Über uns

Unsere Einstein Research Unit „Coping with Affective Polarization – Wie die Zivilgesellschaft sozialen Zusammenhalt fördert“ widmet sich der interdisziplinären Erforschung des Phänomens affektiver Polarisierung sowie der Frage, wie mit ihren Folgen konstruktiv umgegangen werden kann. Unser wissenschaftliches Team besteht aus Forschenden der Humboldt-Universität zu Berlin, der Freien Universität Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Ein zentrales Anliegen unserer Arbeit ist es, unsere Forschung für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen und unsere Erkenntnisse in praktische Anwendungen in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten zu überführen. Deshalb arbeiten wir eng mit zivilgesellschaftlichen Partner:innen zusammen, um von deren Praxiserfahrungen zu lernen und einen wechselseitigen Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu fördern.

Unser Forschungsverbund ist Teil der Berlin University Alliance und wird von der Einstein Stiftung Berlin gefördert.

Hintergrund
Affektive Polarisierung

Polarisierung spielt eine zentrale Rolle in den aktuellen Debatten über zunehmende Spannungen und Spaltungen in unserer Gesellschaft. Eine besonders bedeutsame Form ist die affektive Polarisierung – also die Tendenz, sich Menschen mit ähnlichen Ansichten stärker verbunden zu fühlen und gegenüber Andersdenkenden negative Gefühle oder abwertende Haltungen zu entwickeln. Diese Wir-gegen-sie-Mentalität kann für das gesellschaftliche Miteinander äußerst schädlich sein. Sie erschwert es, dass Menschen mit unterschiedlichen Meinungen oder Interessen zusammenarbeiten oder gemeinsame Lösungen finden. In der Folge kann affektive Polarisierung zu mehr Intoleranz, respektlosem oder hasserfülltem Verhalten und sogar zu politischer Gewalt führen – und damit ein demokratisches Miteinander gefährden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich unser Forschungsverbund einer entscheidenden Frage: Wie können wir als Gesellschaft mit affektiver Polarisierung umgehen – und ihre negativen Auswirkungen effektiv verringern?

Sozialer Zusammenhalt als Ressource

Wir sind davon überzeugt, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt eine zentrale Ressource im Umgang mit affektiver Polarisierung darstellt. Eine Gesellschaft, die zusammenhält, ermöglicht Dialog, gegenseitiges Verständnis und aktives Mitgestalten. So können Menschen und Gruppen Konflikte bewältigen, ohne dass politische oder soziale Spaltungen weiter vertieft werden. Solche Formen des Miteinanders zu stärken, kann dazu beitragen, affektive Polarisierung und ihre negativen Folgen zu verringern.

Die Rolle der Zivilgesellschaft

Die Zivilgesellschaft spielt eine zentrale Rolle für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Organisationen wie gemeinnützige Vereine oder Aktivist:innen-Gruppen leisten durch ihre Arbeit vor Ort und ihr Engagement in der Gemeinschaft einen wichtigen Beitrag dazu, gesellschaftliche Gräben zu überbrücken. Deshalb arbeiten wir eng mit Partner:innen aus der Zivilgesellschaft zusammen – und verbinden ihre praktischen Erfahrungen mit unserer wissenschaftlichen Forschung. Gemeinsam entwickeln und erproben wir Strategien, um Zusammenhalt über soziale und politische Grenzen hinweg zu stärken.

Forschungsfragen und Ziele
  • Wie ausgeprägt ist die affektive Polarisierung in Deutschland? In welchem Ausmaß und unter welchen Bedingungen verändert sie sich im Laufe der Zeit?

  • Welche Faktoren beeinflussen das Ausmaß affektiver Polarisierung bei Einzelpersonen und Gruppen aus der Zivilgesellschaft? Wie wird mit den Folgen affektiver Polarisierung auf individueller Ebene, in sozialen Interaktionen und innerhalb von Aktivist:innen-Gruppen umgegangen?

  • Wie kann gesellschaftlicher Zusammenhalt als Ressource dienen, um konstruktiv mit affektiver Polarisierung umzugehen? Auf welche Weise kann die Zivilgesellschaft Zusammenhalt aktiv fördern, um den negativen Auswirkungen affektiver Polarisierung entgegenzuwirken?

