Autor/enPaulsen, Wilhelm
TitelDie Überwindung der Schule. Begründung und Darstellung der Gemeinschaftsschule. S. 1-130
OrtLeipzig
Datum1926
Anmerkungen"I. Einleitung:" ..................................................... [I.4.2.] "II. Geschichte und theoretische Begründung der Gemeinschaftsschule:" ..................................................... "1. Vom Neuhumanismus hinüber zum Jahrhundert des Kindes:" ..................................................... "2. Arbeitsschule und Gemeinschaftsschule:" ..................................................... "3. Soziale und individualistische Schule:" ..................................................... "4. Natorps Sozialpädagogik, Berthold Otto`s volksorganisches Denken:" ..................................................... "5. Gemeinschaftsschule und sozialistischer Bildungsgedanke:" ..................................................... "6. Vom dreifachen Auftrag der Gemeinschaftsschule:" ..................................................... "7. Neue Psychologie und neue Pädagogik:" ..................................................... "8. Das individualpsychologische und pädagogische Problem im besonderen:" ..................................................... "9. Weltliche Schule und Gemeinschaftsschule:" ..................................................... "10. Die politische Erziehung der Jugend:" ..................................................... "III. Darstellung und Organisation der Gemeinschaftsschule:" ..................................................... "1. Programm und Aufbau der Gemeinschaftsschule:" ..................................................... "2. Ministerielle Richtlinien und Grundsätze der Gemeinschaftsschulen in Berlin:" ..................................................... "3. Neue Lehrer:" ..................................................... "VI. Freie Jugend:" ..................................................... "Anhang: 1. Grundsatzentwurf für den Lehrplan der Grundschule:" ..................................................... "2. Deutsches und russisches Bildungswesen:" ..................................................... "Der Werk- und Arbeitsunterricht verkannte nicht allein den sozialen Arbeitsbegriff, sondern er unterließ es auch, der Arbeit einen neuen Inhalt zu geben." [vgl. Buber] (S.2) ..................................................... "Die Weltlichkeit des Unterrichts wurde zu flach begriffen. Alles drängt heute nach Verinnerlichung. Der Mensch entflieht der begrifflichen Schalheit. Irreales; Irrationales und Mächte des unterschwelligen Bewußtseins (nicht metaphysische) beleben und bewegen unser Denken, redigieren unser Wissen." (S.3) ..................................................... "Die Totalität des Menschen muß zurückgenommen werden." (S.3) ..................................................... "Die organisatorische Einheitlichkeit des Unterrichts genügt nicht. Einheit muß der Schule von innen entstehen, Klassen- und Standesunterschiede sind der sozialen Ordnung künftiger Gemeinschaftsschulen fremd. Ihre Arbeits- und Lebensgemeinschaften können nicht ständig zerfallen, sie müssen, wollen sie ihr Wesen behaupten, eine Einheit sein. Leben ist immer organisch, es läßt sich nicht zerreißen. Die Wirtschafts- und Schicksalsverbundenheit der Glieder der neuen Schule weckt den Geist der Solidarität: Eine Weltanschauung - nicht die der Partei -, die gleiche Grundeinstellung gegenüber dem Leben nimmt alle gefangen." (S.3/4) ..................................................... "Die Arbeitsschule verharrt beim individuellen Arbeitsbegriff. Jede Arbeit aber, mag sie der Initiative der Zöglinge unterliegen oder nicht, muß sozial und gesellschaftlich wertvoll