Polysemie
- religös: ‘Blutzeuge’
- religiös-gewalttätig
- säkular: ‘jmd., der für etwas leidet’
Definition
Märtyrer
Eine Person, die für den religiösen Glauben ihr Leben opfert, hauptsächlich ein Christ in der Auseinandersetzung mit dem Heidentum.
Im Christentum wird das Martyrium als das höchste Zeugnis für Christus und seinen erlösenden Tod verstanden. Falls ein Ungetaufter wegen des Glaubens den Märtyrertod erleidet, empfängt er die sogenannte Bluttaufe. An den Märtyrerfesten und ihren Gedenktagen wird die liturgische Farbe Rot benutzt.
Konnotationen
- Leiden, Foltern, langsamer Tod
- Opfer, tapfer, treu, fester Glaube, Liebe zu Gott
- Seligsprechung, Heiligsprechung, Reliquie, Himmel
Lexikalische Relationen
Synonyme
- Blutzeuge
- Glaubenszeuge
Hyperonyme
- der Heilige
Wortbildungen
Substantive
- Erzmärtyrer
- Märtyrerin1
- Märtyrerin
- Märtyrerkult1
- Märtyrerlegende1
- Märtyrertod1
- Märtyrertum1
Adjektive
- märtyrerhaft1
Phraseme, Kollokationen
Phraseme
Kollokationen
- Blut der Märtyrer
- christlicher Märtyrer
- frühchristlicher Märtyrer
- heiliger Märtyrer
- jüdischer Märtyrer
- Kult des Märtyrers
- Märtyrer des Glaubens
- Überreste des Märtyrers
- vierzig Märtyrer
- zum Märtyrer werden
Belege
Die Redensart erinnert an den heiligen Veit (Vitus, wohl aus lateinisch "vita = Leben", christlich vielleicht gedeutet als "ewiges Leben"), der nach der Legende als früh vollendeter Jugendlicher - erst sieben oder zwölf Jahre alt - unter Kaiser Diokletian anno 304 als Märtyrer starb, obwohl er dessen Sohn von der Besessenheit heilte.
Rhein-Zeitung, 10.06.2010
In einer Massenseligsprechung hat die katholische Kirche am Sonntag 498 spanische Geistliche als Märtyrer seliggesprochen. Es war die zahlenmässig grösste Seligsprechung der Kirchengeschichte. Dabei handelt es sich um Märtyrer des Spanischen Bürgerkriegs (1936–1939), die von linken Milizen getötet wurden.
St. Galler Tagblatt, 29.10.2007
Wird der letzte Zar als Märtyrer heiliggesprochen, dann würde der Mythos vom guten Zaren bestärkt, dessen segensreicher Herrschaft die gottlosen Bolschewiken ein blutiges Ende bereitet hätten. Der weisse Terror des autoritären Zarenregimes wäre aus der russischen Geschichte gestrichen, es gäbe nur noch den roten Terror.
Zürcher Tagesanzeiger, 28.02.1998
Die bevorstehenden Seligsprechungen der beiden Tiroler Priester und Märtyrer Pfarrer Otto Neururer und P. Jakob Gapp seien "eine dringend nötige Korrektur des österreichischen Geschichtsbildes", erklärte am Freitag Innsbrucks Diözesanbischof Reinhold Stecher bei der Präsentation einer Dokumentation über den Tiroler Märtyrerpfarrer Neururer.
Tiroler Tageszeitung, 13.04.1996
Die Bedeutung der Märtyrer des 20. Jahrhunderts betonte Wiens Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn bei einem Kirchentreffen im ungarischen Pannonhalma. Die Märtyrer der jüngsten Zeit hätten ein "Feuer der Liebe Christi" entfacht und Zeugnis gegen die "wahren Höllen der säkularisierten Heilslehren" abgelegt.
