt VIVALDI (VIVivaio Acustico delle Lingue e dei Dialetti d'Italia - Akustischer Sprachatlas der Dialekte und Minderheitensprachen Italiens) initiiert wurde.

Die einführenden Worte in deutscher Sprache werden simultan in den Sprachen Italienisch, Französisch und Spanisch an die Wand geworfen.

Fabio Tosques - Eröffnung
Fabio Tosques achtet darauf, dass die Begrüßung in den Sprachen Französisch, Italienisch und Spanisch an die Wand geworfen werden, damit alle Teilnehmer die Begrüßung hören oder mitlesen können
Foto: DK

VIVALDI ist seit gut 20 Jahren als digitale Version erhältlich und seit 2000 auch online im Netz. Aus diesem Anlass wurde die Idee geboren, einen Ideen- und Erfahrungsaustausch mit Vertretern vergleichbarer Projekte in Form einer Tagung zu organisieren. Angeschrieben und eingeladen wurden Projektmitglieder von online verfügbaren Sprachatlanten mit der Bitte, einen Beitrag zu einem der folgenden Themen zu halten:

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Im ersten Beitrag referiert Giorgio Maria di Nunzio von der Universität Padua von den neuesten Ergebnissen rund um die zimbrischen Variationen, welche die Gruppe um Stefan Rabanus in den letzten Jahren gewonnen hat. "Cimbrian as a test case for synchronic and diachronic language variation" lautet der Titel des Beitrags, der besonders auf die computerlinguistischen Verfahren und die Implementation solcher unter besonderer Berücksichtigung syntaktischer Phänomene in den wenig untersuchten zimbrischen Varianten eingeht.

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Alois Dicklberger
Alois Dicklberger zeigt erste Eindrücke und Karten der Projekte ONDa und OnGIS
Foto: DK

Das Projekt "ONDa, eine GIS-Anwendung zur onomastischen Kartographie" ist seit Mitte diesen Jahre abgeschlossen und dabei, die höchst aufschlussreichen Forschungsergebnisse auf gedruckten Karten zu publizieren. Alois Dicklberger, Projektleiter und Mitarbeiter der Universität Passau, berichtet von Problemen und Lösungen, Ergebnissen und möglichen Vorhaben. Deutlich wird, wie wichtig der freie Zugang zu GIS-Daten(banken) für die Sprachgeographie im Allgemeinen und die Onomastik im Besonderen heutzutage ist und welche Potentiale in der Verknüpfung von topographischen und geologischen Karten mit linguistischem Datenmaterial stecken und wie diese visualisiert werden können.

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Romanisten, die sich mit Prosodie beschäftigen, wird das Projekt AMPER keine Unbekannte sein. Seit Anfang der 1990er Jahre wird von Contini und Mitarbeitern an standardisierten Lösungen geforscht, die der Visualisierung und auditiven Perzeption von prosodischen Phänomenen wie Intonation, Akzent, Quantität und Sprechpausen dienen. Leider konnte niemand vom Projekt nach Berlin reisen. Da andere bei der Tagung vorgestellte Projekte auf AMPER basieren (Bibiri, Roseano, Fernández-Planas) möchten wir Antonio Romano (seit kurzem in Turin, davor bei Contini in Grenoble) danken, dass er sich bereit erklärte das Projekt per Videokonferenz vorzustellen.

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Gotzon Aurrekoetxea von der Universidad Del País Vasco-Euskal Herriko Unibertsitatea stellt verschiedene Korpora vor, mit denen das Baskische mit neuesten Verfahren analysiert wird
Foto: DK

Gotzon Aurrekoetxea von der Universidad Del País Vasco-Euskal Herriko Unibertsitatea berichtet von den großen Fortschritten, die mit Hilfe der Informatik im Bereich der Korpuslinguistik in den letzten Jahrzehnten stattgefunden haben. Besonders durch den Zusammenschluss verschiedener Forscher der Université du Pays Basque und anderer Universitäten in der EUDIA-Gruppe konnten so neue Erkenntnisse bezüglich der Analyse und Behandlung von Sprachdaten gewonnen werden. Vorgestellt wurden zwei im Web verfügbare Korpora: CORPUSLEM und TEI und Programme für die Kartenerzeugung und Dialektometrisierung von Sprachdaten.