sein." (S.16) ..................................................... "Gemeinschaftsbildung ist Persönlichkeitsbildung. Um diesen Gedanken kreist das gesamte Erziehungsproblem. Die Aufgabe der neuen Schulen ist, um ihre Formulierung vorwegzunehmen, 'nicht Bildung zu vermitteln, sondern Lebensveranlassungen und Wachstumsmöglichkeiten zu schaffen. Je mehr die Schule zur natürlichen Umwelt des Kindes wird, in der es Mittel und Antrieb zur Befriedigung seiner seelischen und körperlichen Bedürfnisse findet, desto mehr wird sie auf eine stunden- und lehrplanmäßige Unterweisung verzichten können: Belebendes Spiel und schaffende Arbeit sind die Grundlagen jeglicher Betätigung und Beschäftigung des Kindes. Die Klasse werde zur Arbeits- und Lebensgemeinschaft.`" (S.17/18) ..................................................... "Der Prozeß der Arbeit soll das Erlebnis des Schülers sein, weniger das Arbeitsergebnis an sich. Das Ziel aller kindlichen Arbeit ist Kräfteentbindung, niemals fachgerechte Arbeit oder finanzieller Nutzen." (S.18) ..................................................... "Die Arbeitsschule bedeutete einen wohltuenden Methodenwechsel, aber sie leitete keinen Gesinnungswechsel ein. Die Schule verblieb in ihrer geistigen Isolierung, sie wurde kein Stück gesellschaftlichen Bewußtseins, soziale Grundkräfte bewegten sie nicht. Sie machte den Schüler nicht zum verantwortlichen Träger des Lebens einer Gemeinschaft, ließ ihn die Abhängigkeit von einer Gemeinschaft nicht empfinden, ließ die Sehnsucht nach einer Gemeinschaft in ihm nicht erwachsen, ließ ihn das Triumphgefühl nicht kosten, daß die Gemeinschaft ihn suchte, daß sie seiner bedurfte, daß er ihren Geist erfüllte und belebte." (S.18/19) ..................................................... "Der Kampf um die Gemeinschaftsschulen muß das Kernstück unserer Schul- und Bildungspolitik werden." (S.21) ..................................................... "Unsere Schule ist eine Unterrichtsanstalt, aber keine Lebensstätte der Jugend. Sie hat das Vermögen verloren, sich in die hohen menschlichen Interessen einzufühlen: Sie läßt sich beherrschen von der Technik des Wissens, der Geist eines hohen Kultur- und Bildungsideals ist nicht lebendig in ihr. Das humanistische Ziel aller Bildung hat sie vergessen, und darüber ihre soziale Funktion. Ein Grund- und Wesenszug der heutigen Schule muß unerbittlich herausgestellt werden: Nach ihrer Organisation, ihrer ganzen Arbeitsart ist sie eine Rennbahn des persönlichen Erfolges." (S.23) ..................................................... "Es ist kein Zweifel, nach ihrer inneren Struktur ist die Schule das typische Abbild der individualistischen, zerrissenen Gesellschaft, sie gibt der heranwachsenden Jugend die ideologische Einstellung für den Kampf um die Aufrechterhaltung einer unsozialen, inhumanen gesellschaftlichen Ordnung, ihrer Klassen und Kasten, ihrer Stände und Berufe. Ihre Grundeinstellung ist individualistisch, egoistisch, ihre seelische Verfassung für das entstehende Geschlecht verderblich, weil sie hinwegführt von der großen Idee einer weisen Ordnung menschlicher Gesellschaft." (S.24) ..................................................... "Wenn der Wahn zerstört sein wird, daß es der Einzelwille ist, der Form und Inhalt unseres gesellschaftlichen Seins gebiert, es ändert oder vernichtet, erst dann wird der alte Autoritätsglaube zerbrochen und durch den neuen abgelöst sein, daß nicht im Herrschen und Regieren, sondern im Dienst am Ganzen, in der Bereicherung und Vertiefung des allgemeinen Lebens Aufgabe und Vollendung des besonderen Lebens beschlossen liegt, erst dann wird die menschliche Gesellschaft ihre nächste Entwicklungsstufe erreicht haben." (S.25) ..................................................... "Die