"Australien ist purpurrot"
Der deutsche Astronaut Ulrich Walter über die Reise des ersten Weltraumtouristen Dennis
Tito und den Reiz des Urlaubs im All.
Walter, 47, ist Physiker und umrundete 1993 an Bord der US-Raumfähre "Columbia" zehn
Tage lang die Erde.
Journalist:
Herr Walter, der Amerikaner Dennis Tito hat angeblich 20 Millionen Dollar an die Russen
gezahlt, um eine Urlaubsreise in den Weltraum zu unternehmen, Ist der Flug ins Sll
so viel wert?
Ulrich Walter:
Wenn man das Geld übrig hat, auf jeden Fall. Nichts ist mit einem Flug in den Weltraum
vergleichbar. Wirklich unter die Haut geht schon der Start. Man ist Urgewalten ausgesetzt,
die fast nicht von dieser Welt zu sein scheinen. Oben sieht man dann die Erde zum ersten Mal aus einer ganz anderen Perspektive. Die Welt wird sehr klein, die
Probleme, die man dort hatte, relativieren sich. Auch die Schwerelosigkeit ist sehr
faszinierend.
Ich könnte dort oben stundenlang einfach nur da sitzen, aus dem Fenster schauen und
Fotos machen. Es gibt immer etwas zu sehen, weil sich die Erde ja unter einem wegdreht.
Allein an der Farbe lässt sich zum Beispiel erkennen, auf welchen Kontinent man gerade blickt: Afrika ist ockerbraun, Australien prupurrot und Südamerika dunkelgrün,
während Europa schmutzig-graugrün aussieht.
Wer wie Tito mit einer "Sojus"-Rakete reist, hat zunächst nicht viel zu lachen. Die
dreiköpfige Besatzung wird in eine ziemlich kleine Schale gezwungen und muss dort
einige Stunden lang in gekrümmter Haltung ausharren. Am Ziel angekommen, bekommen
70 Prozent der Astronauten zudem die Weltraumkrankheit. Dabei geht es einem im wahrsten Sinne
des Wortes ziemlich übel. Dieser Zustand dauert jedoch maximal 36 Stunden.
Die Amerikaner wären gern die ersten gewesen, die einen Touristen ins All befördert
hätten. Sie sagen heute, dass durch die Anwesenheit von Tito, Konstruktions- und
Forschungszeit verloren gegangen ist. Man muss sich doch klar machen: Spätestens
in einem Jahr hätte auch die Nasa Touristen ins All geschossen. Da schwingt ein bisschen Neid
mit.
Ich hoffe, dass der Weltraumtourismus zur Massenbewegung wird. Denn nur über den Tourismus
wird die Raumfahrt an Popularität gewinnen und dann für viele erschwinglich werden.
Raumfahrt eröffnet eine neue Dimension, und ohne Frage wird der Mensch diese in Zukunft nutzen. In 100 bis 200 Jahren werden die Menschen in Massen im Weltraum sein.
Es wird Weltraumhotels geben. Und wenn das alles normal geworden ist, wird natürlich
auch einer auf die Idee kommen, den Mars zu besiedeln oder noch darüber hinaus den
Kosmos zu erschließen.
Ich würde gern noch einmal ins All fliegen, leider habe ich im Moment keine 20 Millionen
Dollar übrig.
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