Kleine Zeitung, 29.10.2000
Johannes hatte König Herodes Antipas öffentlich getadelt, weil er Herodias, die Frau des Bruders geheiratet hatte. Darum setzte ihn Herodes auf der Bergfeste Machärus am Toten Meer gefangen. Als die Tochter der Herodias als Belohnung für ihren Tanz den Kopf des Täufers fordert, lässt Herodes Johannes im Gefängnis hinrichten. So wird Johannes als Prophet zum Märtyrer.
Mannheimer Morgen, 24.06.2000
Er war in der lateinischen Kirche der erste, der den Grad der Heiligkeit nicht durch seinen Tod als Märtyrer, sondern durch sein heldenhaftes Leben erreichte: der heilige Martin, Bischof von Tours. Vor 1610 Jahren, im Jahr 397, starb Martin, der schon zu Lebzeiten eine Legende war.
Mannheimer Morgen, 10.11.2007
In den lateinamerikanischen Ländern ist vor allem das Eintreten der Kirche für soziale Gerechtigkeit und ihr Einsatz für die Armen und Besitzlosen immer wieder Anlaß für scharfe und vielfach tödliche Angriffe gegen ihre Vertreter. Auch den Erzbischof von San Salvador, Oscar Arnulfo Romero, der im März 1980 während einer Eucharistiefeier am Altar ermordet wurde, ließ sein mutiges Auftreten zum Märtyrer werden.
Salzburger Nachrichten, 04.11.1995
Mit dem gestrigen Wintertag und dem Gedenken an die 40 Märtyrer verbanden alte Wetterbeobachter kalte Nächte. "Friert's am Märtyrertag recht, so friert's noch vierzig Nächt'."
Salzburger Nachrichten, 11.03.1998
Die beiden Reliquiare, die Knochenpartikel von Märtyrern enthalten, stammen aus der Mannheimer Kapuzinerkirche. Der letzte Pater schenkte die Mitte des 18. Jahrhunderts entstandenen Kunstwerke dem Grafen Albert von Oberndorff. "Es sind hochinteressante Sachen drin", kommentiert Hans Pfaff. Er meint damit nicht die knöchernen Überbleibsel der Märtyrer, sondern die mit Halbedelsteinen und Perlen verzierten Goldstickereien.
Mannheimer Morgen, 23.12.2000
Definition
Märtyrer
Jmd., der im gewaltigen Kampf für gewisse religiöse und oft auch politische Ziele den Tod erleidet. Meistens in Bezug auf islamistische Selbstmordattentäter, die auch unschuldige Opfer mit sich in den Tod reißen; sie verstehen sich selbst als Märtyrer, diese Auffassung wird aber im Islam nicht allgemein vertreten und gilt als umstritten, trotzdem wird sie häufig in den westlichen Medien präsentiert.
Lexikalische Relationen
Synonyme
- Mudschahed/ Mudschahedin ‘islamischer Gotteskrieger’
Wortbildungen
Substantive
- Märtyrerin2
- Märtyrertum2
Adjektive
- märtyrerhaft2
Phraseme, Kollokationen
Kollokationen
- islamistische Märtyrer
- Märtyrer des Dschihad
Belege
Nicht Terroristen sind es im Sprachgebrauch des islamischen Extremismus, die als lebende Bomben im Namen Allahs Dutzende von Unschuldigen ermorden, sondern "Märtyrer, die nach unserem Glauben sofort ins Paradies eintreten". Die Sehnsucht nach dem "Märtyrertod", im Dienste einer vermeintlich heiligen Sache zu fallen, gehört zwar zu den hervorstechenden Charakteristika des schiitischen Islam, ist aber auch den Sunniten nicht ganz fremd.
Nürnberger Nachrichten, 04.02.1995
Al Qaida veröffentlichte zum 9/11 eine Botschaft Bin Ladens. Darin preist er die 19 Attentäter und ruft alle Moslems auf, sich der «Karawane der Märtyrer» anzuschliessen.
