"Gnadenloses System"
Der Mannheimer Profi Alexander Popp, 24, über seine Kurzzeit-Rolle als deutscher Wimbledon-Held
2000 und seinen jähen Aufstieg und Fall in der Weltrangliste.
Journalist:
Herr Popp, lastet auf Ihrem sensationellen Auftritt im vorigen Jahr in Wimbledon ein
Fluch?
Popp:
Dieser Verdacht drängt sich allmählich auf. Ich war beim wichtigsten Tennisturnier
der Welt als Nobody bis ins Viertelfinale gestürmt, so weit wie kein anderer deutscher
Spieler. Seither haftet mir in der Szene der Ruf als Nine-Day-Wonder an, weil ich
danach so gut wie nicht mehr gewonnen habe. Und jetzt habe ich noch Wimbledon kurzfristig
abgesagt. Für mich ist das eine Katastrophe. Anfang des Jahres haben die Ärzte bei
mir Pfeiffersches Drüsenfieber diagnostiziert. Drei Monate durfte ich keinen Schläger
in die Hand nehmen. Seit April habe ich wieder Turniere gespielt, aber vergangene Woche
musste ich einsehen: Mir fehlen die körperlichen Grundlagen. Es geht nicht.
Das System kennt keine Gnade mit Langzeitverletzten, die nicht gerade zu den Top 20
gehören. Wer seine Punkte aus dem Vorjahr kampflos einbüßt, verschwindet in der Rangliste
um Niemandsland und kriegt irgendwann ein finanzielles Problem. Die Topstars machen sich daraus nichts. Wer zehn Millionen kassiert, bekommt die elfte auch noch hinterhergeschmissen.
Im Spätherbst habe ich also wochenlang Antibiotika genommen, statt den Krankheitssymptomen
auf den Grund zu gehen. Für mich war Wimbledon das größte Turnier, seit ich Tennis spiele und eine gute Platzierung in der Weltrangliste war mir wichtiger
als meine Gesundheit.
Mir bleibt keine Wahl. Ich muss diese Saison vergessen und mich für die nächste in
Form bringen. Es kann sein, dass es schief geht. Das Geld wird knapp. Außer der Unterstützung
durch einen Sponsor, der auch jetzt noch zu mir hält, kommt gerade nicht viel rein. In Wimbledon habe ich in zehn Tagen mehr verdient als in zwei Jahren zuvor: knapp
200 000 Mark. Ich habe das nicht im Neuen Markt versenkt, sondern konservativ angelegt.
Noch habe ich Rücklagen. Aber demnächst werde ich mein Zimmer wieder bezahlen müssen. Freies Logis im Luxushotel genießen nur die Teilnehmer des Hauptfeldes.
© 2001 Francopolis. Tous droits réservés.