Institutionen müssen geändert werden, wenn die Menschen sich wandeln und für die aufsteigende Zeit reif und empfänglich gemacht werden sollen." (S.26) ..................................................... "Die Schule muß darum Raum geben für persönlichste, gestaltende Arbeit." (S.27) ..................................................... "Das Gefühl aller Lebensverbundenheit weckt neues Weltbewußtsein, Gattungsbewußtsein, Gesellschaftsbewußtsein, das unser Handeln bestimmt." (S.28) ..................................................... "In der neuen Schule legt der Lehrer sein Beamtentum ab, er wird zum Freund und Mitarbeiter der Jugend." (S.28) ..................................................... "Die Erziehungsreform muß nach ihrer Bedeutung, Wirkung und Begründung weit über den Kreis pädagogischer Sachverständiger hinausgehoben werden. Sie ist keine Schulfrage, keine Standesfrage, nicht Gegenstand eines pädagogischen Experiments, sondern eine Lebens- und Kardinalfrage unserer menschlichen Gesellschaft überhaupt." (S.30) ..................................................... "Die Ottosche Sozialpädagogik ist das praktische Seitenstück zur Theorie Natorps." (S.48) ..................................................... "Otto und Natorp müssen als die Vorläufer der Schulbewegung angesprochen werden." (S.48) ..................................................... "Und doch gehen die stärksten inneren Wirkungen von der geistigen Kraft des Klassenkampfes aus. Er ist in seinem Rhythmus `Enthusiasmus für die Gemeinschaft`, in seinem Ziel Unterwerfung der Einzelvernunft unter die Gattungsvernunft, in seiner praktischen Gegenwartsaufgabe Aufruf des Einzelnen zum Dienst an der Gesamtheit (der Menschheit, deren Akzidens das Einzelwesen ist). Wer sich nicht einsetzt für die Gesamtheit, kann nicht Klassenkämpfer sein." (S.49) ..................................................... "Daraus ergibt sich wieder unmittelbar die Aufgabe der Erziehung: das Einzelwesen zur Teilnahme an dem Geisteswerk der Gesamtheit bereit zu machen, es fähig zu machen, dies nicht nur aufzunehmen, sondern es fortzusetzen und zu vollenden, oder anders gesagt: Kämpfer und Arbeiter für eine höhere Lebensordnung heranzubilden, in der Jugend die geistigen und körperlichen Kräfte, die zum Aufbau einer neuen Gemeinschaft notwendig sind, freizumachen und schöpferisch zu entfesseln." (S.53) ..................................................... "War die erste Renaissance in den Gelehrtenstuben des Mittelalters als hochmütige Buchweisheit zugrunde gegangen, hatte die zweite im 18. Jahrhundert Akademie und höhere Schule mit neuem Geist erfüllt, der leider durch den Versuch der Allgemeinbildung auf der doppelten Grundlage humanistischer und realer Wissenschaft im 19. Jahrhundert wieder unterdrückt wurde, so erfaßte die dritte Renaissancebewegung, als die der Volksschule, das Schul- und Bildungswesen von unten her, um es von Grund auf neu zu gestalten." (S.54/55) ..................................................... "... die alten autoritativen, die Schule beherrschenden Mächte, Bürokratie, Kirche, Partei, Wirtschaft, haben das Schlagwetter der Revolution triumphierend überstanden." (S.56) ..................................................... "Lebenswirklichkeit, Lebensechtheit, Lebensbewußtheit, Lebenseinsicht müssen der Schule erstehen. Erst dann wird sie den Zögling ernstlich freigeben, ihn freigeben müssen von quälender Tradition: Erst dann wird sie ihn von dem Zwang ihrer Kenntnis- und Stoffregister befreien (nicht von Stoffbearbeitung und Stofferarbeitung), wird sie ihn retten von dem unerträglichen Druck willkürlich gesetzter, fremder Zwecke. Erst dann wird die Schule den jugendlichen Menschen