St. Galler Tagblatt, 12.09.2007
Stolz hält der bärtige Beifahrer eine Bombe in die Kamera. Der Mann am Steuer lacht euphorisch. Schnitt. Aus einer Kolonne amerikanischer Militärfahrzeuge steigt eine schwarze Rauchsäule auf. Die beiden Selbstmordattentäter haben ihre Mission erfüllt. Im Internet kursieren unzählige dieser Videos. Teils verklären sie die Terroristen zu Märtyrern, teils zeigen sie brutalste Details von Morden.
Mannheimer Morgen, 28.11.2008
Auch deshalb sind die Attentate in der islamischen Welt umstritten. Der Großmufti von Saudi-Arabien, Abdulasis el Scheik, hat im Frühjahr darauf hingewiesen, dass der Islam jede Selbsttötung verbietet. Aber die spitzfindigen Feinde Israels haben längst eine Hintertüre gefunden, die ihrer Ansicht nach Selbstmord-Anschläge rechtfertigt: Sie erklärten die Kandidaten zu Märtyrern, denen nach muslimischem Glauben der Einzug ins Himmelreich sicher ist.
Nürnberger Nachrichten, 18.08.2001
Definition
Märtyrer
Jmd., der für eine Idee, Überzeugung, einen Wert bzw. wegen der Zugehörigkeit zu einer Gruppe leidet oder auch stirbt. Der Kult um solche Märtyrer spielt eine wichtige Rolle bei verfolgten politischen oder anderen Bewegungen, weil er die Identität der Gruppe stärkt und die Mitglieder zum Kampf gegen die Verfolger motiviert.
Von Seiten der Gegner wird der Prozess, im Laufe dessen jmd. zum Märtyrer erklärt wird, oft kritisiert als eine unangemessene Stilisierung, der Sprecher lehnt den Märtyrerstatus der Personen ab und das Wort Märtyrer hat in dieser Verwendung negative Konnotationen oder wird auch ironisch bzw. hyperbolisch verwendet.
Konnotationen
- Leiden, Foltern, Gefangenschaft, gewaltsamer Tod
- opferbereit, heldenhaft
- Stilisierung
Wortbildungen
Substantive
- Märtyrerin3
- Märtyrerkult2 vgl. Märtyrerkult um die getöteten Aktivisten
- Märtyrerlegende2 vgl. die Geschichte des politischen Mordes als Märtyrerlegende
- Märtyrerpose
- Märtyrerrolle
- Märtyrertod2 vgl. einen politischen Märtyrertod erleiden
- Märtyrertum3
Adjektive
- märtyrerhaft3
Phraseme, Kollokationen
Kollokationen
- jmdn. als Märtyrer feiern
- jmdn. zum Märtyrer machen
- Märtyrer der Revolution
- Märtyrer schaffen
- nationaler Märtyrer
- politischer Märtyrer
Belege
Die Revolution von 1848 war eine europäische Revolution. Fast überall in Europa kämpften Bürger für Demokratie und Freiheit. Der Kampf für Menschen- und Bürgerrechte ist das gemeinsame europäische Erbe, das uns die Männer und Frauen von 1848 hinterlassen haben. Zur Erinnerung an die Helden und Märtyrer
bekam der 48er-Platz einen Namen.
(M10/FEB.06812 Mannheimer Morgen, 22.02.2010, S. 27; Erinnerung einfach so weggebaggert)
35 000 Soldaten der Nordarmee waren dort unter erbärmlichen Bedingungen eingepfercht. Es fehlte an Nahrung, sauberem Wasser und Medikamenten: In einem Jahr starben 13 000 Nordstaatler, manchmal zweihundert pro Tag. Aus der Sicht der Nordstaatler, die den Krieg schliesslich gewannen und die Sklaverei abschafften, war Wirz für die katastrophalen Zustände verantwortlich zu machen. Ein Militärgericht verurteilte ihn nach dem Bürgerkrieg in einem Schauprozess zum Tod durch den Strang. Für gewisse Südstaatler wurde er dadurch zum Helden und Märtyrer
.
(E96/JUL.18007 Zürcher Tagesanzeiger, 29.07.1996, S. 12, Ressort: Stadt Zürich; Gedenktafel für Kriegsverbrecher?)