Die Erforschung dieser Leitfragen wird durch den Aufbau und die Etablierung einer umfangreichen Dateninfrastruktur, fokussierte interdisziplinäre empirische Forschung sowie ein gemeinsames Interesse an der Entwicklung neuartiger Interventionen mit Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft ermöglicht. Unsere zentralen Ziele sind die Beobachtung, das Verstehen und die Bewältigung affektiver Polarisierung – mit deren Hilfe wir die übergeordneten Forschungsfragen beantworten wollen.

Ziel ist es, mit dem Berliner Polarisierungsmonitor eine Dateninfrastruktur zu schaffen, mit der wir die Dynamiken affektiver Polarisierung in ganz Deutschland kontinuierlich beobachten können. Als „sozialer Seismograph“ erfasst der Polarisierungsmonitor das Ausmaß affektiver Polarisierung zu verschiedenen Themen über die Zeit hinweg.

Unser Ziel ist es, die Dynamiken affektiver Polarisierung aus verschiedenen Perspektiven zu verstehen. Mithilfe verschiedener empirischer Methoden untersuchen wir, wie sie entsteht, sich über die Zeit verändert und wodurch sie beeinflusst wird. Zudem möchten wir herausfinden, welche Strategien Individuen, soziale Gruppen und zivilgesellschaftliche Organisationen im Umgang mit affektiver Polarisierung nutzen können.

Auf Grundlage unserer Forschung entwickeln wir gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Partner:innen Interventionsansätze, um die negativen Folgen affektiver Polarisierung zu bewältigen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. In enger Zusammenarbeit erarbeiten wir Strategie-Konzepte und praktische Interventionen, die an die Anforderungen verschiedener Alltagskontexte angepasst werden.

Illustration Coping with Affective Polarization
Forschungsperspektiven

Wir gehen unsere Forschungsfragen aus einer interdisziplinären Perspektive an und vereinen dabei Expertise aus verschiedenen wissenschaftlichen Fachrichtungen:

  • Psychologie

  • Politikwissenschaft

  • Soziologie

  • Psychiatrie

  • Philosophie

  • Kommunikationswissenschaft

Wir verbinden verschiedene Fachrichtungen und nutzen unterschiedliche theoretische Ansätze sowie Forschungsmethoden wie Umfragen, Interviews und Medienanalysen, um affektive Polarisierung zu untersuchen und Wege zu finden, sie zu verringern.

Ein zentraler Aspekt unserer Arbeit ist die aktive Einbindung der Perspektiven zivilgesellschaftlicher Akteur:innen. Besonders interessieren uns ihre Erfahrungen mit den Folgen affektiver Polarisierung und die Strategien, mit denen sie diesen begegnen. Mithilfe partizipativer Forschungsmethoden arbeiten wir eng mit unseren Partner:innen aus der Zivilgesellschaft zusammen, um gemeinsam wirksame Interventionsstrategien zu entwickeln.

Illustration Einstein Research Unit Coping with Affective Polarization - Dynamiken affektiver Polarisierung
Die wichtigsten Konzepte im Überblick

Möchten Sie mehr erfahren? Im Folgenden finden Sie kurze Erläuterungen zu den zentralen Konzepten, die unserer Forschung zugrunde liegen.

Wenn es um politische Parteien oder Debatten geht, fühlen sich Menschen oft stärker mit jenen verbunden, die ihre Ansichten teilen – und empfinden mehr Distanz oder sogar Feindseligkeit gegenüber denen, die anderer Meinung sind. Dieses Phänomen nennt man affektive Polarisierung. Sie geht über bloße Meinungsverschiedenheiten hinaus: Es handelt sich um eine emotionale Bindung an die eigene Gruppe und negative Gefühle gegenüber Menschen mit gegensätzlichen Ansichten. Affektive Polarisierung kann sich auf politische Parteien beziehen, aber auch auf konkrete Sachthemen, die starke Emotionen auslösen – wie etwa Klimawandel, Migration oder Abtreibung.

Ein Beispiel dafür war die Covid-19-Pandemie, in der sich viele Menschen emotional einer von zwei Gruppen zugehörig fühlten: jenen, die Schutzmaßnahmen wie Impfungen und Maskenpflicht befürworteten, und jenen, die diese ablehnten.