mündig machen, das heißt, seine Seele lassen, den vollen Menschen in ihm aufrufen." (S.57) ..................................................... [I.6.2.] "Die Welt der Jugend und die der Erwachsenen sind gleiche Ebenen, deren Divergenz für beide notwendig und lebenszerstörend wirken muß. Je natürlicher und unmerkbarer ihre Grenzen ineinander übergehen, desto organischer verläuft die gesellschaftliche Entwicklung." (S.58) ..................................................... "Der Schüler muß darum in Rechte und Pflichten einer Gemeinscahft eingeordnet werden, Gemeinschaftsdenken muß ihn beherrschen. Das soziale Empfinden, das die Glieder des Volkes versöhnt, das Bewußtsein unentrinnbarer Abhängigkeit, das die Völker zur Verständigung zwingt, muß im Schüler in der täglichen, gewohnheitsmäßigen Erfüllung einfachster, realer Pflichten gegenüber der Gemeinde seiner Schule erwachsen." (S.60) ..................................................... "... Die Schule ist ein sozialer Komplex. Wir fordern, daß sie ihre soziale Mission begreife, und daß man ihr die Mittel leihe, ihre soziale Funktion auszuüben." (S.61) ..................................................... "Der mündige, schaffend schöpferische, sozial empfindende Mensch ist das Ziel der neuen Schule." (S.62) ..................................................... "Diese Erbmasse gibt die Struktur, das Grundbild des Menschen, das Erworbene die Modalität, die Nuance, die Eigenschaften, die sich zum Artenmerkmal verdichten." (S.65) ..................................................... [III.3] "Die Schule ignoriert im Kinde die Entwicklungsmöglichkeiten, die ihm nach phylogenetischen und ontogenetischen Voraussetzungen gegeben sind, wenn sie das Kind in die Tradition und Konvention, in die Welt des Scheins und voreiliger Begriffe hineinpreßt, ihm damit die natürlichen Wachstumsbedingungen entziehend." (S.67) ..................................................... "Ohne den sozialen Menschen, der die gesellschaftlichen Kräfte gestaltet, gibt es keine persönliche Kultur; ohne den sozialen, selbständig schöpferischen Menschen gibt es keine Kultur einer Gemeinschaft, in der sich das Volk realisiert; ohne den sozialen Menschen gibt es keinen Völkerfrieden, keine Gegenwart großer Menschheitsgedanken; ohne den sozialen Menschen bleibt Gewalt als zerstörendes Prinzip, gelten nicht Weisheit, Plan und Vernunft. Das soziale Bewußtsein muß tief im Unterbewußtsein verankert sein, muß intuitive Macht werden, darf nicht intellektuelle Bekenntnis bleiben, wenn es in wirtschaftlichen Kreisen nicht jäh verloren gehen soll." (S.73/74) ..................................................... "Das große Spiel der menschlichen Gesellschaft mit seinen Konkurrenz- und Rivalitätskämpfen; das unerbittliche Ringen der Individuen untereinander, in dem jeder Schwache unterliegt; das Leben mit seinem Neid; Ehrgeiz und Streben, mit seiner Eitelkeit und Pose, seiner Lüge und Konvention, seinem Schein und seiner Unwahrhaftigkeit, muß die Menschen von der geradlinigen Entwicklung und dem natürlichen Wachstum abdrängen, muß sie zwingen, sich Masken vorzubinden und sich zu verstellen. Ihre Seelen werden reizbar und wund und können nicht eher zum Gleichgewicht zurückkehren, zur Ruhe und Heilung kommen, bis die menschliche Gesellschaft von Grund auf neu und vernünftig geworden ist." (S.79) ..................................................... "Weil das Leben der Gesellschaft jeder tieferen sinnvollen Gebundenheit entbehrt, weil Wirtschaft und Kultur, bar des organischen Zusammenhangs, der Anarchie verfallen, so muß auch die Schule dieser Gesellschaft das planlose und unvernünftige Wettrennen und Wettrüsten der Geister und der Hände notwendigerweise