Doch während der 19-jährige Bilawal in Oxford auf seine Rolle als zukünftiger Führer Pakistans vorbereitet wird, wird erst einmal Benazir Bhuttos Witwer Zardari die Fäden ziehen, der vielen PPP-Anhängern als eine Art Märtyrer
gilt. Acht Jahre lang saß er in Karatschi in Untersuchungshaft. Doch er wurde nie verurteilt. Der Vorwurf der Korruption ist für PPP-Anhänger die üble Propaganda eifersüchtiger Punjabis.
(HAZ07/DEZ.07841 Hannoversche Allgemeine, 31.12.2007, S. 3; Das politische Erbe Bhuttos bleibt in der Familie)
Die neuerlichen Verbalattacken von LH Jörg Haider (Aschermittwocherede) bewertet Fischler als möglichen Versuch des FPÖ-Politikers, sich als "nationalen Märtyrer
" darzustellen.
(I00/MAR.14107 Tiroler Tageszeitung, 13.03.2000, Ressort: Innenpolitik; Fischler warnt vor Blockade )
Wenige Stunden nach der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates versuchte der neue Vzbgm. Albert Semrajc den parteiinternen Streit mit Ex- Vzbgm. Günther Horwath aus der Sicht der "Abtrünnigen" darzustellen. Semrajc einleitend: "Günther Horwath versucht jetzt sich als Märtyrer
und uns als Abtrünnige der Partei darzustellen, die nur der SP schaden wollen."
(K98/APR.25125 Kleine Zeitung, 01.04.1998, Ressort: Osttirol; Semrajc rechnete mit Horwath ab)
5000 albanische Trauergäste haben in der Kosovo-Ortschaft Cabra an der Beerdigung zweier albanischer Kinder teilgenommen. Der Ministerpräsident der Provinz, Bairam Rexhepi, sagte, die Jungen blieben als " Märtyrer
" in Erinnerung. Ihr Tod hatte blutige Zusammenstöße zwischen Albanern und Serben ausgelöst. Die Jungen waren nach albanischer Darstellung von Serben in einen Fluss getrieben worden.
(M04/MAR.20157 Mannheimer Morgen, 22.03.2004; ETA ruft zum Dialog auf)
Schon daher ist die Vorstellung naiv, man könne mit dem Prozess gegen Saddam einen Schlussstrich ziehen. Seine Anhänger werden ihn nach dem Tod erst recht zum Märtyrer
hochstilisieren und den Terror gegen die amerikanischen Besatzer und das Regime fortsetzen. Saddam Husseins böse Saat dürfte deshalb seinen Tod noch lange überdauern.
(M05/OKT.85876 Mannheimer Morgen, 20.10.2005; Saddams böse Saat)
Filipinos haben nicht nur eine beispiellose Leidensfähigkeit. Es gibt in diesem Land auch ein starkes Leidensbedürfnis. Märtyrer
wurden oftmals zu Nationalhelden. Nachdem Benigno Aquino, ein Intimfeind von Ferdinand Marcos, am 21. August 1983 aus dem amerikanischen Exil nach Manila zurückkehrte und erschossen wurde, galt auch er als Märtyrer
. Zweieinhalb Jahre nach dem Attentat fanden Präsidentenwahlen statt, die Marcos wie schon früher mit über 90 Prozent der Wählerstimmen zu gewinnen hoffte. Doch gegen Marcos trat Corazon Aquino an, die Witwe des ermordeten Ex-Senators, die dieses Amt überhaupt nicht gesucht hatte, die jedoch buchstäblich in die Rolle hineingedrängt worden war, nur weil sie die Frau eines Märtyrers
war.
(E96/FEB.04472 Zürcher Tagesanzeiger, 22.02.1996, S. 5, Ressort: Ausland; Demokratie brachte den Philippinen keine Stabilität)
Die 58-jährige Dai Qing lebt in Peking. Sie stammt aus einer kommunistischen Musterfamilie; ihre Eltern waren Märtyrer
der Revolution, der Adoptivvater, Marschall Ye Jianying, war ein guter Freund Mao Zedongs.