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Bernhard Schauer
Bernhard Schauer, Softwareentwickler im ALD-Team
Foto: DK

Softwareentwicklung auf höchstem Niveau präsentiert das ALD-II Team rund um Hans Goebl. Ein Kartenredaktionssystem für die Eingabe, Korrektur und Ausgabe der Karten für den ALD-II. Dann ein Programm zum Abhören und Taggen der Audioaufzeichnungen des ALD-I und ALD-II. Schließlich das Index Retrieval System (IRS2), mit dem Datenbankabfragen generiert und durchgeführt werden können. Für sämtliche Module existieren seit kurzem auch webbasierte Anwendungen, die allen zur Verfügung stehen.

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200
ALD-II Team (v. l.): B. Schauer, H. Beer, A. Staudinger und H. Goebl
Foto: DK

Von den praktischen Tätigkeiten in der ALD-Werkstatt berichten Heidemarie Beer und Agnes Staudinger. Dabei wird einmal mehr deutlich, wie wichtig die permanente Kommunikation zwischen Anwender und Entwickler ist. Usability ist keine Floskel sondern praktizierte Realität, statistische Auswertungen der Arbeitsweise verdeutlichen die ständigen Verbesserungen, welche den Arbeitsablauf optimieren und das Projekt ALD-II so zu einem guten Abschluss gebracht haben.

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Von ganz neuen Möglichkeiten zur Präsentation von online basierten Sprachatlanten mittels neuesten Techniken berichtet Paul Heggarty vom MPI in Leipzig. Heggarty selbst ist für den linguistischen Part zuständig, Jakob Runge für die Umsetzung und Implementation der Software.

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Roland Bauer, Autor der Monographie Dialektometrische Einsichten berichtet von den ersten Ergebnissen der dialektometrisierten Daten des ALD-II
Foto: DK

Bei sechs Teilnehmern der Universität Salzburg darf natürlich ein Beitrag zur Dialektometrie nicht fehlen. Roland Bauer berichtet von den taufrischen Ergebnissen der Dialektometrisierung des ALD-II, der sich gerade im Druck befindet. Bauer, ausgewiesener Spezialist der goeblschen dialektometrischen Verfahren, setzt hier auf Kontinuität, da er über viele Jahre mit seinem Team die Daten des ALD-I für die Dialektometrie aufbereitet hat und die Ergebnisse in zahlreichen Publikationen veröffentlicht hat. Und da der ALD-II eine noch größere Datenbasis als der ALD-I bietet, dürfen wir in den kommenden Jahren auf zahlreiche Publikationen gespannt sein.

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Robert Möller (Univerität Liège)
Foto: DK

Sehr erfrischend und unterhaltsam waren die Karten von Elspaß und Möller zur deutschen Alltagssprache. Die Karten sind inzwischen so populär, dass es drei an der Zahl sogar in das "Zeit Magazin" geschafft haben ("Versteck spielen", "Fussball spielen", "Wenn Kinder nicht aufessen"). Originell ist auch die indirekte Erhebungsmethode per zufälliger E-Mail-Befragung, an der inzwischen gut 10.000 Interessierte teilnehmen.

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Stephan Lücke
Stephan Lücke sorgt seit Jahren für die technische Umsetzung im Team um Thomas Krefeld
Foto: DK

Das Zusammnführen verschiedener Atlanten in einem digitalen Sprachatlas: diese Mammutaufgabe hat sich die Gruppe um Thomas Krefeld zum Ziel gesetzt und soll in einem sprechenden Sprachatlas, dem "Atlante linguistico digitale dell'Italia e della Svizzera meridionale" (AdIS) als Multimediaprojekt realisiert werden. Auf langjährige Erfahrungen kann das Team seit dem "Atlante sintattico della Calabria" (AsiCa) zurückblicken. Damit nicht genug, präsentieren Krefeld und Lücke noch den "Audio-Atlas siebenbürgisch-sächsicher Dialekte" (ASD) und das Projekt "Metropolitalia", eine Kooperation von Romanisten und Informatikern der LMU.