wiederspiegeln." (S.81) ..................................................... "In den Ideen der Kunst, Religion, Philosophie und Wissenschaft werden Lebensinhalte antizipiert, der individuelle Geist gestaltet die Welt frei über Zeit und Grenzen hinaus. Diese Ideen an der unvollkommenen Wirklichkeit entzündet, erregen die Menschheit, werden vergessen, kommen wieder, bilden Tendenzen; Richtungen, Parteien, erobern schließlich die Welt, wenn die Realität sie erreicht, d.h. wenn die Wirklichkeit nach vollendeter geistiger Durchdringung zur Formreife gelangt." (S.91) ..................................................... "Die wahrhaftige Schule kann nicht anders als weltlich und die weltliche Schule kann keine andere als die der Gemeinschaft sein." (S.96) ..................................................... "Erst wenn Politik Gegenstand und Bestandteil jugendlicher Arbeit und Erfahrung wird, können wir uns Wirkungen einer politischen Erziehung bei der Jugend versprechen." (S.98) ..................................................... "Die Schulgemeinde gibt sich Gesetze, stellt sich Aufgaben und bestimmt die Wege ihrer Lösung; sie ordnet das Verhältnis ihrer Glieder zur Gemeinde, schafft Einrichtungen für die Wirtschaft, entscheidet über ihren Haushalt und regelt den Arbeitsgang, d.h. also im begrenzten Sinn ihre Produktion und Konsumtion; sie befindet, soweit sie zuständig ist über alle äußeren und inneren Angelegenheiten ihrer Bildungsinstitutionen, beschließt über die Fragen ihrer eigenen Gerichtsbarkeit, plant und organisiert Feste, vollzieht alle notwendigen Wahlen, kein lebenswichtiges Gebiet entzieht sich ihrer Verantwortung." (S.98/99) ..................................................... "Die Schule muß darum Menschen mit politischem Sinn und politischen Energien vorbilden. Sie muß Menschen entlassen, die sich die Einheit im Denken und Handeln bewahrten, die die Gemeinschaft als Organ und als Organismus empfinden und Verantwortungsgefühl genug besitzen, nicht roh und eigensüchtig in innere Vorgänge einzugreifen; Menschen, die Kraft und Können genug besitzen, das Sachbedürfnis zu befriedigen, Personen und Dinge voneinander zu trennen; die Intelligenz und Erfahrung genug besitzen, ein Gemeinwesen zu überblicken und die Mittel zu erkennen, Vorteile zu nutzen, Entwicklungen zu fördern, Neues zu schaffen; Menschen, bei denen sich als persönliche Erfahrung die Grundüberzeugung ausgebildet hat, daß das Interesse der Gesamtheit das Interesse des Einzelnen ist und daß die höchstmögliche Entfaltung individueller Eigenschaften die Vermehrung der Gesamtkraft und damit die Erhöhung der gesellschaftlichen Leistung und Wohlfahrt bedeutet. Der Gemeinschaftsmensch ist ein politischer Mensch." (S.101) ..................................................... "Gewiß ist Bildung das körperlich- geistige Gebilde, das wir als `Ich` in den Raum stellen, zunächst etwas Individuelles. Aber es wäre nicht entstanden, wenn es sich nicht aus einer Substanz hätte formen können. Dies Allgemeine, das das ist vor jedem Individuum und von dem dies selbst nur eine Prägung darstellt, ist die gesellschaftliche Bildungssubstanz, an der wir alle teilhaben." (S.103) ..................................................... "Diese relative Konstanz alles geistigen Geschehens, die den Begriff der Entwicklung nahezu aufhebt, ist um so schwerer für uns faßbar, als das Sein der Gesellschaft in jedem Individuum immer aufs neue wieder entsteht. Es muß, trotz aller Vererbungen von Dispositionen, Anlagen und Vermögen, nach seinem reellen und dynamischen Gehalt vom Einzelwesen durchaus neu gebildet werden. Der individuelle Wachstumsvorgang ist ein organischer Prozeß, wied er Wachsumsprozeß der Gesellschaft, wie Wachstum in der organischen Welt