(E99/SEP.25347 Zürcher Tagesanzeiger, 30.09.1999, S. 2, Ressort: Hintergrund; "Mit China wird es bergab gehen, bis zum Ende")
Damit hatte er sein Ziel erreicht. Schon früh sah sich der pessimistische Robespierre als zukünftiger Märtyrer
der Freiheit und kokettierte in seinen Reden immer wieder mit seiner Opferbereitschaft. Er war sich sicher: „Der Tod ist der Beginn der Unsterblichkeit.“
(HAZ08/MAI.00794 Hannoversche Allgemeine, 06.05.2008, S. 8; „Der Tod ist der Beginn der Unsterblichkeit“)
Dennoch haben in Schweden Neonazi-Gruppen das Recht, ihre Feiertage wie den Geburts- und Sterbetag Adolf Hitlers öffentlich zu begehen. Ein Verbot von Neonazi- Organisationen wurde verworfen: "Das würde sie nur zu Märtyrern
machen", ist die Haltung der schwedischen Regierung.
(K99/OKT.80342 Kleine Zeitung, 22.10.1999, Ressort: Weltpolitik; Gewalttaten von Neonazis versetzen Schweden in Angst)
"Das rote Quadrat" (ARD): Das Bild produzierte weltweit Entrüstung: Ein Palästinenser kauert mit seinem Sohn mitten im Schussfeld. Das Kind stirbt in den Armen des Vaters und die fanatisierten Araber hatten eine Legende mehr, zumal die Israelis vorschnell einen möglichen "Unfall" einräumten. Der Vater des Märtyrers
tourt nun, berufsmäßig trauernd, durch die Welt und prangert Israel an.
(M02/MAR.21493 Mannheimer Morgen, 19.03.2002; Wenn Bilder lügen)
In den Augen der Sudetendeutschen sind die " Märtyrer
" des "blutigen März" freilich nur die ersten Opfer einer Politik, der nach 1945 "weit über 250 000 Austreibungstote" gefolgt seien. "Ihr Geist lebt fort", beschwor Kreisobmann Ernst Frötschl die etwa 120 Anwesenden bei der "Großkundgebung" im Festsaal des Verkehrsmuseums.
(NUN91/MAR.00222 Nürnberger Nachrichten, 04.03.1991, S. 10; Sudetendeutsche Landsmannschaft gedachte der Opfer vom 4.März 1919)
Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wurden in der DDR mit einem jährlichen Gedenktag, mit Denkmälern, Biografien und Filmen als Märtyrer
geehrt. Die SED präsentierte sich dabei als ihre direkte Erbin.
www.google.com (03.05.2011)
Ich rechne eigentlich schon mit größeren Menschenmengen, die Osama bin Laden als Märtyrer
feiern werden. Denn das ist sicher ein großer Erfolg für die Amerikaner, aber ob Bin Laden tot oder lebendig gefährlicher ist, ist natürlich noch die Frage. Die Bewegung gewinnt einen Märtyrer
als Symbolfigur.
www.google.com (03.05.2011)
Wortindex
- Blutzeuge
- der Heilige
- Erzmärtyrer
- Glaubenszeuge
- Held
- märtyrerhaft1
- märtyrerhaft2
- märtyrerhaft3
- Märtyrerin1
- Märtyrerin
- Märtyrerin2
- Märtyrerin3
- Märtyrerkult1
- Märtyrerkult2
- Märtyrerlegende1
- Märtyrerlegende2
- Märtyrerpose
- Märtyrerrolle
- Märtyrertod1
- Märtyrertod2
- Märtyrertum1
- Märtyrertum2
- Märtyrertum3
- Mudschahed/ Mudschahedin
Etymologie
Mhd. marterære , merterære ‘Märtyrer’, ahd. martarāri (10. Jh.), martirāri (11. Jh.). Bis ins 19. Jh. noch die Form Märterer . Entlehnt aus lat. martyr , griech. mártyr ‘Zeuge’ (zu ig. *mer- ‘erinnern’), kirchlich ‘Blutzeuge’. Seit dem 16. Jh. in der Form Märtyrer formal an das griech.-lat. Vorbild angelehnt.
