"Wir sind keine japanische Firma"

(Sony-Präsident Nobuyuki Idei über das Zusammenwachsen von Fernseher, Videorecorder, Computer und den Einstieg ins PC-Geschäft)

Journalist : Herr Idei, weltweit klagen die Hersteller von Unterhaltungselektronik über schrumpfende Margen und stagnierende Umsätze. Steckt die Branche in einer tiefen Krise?

Idei : Die Zeiten für unsere Industrie sind sicher härter geworden. Vor allem in Europa sind die Käufer sehr zurückhaltend. Das alles gilt aber nicht füt Sony. Unsere Umsätze steigen weltweit mit zweistelligen Zuwachsraten und wir verzeichnen wachsende Marktanteile in fast allen Bereichen unseres Geschäfts. Dennoch wollen wir den Konzern grundlegend erneuern. Der Grund dafür ist klar: Die ganze Branche steht vor einem dramatischen Umbruchprozeß, der unser Geschäft mit einem Schlag gewaltig umkrempeln wird. Darauf müssen wir uns rechtzeitig einstellen, wenn wir unsere Position als Nummer eins der Unterhaltungselektronik behalten wollen. Der Übergang von der analogen auf die digitale Technik ist nämlich gravierend. Denn mit der Digitalisierung des Fernsehens wachsen Fernseher, Videorecorder und Computer immer enger zusammen. Dadurch bekommt die Unterhaltungselektronik eine ganz neue Konkurrenz. Neben den traditionellen Wettbewerbern ist demnächst die gesamte Computerindustrie mit im Rennen und dann müssen wir direkt gegen Schwergewichtige wie IBM oder Compaq antreten. Ich fürchte nicht die Konkurrenz dieser Firmen. Aber es ist eine Frage des Überlebens, daß wir die Digitalisierung nicht nur technisch bewältigen. Es ist auch notwendig, die nötigen Managementqualitäten zu bekommen, sowie die richtigen Strategien und eine konkurrenzfähige Firmenstruktur für den neuen Markt zu entwickeln. Dieser Wandel läßt sich nicht in zwei Jahren, vielleicht nicht einmal in fünf Jahren bewerkstelligen. Wir müssen zum Beispiel die Standorte und die Kapazitäten unserer weltweit 90 Fabriken, davon 15 in Europa, völlig neu überdenken. Für das digitale Fernsehen sind ganz andere Komponenten wichtig als bei der analogen Technik und immer mehr Komponenten werden auf einem Chip integriert sein.

Da unser Geschäft wächst und Sony wächst sogar schneller als der Markt, gehe ich davon aus, daß wir vorerst keine Fabriken schließen müssen. Wir haben zur Zeit keine konkreten Pläne. Mit Sicherheit wird die Zahl unserer Produktionsstätten aber auch nicht mehr wachsen, weil die Produktivität der Anlagen durch die neuen technischen Möglichkeiten um zehn Prozent pro Jahr steigt. Ich glaube, die Computerrevolution hat gerade erst begonnen. Sony hat deshalb noch viel Zeit, um sich auf die digitale Ära vorzubereiten und dann etwas wirklich Neues und Originelles zu entwickeln. Der Computer von morgen wird sich gewaltig von dem heute bekannten Gerät unterscheiden. Die entscheidenden Ideen für die Entwicklung des PC kamen bislang aus Amerika, ich glaube aber nicht, daß es den japanischen Technikern an der nötigen Kreativität mangelt. Die Entwicklung ist im Moment nur deshalb so festgefahren, weil Intel und Microsoft den Markt so stark dominieren. Sie haben die allgemeingültige Computersprache durchgesetzt. Ich habe keine Ambitionen, dagegen anzukämpfen. Doch mit der wachsenden Bedeutung des Internets werden sich die Machtverhältnisse ändern, und das ist unsere große Chance. In Zukunft wird der Computer ein normales Haushaltsgerät sein, und damit kennen wir uns bestens aus. Wir wissen besser als die meisten Computerhersteller, welche Anforderungen die Kunden an ein Gerät stellen, das seinen Platz im Wohnzimmer hat. Diese Erfahrung wird uns bei der Entwicklung neuer Geräte und ausgefeilter Software für den privaten Nutzer von großem Nutzen sein. Wir sind deshalb zuversichtlich, daß wir mit der Denkfabrik von Bill Gates und anderen amerikanischen Software-Häusern mithalten können. Vielleicht wird in Zukunft das Büro den Amerikanern gehören, das Wohnzimmer den japanischen Firmen. Obwohl wir keine japanische Firma sind. Wir sind ein globales Unternehmen!


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