Autor/enVogt, Walther
TitelÜber Ordnungen, insbesondere bei Kindern
Orto.O.
Datum1932.04.02
ZusatzSonderdruck aus Nr. 7 der Beilage "Erziehung und Bildung" der Preußischen Lehrer-Zeitung vom 02.04.1932
AnmerkungenÄsthetisches und architektonisches Ordnungsprinzip bei Spinoza, Erkennen des Ordnungsprinzips, konservative Ordnungen im Lehrplanwesen, Erziehung des Kindes zur Entwicklung eines wertfreien Ordnungssinnes ..................................................... "Ordnen gehört also zum Erkennen, Erkennen zum Ordnen, man könnte kaum sagen, daß eines vor dem anderen sei. Und nach meiner Beobachtung hat an solchem erkennendem Ordnen jedes Kind eine ursprüngliche und sehr kräftige Lust. Und wer sich diese Lust über sein Entwicklungsalter hinaus bewahrt hat und nicht verhindert wird, sich ihr hinzugeben, der wird dann der reine und sachliche Forscher." ..................................................... "Wer sich von uns Großen aber die Mühe macht, genauer hinzusehen, der entdeckt in diesem erkennenden Ordnen und Systembilden des Jungen doch sehr bald sehr lebendige, wirksame und schätzenswerte Kräfte." ..................................................... "Ich glaube zu sehen, daß ein Kind seine Beobachtungen niemals einfach hinnimmt, sondern immer ordnet und für seine Ordnungen ein in der Sache liegendes Prinzip sucht." ..................................................... [Verhältnis der Generationen] "Ich wies schon auf die Unverdrossenheit hin, mit der alte als verkehrt eingesehene Ordnungen durch bessere ersetzt werden, weil der Drang nach Erkenntnis selbstverständlich die richtige Ordnung sucht und an alter Ordnung nicht hängt. Je älter nun aber einer wird, desto mehr hängt er an der einmal erworbenen Ordnung, es wird ihm schwer, sie aufzugeben, ... Bisher hat noch jeder, der alter Ordnungen in der wissenschaftlichen, religiösen, wirtschaftlichen Welt umordnen wollte, sich den Unmut der an die alte Ordnung gewöhnten Mitmenschen zugezogen, und unter diesem Unmut hat er dann oft erheblich zu leiden gehabt. Und wenn es einer trotz alledem weiter auf sich nahm, hat er im allgemeinen immer noch bei der Jugend mehr Verständnis gefunden als beim Alter; die Jugend hängt noch nicht so fest an den alten Ordnungen." ..................................................... "Der Lehrstoff, das sind die alten Ordnungen, von denen die Älteren nicht lassen wollen, weil sie ihnen lieb und gewohnt geworden sind." ..................................................... [Recht des Kindes auf seine Ordnung] "Insofern kommen also auch dem Kinde die Ordnungen der Erwachsenen zugute, und schon insofern haben diese Ordnungen meist das größere Recht. Andererseits soll ja das Kind auch an die äußeren Ordnungen der Größeren gewöhnt werden, es lernt sonst nicht, sich den Sitten der Großen einordnen, und es soll doch da hineinwachsen. ... Aber am besten ist es jedenfalls, wenn auch die Ordnung der Kleinen zu ihrem Recht kommen." ..................................................... "Und da die Kinder heute auf Schritt und Tritt in die Ordnungen der Erwachsenen hineingeraten, wird nun auch munter auf Schritt und Tritt zur Ordnung erzogen, in der Schule, auf der Straße, in der engen Wohnung, in Wald und Feld, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen und womöglich noch zu Nachtzeit." ..................................................... "Kurz und gut: ich meine: wenn die Kinder immer nur zu diesen kinderfremden Erwachsenenordnungen angehalten werden, ist das Ergebnis jenes störrische, unlustige, ungezogene, hinterhältige und verlogene Kind, das wir heute leider gar nicht mehr selten antreffen, und oft gebraucht es diese häßlichen Eigenschaften nur, um seinem eigenen kindlichen Ordnungssinne zum Recht zu verhelfen, und ist ganz verträglich und brauchbar, wenn ihm dieses Recht hinreichend zuteil wird." ..................................................... "Wenn wir also die Kinder wieder zu dem Recht kommen lassen wollen, das sie für eine gesunde Entwicklung unbedingt nötig haben, so wird nichts übrig bleiben, als zunächst diese kindlichen Ordnungen einmal wirklich vorurteilsfrei und unbelastet von jedem Moralismus sorgfältig zu studieren. Eine solche wirklich wertfreie Beobachtung ist gerade bei Kindern immer noch nicht üblich, und sie ist ja auch unmöglich, solange man nicht grundsätzlich dem Kinde dasselbe menschliche Recht zugesteht wie dem Erwachsenen."
ArchivDIPF-BBF/II/B/H/II/1
SignaturDIPF-BBF/II/B/H/II/1.1.17.21 [1]
SchlagworteGenerationen
Kind
Lehrplan
Ordnungsprinzip
Abteilungen2