Das Wort Marter wurde aus lat. martyrium , griech. martyrion ‘Blutzeugnis’ entlehnt.
Das abgeleitete Verb martern hatte zunächst nur religiöse Bedeutung, die erst später verallgemeinert wurde (PFEIFER; KLUGE).
Semantischer Wandel
Das DUW expliziert das Wort folgendermaßen:a) jemand, der um des christlichen Glaubens willen Verfolgungen schweres körperliches Leid, den Tod auf sich nimmt b) (bildungssprachlich) jemand, der sich für seine Überzeugung opfert oder Verfolgungen auf sich nimmt.
Das terroristische Profil ist im DUW noch nicht verzeichnet. Es handelt sich um einen in den letzten Jahrzehnten aufgekommenen Neologismus, das neben dem häufiger verwendeten Mudschahed (aus arab. muǧāhid, Pl. muǧāhidin (< Kämpfer) ist. Vielleicht liegt auch ein Konzeptsynkretismus mit dem des ähnlich klingenden schahid (arab. (Blut-)zeuge analog zu griech. mártyr (‘(Blut-)Zeuge’ vor. Im eigentlichen Sinne bedeutet das griechische Wort jemanden, der von seinem Glauben Zeugnis ablegt. Im Deutschen ist allerdings in den beiden religiösen Profilen immer das „Blutzeugnis“ gemeint, also das Leiden (und der Tod) um des Glaubens willen.
Das vorliegende Wörterbuch führt dagegen drei Profile von Märtyrer auf: ein religiöses, ein religiös-gewalttätiges und ein säkulares Profil.
Das säkulare Profil wird vorwiegend in historischen Zusammenhängen (vgl. Helden und Märtyrer, Märtyrer des spanischen Bürgerkriegs, Märtyrer der 1948-er Revolution) oder in der Publizistik (oft kritisch-distanziert) über Opfer politischer Konflikte verwendet, häufig solcher, denen unterstellt wird, dass sie sich danach sehnen, als Opfer ihrer Überzeugungen angesehen zu werden (vgl. „Ein Verbot der NPD […] würde die Neonazis nur zu Märtyrern machen.“. Daneben gibt es eine ironische Verwendung des Wortes, die oft in phrasematischen Wendungen verwendet wird (vgl. sich zum Märtyrer aufspielen).
Im religiös-terroristischen Profil wird das Wort Märtyrer in Bezug auf islamische Terroristen verwendet, die sich selbst als Blutzeugen vestehen. Diese Auffassung wird aber im Islam nicht allgemein vertreten und gilt als umstritten. Sie wird trotzdem in den westlichen Medien häufig präsentiert. Es handelt sich jedoch um ein vorwiegend in publizistischen Texten vorhandenes Profil, das in der Umgangssprache nicht verankert ist. Das zeigt sich auch darin, dass das Wort oft mit Anführungszeichen geschrieben wird. Immer häufiger wird stattdessen das Wort Mudschahid (meist im Pl. Mudschahedin) verwendet.
In Bezug auf die Wortbildung können mit Märtyrer auch Verben wie martern (und die präfigierten Formen) das Hirn zermartern, abmartern), Substantive wie Marter, Marterl (letzteres regional) Komposita wie Marterinstrument, Marterpfahl, Martertod, Marterwerkzeug in Verbindung gebracht werden. Sie sind jedoch laut DUW auf das Grundwort Martyrium zurückzuführen und stellen keine Ableitung von Märtyrer dar, weshalb sie in diesem Wörterbuch auch nicht in die Liste von Derivaten aufgenommen wurden.
Sprichwörter
- Des Teufels Märtyrer leiden viel mehr als Gottes Märtyrer.