Affektive Polarisierung unterscheidet sich von anderen Formen der Polarisierung. Während ideologische Polarisierung etwa wachsende Unterschiede in Überzeugungen und politischen Meinungen beschreibt, geht es bei affektiver Polarisierung darum, wie Menschen über andere mit ähnlichen oder unterschiedlichen Ansichten empfinden.

Affektive Polarisierung kann weitreichende gesellschaftliche Folgen haben und die Grundlage gefährden, die demokratische Gesellschaften zusammenhält. Dieses verbindende Element beruht zum Beispiel auf der Fähigkeit, über unterschiedliche Interessengruppen und politische Positionen hinweg offen miteinander zu kommunizieren, zusammenzuarbeiten und Kompromisse zu finden. Denn wesentliche demokratische Werte wie Toleranz, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen in staatliche Institutionen sind entscheidend für eine stabile und funktionierende Gesellschaft.

Affektive Polarisierung gefährdet diese Grundlagen, indem sie negative Emotionen wie Feindseligkeit und Abwertung gegenüber Andersdenkenden sowie die „Wir gegen Sie“-Mentalität verstärkt. Diese verhärteten Fronten können schließlich in Hassrede, politische Gewalt und respektloses Verhalten münden.

Sozialer Zusammenhalt lässt sich aus verschiedenen Perspektiven verstehen. Für uns bedeutet Zusammenhalt, wie Einzelpersonen und Gruppen miteinander verbunden sind – etwa durch gemeinsame Aktivitäten, Kommunikation und alltägliche soziale Interaktionen. Dabei sind Konflikte und Auseinandersetzungen keineswegs ausgeschlossen. Vielmehr kommt es darauf an, wie gegensätzliche Interessen und Weltanschauungen ausgedrückt, verhandelt, gelöst oder auch verlagert werden. Diese Prozesse bestimmen maßgeblich, ob Zusammenhalt entsteht, erhalten bleibt oder verloren geht.

Aus dieser Sicht ist Zusammenhalt die Fähigkeit einer Gesellschaft, die potenziell schädlichen Folgen affektiver Polarisierung zu bewältigen und aktiv entgegenzuwirken. Eine wichtige Frage hierbei ist, ob und wie Gesellschaften die nötigen Ressourcen und Möglichkeitsräume schaffen, damit es bedeutungsvolle Begegnungen sowohl innerhalb als auch zwischen polarisierten Gruppen geben kann. Gibt es zum Beispiel öffentliche Orte, an denen Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen und mit verschiedenen Sichtweisen zusammenkommen können, um in einen offenen Austausch gehen und gemeinsame Erfahrungen machen zu können?

Der Begriff der Zivilgesellschaft hat eine lange Tradition im politischen Denken und in öffentlichen Debatten. Oft wird er mit dem Gemeinwohl oder guten Formen des Zusammenlebens verbunden. In unserer Forschung verfolgen wir eine praktischere Sichtweise: Wir verstehen Zivilgesellschaft als alle freiwilligen Gruppen und Vereine, die sich zwischen Staat und Wirtschaft ansiedeln lassen. Dazu gehören Sportvereine, Umwelt- oder Menschenrechtsgruppen, aber auch soziale Bewegungen oder Protestnetzwerke.

„Die“ Zivilgesellschaft ist keine einzelne Akteurin, sondern umfasst viele verschiedene Organisationen mit unterschiedlichen Zielen. Was sie verbindet, ist ihr freiwilliger Charakter und ihre wichtige Rolle im sozialen und politischen Leben. Sie ermöglichen es Menschen, sich zu organisieren und aktiv für demokratische Werte einzusetzen, fördern öffentliche Diskussionen und können durch ihr Engagement politische Entscheidungen beeinflussen.

Über die Einstein Stiftung Berlin

Unsere Einstein Research Unit „Coping with Affective Polarization – How Civil Society Fosters Social Cohesion“ wird von der Einstein Stiftung Berlin gefördert. Die Stiftung setzt sich dafür ein, exzellente wissenschaftliche Forschung zu stärken und inter- sowie transdisziplinäre Netzwerke in strategisch wichtigen Forschungsfeldern zwischen den Mitgliedern der Berlin University Alliance aufzubauen. Die Förderkennziffer unseres Projekts lautet: ERU-2023-78.

Weitere Informationen finden Sie unter:
www.einsteinfoundation.de