Übersicht
religiös-monotheistisch | religiös-polytheistisch | admirativ | |
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Deutsch | |||
Polnisch | |||
Slowakisch | |||
Tschechisch |
de:123
pl:123
sk:123
cz:123
Sprachvergleich
Gott – bóg – boh – bůh
Das Lexem Gott/ Bóg/ boh/ bůh weist in allen vier verglichenen Sprachen eine äquivalente Polysemie aus. Es werden das religiös-monotheistische, das religiös – polytheistische und das admirative Profil unterschieden. Alle drei Profile überlappen sich in den jeweiligen Sprachen weitgehend auch im Bereich der lexikalischen Relationen, der Wortbildung und der Phraseme und Kollokationen.
Das religiös – monotheistische Profil gilt für die analysierten Sprachen als prototypisch. Dafür spricht besonders der enorme Reichtum an Wortbildungen und Phrasemen, die für dieses Profil charakteristisch sind. Das spiegelt einerseits wider, dass das Christentum für diese Sprachen bzw. Kulturen unter den Religionen eine zentrale Stelle einnimmt und die Vorstellung des monotheistischen Gottes zwar nicht die einzige, dennoch die prägende ist. Andererseits ist die sprachübergreifende Tendenz auffällig, dass eine Reihe der angeführten Wortbildungen und Phraseme heutzutage veraltet, buchsprachlich oder diskursspezifisch (z. B. Diskurs der Theologie, Kommunikation mit einem Geistlichen oder unter Gläubigen u. ä.) ist. Unterschiedliche Gruß-, Abschieds-, Dankes-, Beschwörungs- oder Abwehrformeln wie auch Modalwörter, die als Ausdruck oder zur Bekräftigung des religiösen Glaubens entstanden sind, verschwinden schrittweise aus der Alltagskommunikation. Im Einzelnen sind in dem Veralten dieser Ausdrücke Unterschiede festzuhalten, die insbesondere auf die regionale Zugehörigkeit, das Alter und den Religiositätsgrad der Sprecher zurückzuführen sind. So werden beispielsweise die Grußformeln dt. Grüß Gott! und slow. Pozdrav Pán Boh! im süddeutschen Sprachraum bzw. in der Slowakei insbesondere in ländlichen Regionen weiterhin genutzt. Der Abschiedsgruß poln. Z Bogiem!, slow. Zbohom!, tschech. Sbohem! wird nur noch von älteren Sprechern oder als religiöser Segenswunsch gebraucht, oder er kommt als buchsprachlicher Ausdruck in der Literatur vor. Das deutsche Äquivalent Gott befohlen! ist inzwischen veraltet. Bei einigen Phrasemen bzw. Zusammenfügungen wird kaum oder gar kein religiöser Bezug mehr wahrgenommen und sie bleiben auch weiterhin in der Alltagskommunikation geläufig, vgl. dt. Gott sei dank/ poln. dzięki Bogu/ slow. vďaka Bohu/ tschech. díky bohu; dt. Ach Gott!, poln. Na Boga!, Mój Boże!, slow. Ach bože!, tschech. Pane bože! oder das intensivierende poln. za Boga, slow. zaboha, tschech. za boha ‘unter keinen Umständen’.
Das Verschwinden mancher Wortbildungen und Phraseme mit den Bestandteilen dt. Gott/ gott-, poln. Bóg/ bog-/ boż-, slow. Boh/ boh/ bož- und tschech. Bůh/ bůh/ bož-/ boh- aus der Alltagskommunikation ist auf einen Wandel herkömmlicher Kommunikations- und Gesellschaftsnormen, Werte und Einstellungen zurückzuführen. Hierzu gehört eine weitgehende Tabuisierung religiöser Überzeugungen und Einstellungen in der Kommunikation. Viele Sprecher empfinden sprachliche Hinweise auf Gott, Glauben u. ä. als ungewöhnlich und meiden sie bzw. nehmen sie als klaren Ausdruck der Religiosität wahr. Diese Kommunikationsnorm kann mit der These des Bedeutungsverlustes bzw. der Privatisierung der Religion in der heutigen Gesellschaft in Zusammenhang gebracht werden. Eine andere Ausprägung des Normenwandels ist das Gebot der Toleranz gegenüber anderen Religionen oder dem Atheismus, das manche wertenden Ausdrücke aus dem Gebrauch verdrängt, z. B. dt. Gottloser/ Gottlose, poln. bezbożnik, bezbożnica, slow. bezbožník, slow. und tschech. neznaboh oder dt. Abgott.
Hand in Hand mit dem Veralten mancher Phraseme und Wortbildungen kommt es gleichzeitig zu einem Wandel in ihrem Gebrauch. Die Sprecher verwenden sie selten als Ausdruck eigener Perspektive, sondern sie werden als Mittel der Übertreibung, der Ironie, des Scherzes u. ä. eingesetzt oder sie verwandeln sich zu Interjektionen mit einer neuen Bedeutung. Zum Einen handelt es sich um eine lang anhaltende Tendenz, vgl. slow. Zbohom! ‘Abschiedsformel’ oder Na zbohom!ironisch ‘Na toll!’, tschech. bohumilýbuchsprachlich ‘gottgefällig’ oder bohumilýhyperbolisch, ironisch ‘gemeinnützig, förderlich’ (z. B. šíření bohumilé ideologie k sobě poutá gaunery nejhoršího ražení), zum Anderen finden sich zahlreiche Belege einer ad-hoc-Ironisierung, -Übertreibung etc., vgl. dt. Geißel Gottes: Als Brigitte Reimann Hoyerswerda zunehmend als eine "Geißel Gottes" empfindet, die keine ungestörte Begegnung erlaubt, versucht sie, Alarm zu schlagen. oder tschech. bohabojnýscherzhaft ‘anständig, angepasst’: Komentátoři obhajují právo bohabojných středostavovských řidičů jezdit v noci na rovné prázdné silnici, jak rychle oni sami chtějí.
Ein Unterschied im Wortgebrauch von Gott / Bóg/ boh/ bůh zeichnet sich im admirativen Profil ab. Während im Deutschen, Slowakischen und Tschechischen das Wort als metaphorische Bezeichnung einer Person (seltener eines Wertes, Gegenstands u. ä.), die für andere ein Vorbild darstellt oder unkritisch geliebt und geschätzt wird, eher selten verwendet wird, ist diese Bedeutung im Polnischen geläufig.
In der Groß- bzw. Kleinschreibung des Wortes Bóg/ boh/ bůh zeigen sich einige Unterschiede. Im Polnischen wird Bóg im religiös – monotheistischen Profil unabhängig von der Einstellung des Sprechers großgeschrieben (vgl. SJPDor 1958-1969, ISJP 2000, PSWP 1995-2005). In der tschechischen und älteren slowakischen Lexikographie wird boh/ bůh als Lemma kleingeschrieben (vgl. PSJČ, SSJČ, SSČ, SSJ, in KSSJ werden beide Schreibweisen angeführt), wobei auf die Großschreibung im christlichen Kontext hingewiesen wird. Im Usus wird aber auch im Tschechischen und Slowakischen das Lexem boh/ bůh im religiös – monotheistischen Profil meistens großgeschrieben. Im religiös – polytheistischen und admirativen Profil wird für alle drei Sprachen als Norm die Kleinschreibung empfohlen, gelegentliche Großschreibung ist in diesen Profilen lediglich als Ausdruck der Normunsicherheit zu deuten.