- Er macht sich zum Märtyrer. ‘jemand opfert sich freiwillig einer Sache wegen; wahrscheinlich ist es die Sache jedoch nicht wert’
- Märtyrer haben einen schönen Tod, sagte der Dieb, als man ihn zum Galgen führte. ‘nicht jeder kann sich sein Los selbst aussuchen’
- Mit Feuer und Blut wird auch getauft in Märtyrerzeit.
- Vierzig Märtyrer, vierzig Morgenfröste. ‘nach dem Wetter der vierzig Märtyrer richtet sich in Russland der Peter-Paulstag.’
Kulturelle Kontexte
Literatur
- Eric Metaxsas: Bonhoeffer: Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet, 2012.
- Sigrid Weigel: Märtyrer-Porträts: Von Opfertod, Blutzeugen und heiligen Kriegern, 2007
- Manfred Becker-Huberti & Konrad Beikircher: Märtyrer: Der sicherste Weg zur Heiligkeit, 2014
- Joseph Croitoru: Der Märtyrer als Waffe: Die historischen Wurzeln des Selbstmordattentats, 2006
Film
- Karl Liebknecht - Der Märtyrer der Revolution (Regie: Dirk Otto), Deutschland, 2010.
- Märtyrerin der Liebe (Regie: Rudolf Biebrach), Deutschland, 1915.
Sonstiges
- Marius von Mayenburg: Märtyrer (Theaterstück), 2012.
-
Tagung an der Universität Münster(Quelle: http://www.uni-muenster.de/imperia/md/images/religion_und_politik/aktuelles/2014/05_2014/news-tagung-oppositionelle-maertyrer-zoom.jpg)
-
Tagung an der Universität Münster(2)(Quelle: https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/religion_und_politik/aktuelles/2010/12_2010/politische_maertyrer_plakat_web.pdf)
Bibliographie
Damir-Geilsdorf, Sabine 2004: „Krieg im Namen des Islam?: Aushandlungen und Transformationen religiöser Konzepte am Beispiel der islamischen „Märtyreraktionen“ im Palästinakonflikt“, in: Luedtke, Ralph-M. (Hg.), Mitten im Krieg: Perspektiven einer friedlichen Welt, Kassel, S. 73-88.
Horsch, Silvia/ Treml, Martin 2011: Grenzgänger der Religionskulturen: kulturwissenschaftliche Beiträge zu Gegenwart und Geschichte der Märtyrer, Paderborn.
Kasper, Walter 2014: Ökumene der Märtyrer: Theologie und Spiritualität des Martyriums, Norderstedt.
Krass, B. (Hg.) 2008: Tinte und Blut. Politik, Erotik und Poetik des Martyriums, Frankfurt am Main.
Krause, Jürgen 1984: „Märtyrer“ und „Prophet“: Studien zum Nietzsche-Kult in der bildenden Kunst der Jahrhundertwende, Berlin.
Scheffler, Thomas 2008: „Kriegerische und zivile Märtyrerdiskurse im Islam“, in: Theologie der Gegenwart, Bd. 51.2008, S. 184-195.
Schirrmacher, Christine 2013: „Es sind nicht alle Märtyrer: der Islam über das Sterben, den Tod und die Errettung im Jenseits“, in: Der Islam als historische, politische und theologische Herausforderung, Bonn, S. 53-76.
Walter, Franz u.a. (Hg.) 2013: Mythen, Ikonen, Märtyrer: sozialdemokratische Geschichten, Berlin.
Weigel, S. (Hg.) 2007: Märtyrer-Porträts. Von Opfertod, Blutzeugen und heiligen Kriegern, München.
Wüschner, Philipp 2013: „Widerstand als Ereignis? – Der Märtyrer als Beispiel für einen nicht-intentionalen, nicht-subjektiven Widerstandsbegriff“, in: Junk, Julian u.a. (Hg.), Macht und Widerstand in der globalen Politik, Baden-Baden, S. 31-48.