Autor/enSträter, Klara
TitelNotizen über Berthold Otto
Orto.O.
Datumo.J.
Anmerkungen"Ich komme jedesmal in Verlegenheit, wenn mich jemand fragt: Ist dies oder das schlecht?" (S.1) ..................................................... [Strafgesetzbuch; Volksmeinung] "Das Strafgesetzbuch ist auch da nur festgewordene Volksmeinung. Und fest werden kann immer nur ein Stückchen Volksmeinung. Das Ganze ist in beständiger Bewegung, im Fluß. Und wenn wir dann über die Fälle des Strafgesetzbuches hinaus die einzelnen Handlungen nicht mit unseren eigenen Augen der andern beurteilenden Menschen betrachten, dann finden wir, daß die Volksmeinung, die flüssige, lebendige Volksmeinung mitt den mildernden Umständen noch sehr viel stärker rechtnet als das Strafgesetzbuch." (S.1) ..................................................... [Gott] "Mann müßte hierbei gut und schlecht immer auf den Ursprung aller Dinge, auf das Weltganze, auf Gott zurückführen. Und da hat es mich schon in meiner Knabenzeit ganz außerordentlich gequält, ja gepeinigt, daß es in der Schöpfung des allgütigen Gottes etwas Schlechtes geben sollte." (S.2) ..................................................... [Interesse] "Hieraus ergibt sich also der allgemeine Satz, daß das Urteil in sehr vielen Fällen so abgegeben wird, daß die Begriffe gut und nützlich, schlecht und schädlich unmittelbar zusammen fallen, aber nun nicht in dem Sinne, daß das nützlich und schädlich auf eine Einzelperson zu beziehen wäre, sondern so, daß einer ganzen Bevölkerungsklasse bestimmte Bestätigungen im allgemeinen nützlich und schädlich sind und diese daher von dieser ganzen Bevölkerungsklasse für gut oder für schlecht gehalten werden." (S.4) ..................................................... [Relativität moralischer Begriffe] "Innerhalb eines Gesamtorganismus wird jede Handlung je nach dem Nutzen oder Schaden, den sie für den Gesamtorganismus hat, als gut oder schlecht bezeichnet. Es ist das nur eine Verallgemeinerung dessen, was wir eben auf kleinerm Gebiete beobachtet haben. Gewiß sind dann gut und schlecht überhaupt nur relative Begriffe geworden." (S.5) ..................................................... [Gewissen; Öffentliche Meinung] "Ich meine, wir haben immer zuerst daran zu denken, welchem großen Organismus wir uns als Teil einzufügen haben. Wir haben uns innerhalb dieses großen Organismus als Teil einzufügen, auch da, wo es uns schwer fällt und wo uns dadurch Beschränkungen und Qualen auferlegt werden. Aber andererseits meine ich auch wieder, daß man auch im sittlichen Handeln der communis opinio nicht ohne weiteres folgen und trauen darf. Gewiß, die communis opinio urteilt in den meisten gewöhnlichen Fällen richtig, aber es gibt eben Fälle, die aus dem gewöhnlichen hinaus gehn. Und dann, meine ich, muß der Einzelne sich mit sich selbst und mit seinem eigenen Gewissen und mit seinem Gott, ganz besonders aber mit seiner eigenen Auffassung von dem Gesamtorganismus abfinden, dem er angehört. Wer selber nicht ermessen kann, wie weit sein Handeln im einzelnen Fall auf den Gesamtorganismus zurückwirkt, der mag sich der communis opinio unterwerfen. Er muß es schließlich tun, wenn er ein ruhiges Gewissen behalten will. Aber es gibt Fälle, wo er zu durchschauen vermeint, daß das, was ihm, wie er wohl weiß, von der communis opinio, als schlecht, als sittlich minderwertig ausgelegt wird, doch im letzten Ende dem Volksorganismus nützlicher ist als die Handlungsweise, die die communis opinio ihm vorschreibt." (S.6)
ArchivDIPF-BBF/II/B/H/II/1
SignaturDIPF-BBF/II/B/H/II/1.1.17.32 [25]
SchlagworteGewissen
Interesse
Moralische Konflikte
Öffentliche Meinung
Volk
Volksmeinung
Abteilungen2