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Anca Bibiri
Anca Bibiri, Social Human Interdisciplinary Research Department 'Alexandru Ioan Cuza' University of Iassy
Foto: DK

Basierend auf dem von Contini initiierten Projekt AMPER (Atlas Multimédia Prosodique de l'Espace Roman) wurde von verschiedenen Forschern der Universität Iaşi in Rumänien das Projekt AMPRom (Atlas multimedia prozodic român) generiert. Von den Fortschritten und den neu erstellten Webseiten berichtet Anca-Diana Bibiri stellvertretend für die Gruppe um Adrian Turculeţ und Oana Panaite.

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Federica Diémoz und Andres Kristol von der Université de Neuchâtel in der Schweiz präsentieren, welche Schätze im Projekt L’Atlas linguistique audiovisuel et les défis du polymorphisme (ALAVAL) tatsächlich verborgen sind. Da online bisher nur sehr wenig zu sehen ist, waren doch alle gespannt, was Diémoz und Kristol zeigen werden. Und das Publikum wurde nicht enttäuscht. Gut 80 Karten mit Video- und Audiomaterial sind tatsächlich verfügbar. Wegen der enormen Größe von über 25 GB - wofür insbesondere die Videodateien verantwortlich sind - ist aktuell nur eine Modellkarte online. Für die Zukunft geplant ist eine gedruckte Version des Atlasses mit der Beigabe eines USB-Sticks, auf dem dann sämtliche Ton- und Videomaterialen vorhanden sind.

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Ein weiteres auf AMPER basierendes Projekt sind die Untersuchungen von Paolo Roseano zur Prosodie des Katalanischen in Alghero (Sardinien) im Vergleich zum Standardkatalanischen. Unter dem Titel "Razones históricas en la mezcla prosódica del Catalán de l’Alguer" werden die für Kenner des Katalanischen durchaus überraschenden Ergebnisse vorgestellt.

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Ana Maria Fernández Planas, Universitat de Barcelona
Foto: DK

Ebenfalls von prosodischen Phänomenen im Katalanischen, hier vom gesprochenen Katalanisch auf den Balearen, berichtet Ana-Maria Fernández Planas, Mitarbeiterin im Phonetiklabor an der Universitat de Barcelona. Grundlage bilden auch hier Anpassungen am Atlas Multimédia Prosodique de l'Espace Roman (AMPER), die im sogenannten AMPER-CAT resultieren. Nachgegangen wird der Fragestellung, inwieweit sich die Prosodie auf den balearischen Inseln, d.h. in Palma, Maó i Sant Josep, also auf Mallorca, Menorca und Ibiza von jener des Festlandkatalanischen in Barcelona, Girona, Lleida, Tortosa, València, Castelló, Novelda (und L'Alguer, Sardinien) unterscheiden. Dazu wurden an 28 Ortspunkten insgesmt 46 Sprecher interviewt, so dass sich ein Gesamtkorpus von 3213 Sätzen für die weitere Auswertung - auch dialektometrisch - ergibt.

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Dieter Kattenbusch und Fabio Tosques bedanken sich bei allen Teilnehmern und Gästen der Tagung für ihre Teilnahme und die interessanten und informativen Beiträge. Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Beiträge bis Ende des Jahres eingehen sollten, damit diese schnell online publiziert werden können. Ob es eine gedruckte Version des Tagungsbandes geben wird, wird sich erst noch zeigen.

Schließlich stellt Fabio Tosques noch kurz die aktuelle VIVALDI-DVD vor, die alle Teilnehmer und Interessierte erhalten haben. Auf dieser ist nicht nur alles Rund um VIVALDI vorhanden, wie es viele von den Webseiten her kennen, sondern auch die komplette Festschrift "(Das) diskrete Tatenbuch" zum 60. Geburtstag von Professor Kattenbusch und sämtliche Unterlagen zur Tagung "20 Jahre digitale Sprachgeographie".

Sehr erfreut hat uns die Absicht, die Tagung im nächsten Jahr an einem anderen Ort - im Gespräch sind Leipzig, München oder Salzburg - stattfinden zu lassen. In diesem Sinne möchten wir nochmals allen unseren Dank aussprechen und freuen uns auf eine Fortsetzung in Leipzig, München oder Salzburg.

Text: Fabio Tosques / Fotos: Dieter Kattenbusch


Abschließend noch ein paar Eindrücke von der Tagung