überhaupt. Diesen Einzelprozeß natürlich verlaufen zu lassen, ist das Problem der Erziehung." (S.105) ..................................................... "Die Schule ist nicht Unterrichts- und Erziehungsanstalt, sondern Lebensstätte der Jugend, eine Freistatt jugendlichen Schaffens und jugendlicher Lebensgestaltung. Darüberhinaus hat sie ihre soziale Funktion als Volksbildungsanstalt aufzunehmen. Die Schule ist eine aus innerer Notwendigkeit erwachsene einheitliche Kulturveranstaltung vom Kindergarten bis zur Hochschule, für die Jugend wie für die Erwachsenen." (S.109) ..................................................... "Die Klassenverbände werden in Lebens- und Arbeitsgemeinschaften umgewandelt." (S.110) ..................................................... "Die Wirtschaft der Schule ist selbständig, ihre Werkstätten werden zu einer Einheit zusammengefaßt." (S.110) ..................................................... "Sie produziert Gegenstände des täglichen Bedarfs und befriedigt je nach großstädtischen oder ländlichen Voraussetzungen tatsächliche Lebensbedürfnisse des Kindes, der Familie, der Schulgemeinde." (S.111) ..................................................... "Obwohl die Arbeit der Schule auf Gebrauchs- und Nutzwert eingestellt ist, um ihre starken Schaffensantriebe den realen Bedürfnissen her zu empfangen, so interessiert sie dennoch weniger das fertige Produkt, als der Entstehungsweg jedes einzelnen Produkts und das Beziehungsverhältnis des jugendlichen Arbeiters zu seinem Arbeitsprodukt." (S.111) ..................................................... "Wie der Lebenslauf der Gesellschaft die Basis ihres Seins, ihrer Wirtschaft und Kultur ist, so muß, nach Größe und Format verschieden, der Lebenskampf (nicht Brotkampf) Grundlage der jugendlichen Gesellschaft sein." (S.112) ..................................................... "Die Bildungseinrichtungen, besonders die der Oberstufe, sind darum vollständig. Laboratorien, Arbeits- und Studienräume gewähren dem gemeinsamen Studium wie dem Einzelstudium alle Möglichkeiten der Wahl, Ausbreitung und Vertiefung. Als Begabungsschule (nicht Begabtenschule) umfängt die neue Schule in ihrer reichen Quergliederung das gesamte geistige Leben der Jugend. Keine Begabung geht verloren, keine Anlage und Fähigkeit bleibt in den Arbeitsgemeinschaften unentdeckt." (S.113) ..................................................... "Es kennzeichnet die ungeheuere Armut der heutigen Schule, daß sie den intellektuellen, enzyklopädischen Typ bevorzugte und mit dem beweglichen, spirituellen und dem geruhigen materiellen Typ kaum etwas zu beginnen wußte." (S. 113/114) ..................................................... "Nach ihrem Wesen und ihrer Aufgabe sind die Bildungsveranstaltungen der Gesellschaft autotnom, befreit von jeder Art bürokratischer, beruflicher und parteilicher Bevormundung. Der Staat ist nicht Machthaber der inneren Verfassung, sondern dienendes Organ, belebendes Prinzip im Gesamtaufbau ihrer Arbeit. Gesetze der Schulen sind Bürgschaften dieser Freiheit." (S.116/117) ..................................................... "Der gesamte Unterricht wird eingestellt auf die schöpferische Arbeit der Hand und des Geistes. Mit dem Grundsatz materieller Bildung wird rückhaltlos gebrochen. Kenntnisse und Fertigkeiten sind natürliche Ergebnisse schaffender Arbeit, nicht Selbstzweck des Unterrichts. Verbindliche Stoffpläne werden nicht aufgestellt. Der ordnende Grundsatz aller Schularbeit ist die Entfesselung schöpferischer Kräfte im Kinde." (S.118/119) ..................................................... "Stundenpläne fallen dort. Für den Fortgang der Arbeit ist das wechselnde Bedürfnis der Gemeinschaft und der natürliche Ablauf