"Chinesen bringen 100 Mark"

Der tschechische Ex-Schleuser Jaroslav Vávra, 20, über Spaziergänger, Bosse und Flüchtlinge.

Journalist: Herr Vávra, wie oft haben Sie Menschen illegal über die deutsch-tschechische Grenze gebracht und wie sind Sie dazu gekommen, Flüchtlinge zu schleusen?

Vávra : Das weiß ich nicht mehr genau. Aber in zwei Jahren werden es rund 250 Leute gewesen sein. Ich habe angefangen Menschen zu schleusen weil ich arbeitslos war. Da hat mich ein Freund gefragt, ob ich Geld bräuchte. Na klar, habe ich gesagt, und er hat mir erklärt, was ich tun müsse und dafür bekäme.

Zwei Tage vor der Schleusung treffen sich Fahrer und Spaziergänger mit den Bossen in einer Kneipe und besprechen die Einzelheiten. Die Flüchtlinge sind dann schon irgendwo im Hinterland und werden dort bewacht, damit sie nicht plötzlich rauskommen und durch die Stadt laufen. Spaziergänger bringen die Leute zu Fuß über die Grenze. Die Bosse organisieren das Ganze. Das sind meist Albaner. Sie teilen auch die Gruppen ein und sagen einem, wann und wo man die Flüchtlinge übernehmen muss. Auf deutscher Seite warten dann schon Autos. Da springen die rein, und der Spaziergänger geht zurück nach Hause.

Die meisten Leute, die über die Grenze wollen, sind aus Sri Lanka, China, Albanien oder der früheren Sowjetunion. Um von Tschechien nach Deutschland zu kommen, kostet es 1500 Mark und mehr. Aber eigentlich haben alle schon eine lange Reise hinter sich, wenn sie bei uns auftauchen. Was sie dafür bezahlen, weiß ich nicht. Das große Geld stecken andere ein. Besonders teuer sind natürlich Garantieschleusungen. Da laufen manchmal zwei von hier mit nur einem Flüchtling rüber.

Die Bezahlung geht pro Kopf und Nationalität. Chinesen bringen 100 Mark, Türken und Russen 150 Mark. Aber das bestimmen die Bosse. Das Geld gibt es auch erst, wenn die Leute am Ziel sind und ein Mittelsmann in Frankfurt oder Hamburg beispielsweise sich meldet. Flüchtlinge haben kaum eine Chance auf eigen Faust, ohen Schlepper nach Deutschland zu kommen. Die Grenze wird inzwischen viel zu gut bewacht, die Deutschen haben Superaurüstungen.

Ich fühle mich nicht als Krimineller. Da, wo die Flüchtlinge herkommen, herrscht doch Krieg, da wird geschossen, da haben sie nichts. Und ich kann ihnen ein bisschen helfen, besser zu leben. Für mich ist es schnell und leicht verdientes Geld. Wo kannst du sonst in Tschechien in zwei Stunden 30 000 Kronen verdienen?

Es gibt auch richtig tragische Geschichten. Ich bin einmal mit einer Gruppe von 32 Flüchtlingen gegangen, das Gelände war sehr steil und gefährlich. Ich habe gesagt, alle sollten dicht hinter uns bleiben, weil sie sonst abstürzen. Als wir in Deutschland ankammen, waren es nur noch 31 Leute.




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