der Arbeit selbst, d.h. der aller wissenschaftlichen, künstlerischen und technischen Arbeit innewohnende gesetzmäßige Zwang zur Vollendung entscheidend." (S.120) ..................................................... "In den Arbeitsgemeinschaften weitet und vertieft sich die Allgemeinbildung zur Fachbildung, den besonderen Begabungen und Neigungen der Schüler entsprechend." (S.120) ..................................................... "Der Schulleiter hat kein Aufsichtsrecht über die unterrichtliche und erzieherische Tätigkeit der Lehrer." (S.121) ..................................................... "Der Nachbau unseres Erziehungssystems, der tatsächliche, praktische Aufbau der Schule kann nur mit Hilfe der Gesamtintelligenz vollbracht werden, die gleichzeitig in der gesellschaftlichen Aufbauarbeit tätig wirkt." (S.124) ..................................................... "Umwandlung der zu flach fundierten Arbeitsschule in die Erfahrungsschule gesellschaftlicher Arbeit und Erfüllung dieser Arbeitsstätte mit dem Gemeinschaftsbewußtsein der Glieder einer höher verbundenen Einheit. Neben diesem Hauptthema des Problems sinkt die Forderung 'vom Kinde aus' zu einem psychologischen oder methodischen Leitmotiv herab, zu einem sehr bedeutungsvollen Nebenthema zwar, das aber, zu einseitig verfolgt, den größeren politischen Kampf um den Kultur- und Bildungsfortschritt vergessen läßt. Das Kind ist, vom ersten Tage seiner Geburt an, ein soziales Wesen, abhängig von seiner natürlichen Umwelt. Ziel der Erziehung ist es ja, das Kind diese Bedingung erkennen zu lassen, um es auf den Weg einer vernünftigen Lebensgestaltung zu leiten. Wie aber die Autorität des Lehrers am Recht des Kindes - nicht an seinem Individualrecht, sondern an dem Naturrecht, in dem sein persönliches und gesellschaftliches Recht beschlossen liegt - ihre hoheitsvolle Grenze findet, so findet das Recht des Kindes wie das der übrigen Menschen am Gesetz der Gemeinschaft, der Gattung seiner Orientierung. Es gibt keine Willkür des Erziehers, aber ebensowenig kann es eine Willkür des Kindes geben." (S.127/128) ..................................................... "Dieser Organisations- und Arbeitsprozeß, die gesellschaftliche Wirtschaft, schiebt sich zwischen die Natur und das menschliche Einzelwesen, so daß dieses die natürlichen Vorbedingungen seiner Existenz nicht mehr erkennt. Der Verlust der Einheit mit der Natur ist das soziale Unglück des Menschen." (S.131) ..................................................... "Wenn die Jugend nicht in einer ihr angemessenen, unversehrten, natürlichen Umwelt heranwächst, so ist es Schuld der Gesellschaft." (S.131) ..................................................... "Das Individuum identifiziert sich wieder mit der Gemeinschaft und geht versöhnt in ihr auf. Die Gemeinschaft zerstört keine individuellen Werte und Gegensätze, sondern fordert sie natürlich heraus, achtet und trägt sie." (S.132) ..................................................... "Die Gemeinschaftsschule bezeichnet die Wende. Sie ist keine Schule der Partei, sie ist keine Schule von heute, sie ist die Schule von morgen, die Schule der kommenden kulturellen Gesellschaft." (S.135) ..................................................... "Wir werden Halbbildung und Dilettantismus unserer Zeit erst dann überwinden, wenn die Kraft des Könnens in der Arbeit triumphiert. Berufen kann nur werden, was Beruf in sich hat." (S.151/152) ..................................................... "Rußland hat den Weg zu einer großartigen Entwicklung seines Schul- und Bildungswesens freigelegt." (S.152)
ArchivDIPF-BBF/II/B/P/I/Dd
SignaturDIPF-BBF/II/B/P/I/Dd 246
SchlagworteAufbauschule
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