Sprachvergleich
Versuchung – pokusa – pokušenie – pokušení
Die Versuchung – pokusa – pokušení – pokušenie wird in der christlichen Tradition als eine innere Auseinandersetzung des Menschen, gegen den Willen Gottes eine Sünde zu begehen, aufgefasst. In der Bibel werden sowohl Versuchungen zum Bösen und zur Sünde als auch Versuchungen, die von Gott kommen, um uns in unserem Glauben zu erproben, dargestellt. Der Sündenfall durch Adam und Eva (1. Mo 22,1), die Versuchung Hiobs durch den Teufel (Mt 4,1-11) und die Versuchung Jesu (Mk 1,12-13, Lk 4,1-13) gelten als die bekanntesten Stellen der Bibel, an denen von Versuchung die Rede ist. Die im Vaterunser ausgedrückte Bitte meint die Versuchung, die eine Art Prüfung zum Guten und zur Stärkung des Glaubens darstellt.
In der gegenwertigen Wahrnehmung wird das Versuchungskonzept auch als ein Anreiz zur Handlung wahrgenommen. Vor allem in der Werbung nimmt heute das Konzept der Versuchung eine zentrale Rolle ein. Es werden dem Verbraucher Angebote unterbreitet, die reizvoll erscheinen, jedoch im Grunde genommen unzweckmäßig sind. Oft wird dabei mit den archetypischen Versuchungsszenen aus der Bibel gespielt, getreu dem Motto „It's not just sex that sells, religion does too“.
Im vorliegenden Wörterbuch werden zwei Profile des Begriffs Versuchung – pokusa – pokušení – pokušenie ausgegliedert: religiös und säkular. In beiden Profilen handelt es sich bei dem Lemma zunächst um ein Abstraktum, welchem auch konkrete Bedeutungen zugewiesen werden können. In allen vier Sprachen wird dabei meistens grammatikalisch zwischen den einzelnen, aufzählbaren Ursachen von Versuchung, die im Singular realisiert werden und den Akten, die häufig die Pluralform Versuchungen – pokusy – pokušení – pokušenia annehmen, unterschieden.
Die metonymische Übertragung auf den Auslöser der Begierde kann in beiden Profilen auf die gleichen Sachverhalte referieren, z.B.: Ehebruch, übermäßiger Genuss von Alkohol oder Lügen. Im Sprachgebrauch der hier untersuchten Sprachen wird gegenwärtig eher der moralische oder der gesundheitliche Schädigungsfaktor solcher Taten betont. Die religiösen Motive verblassen hingegen in der Alltagssprache.
Ähnlich wie bei Sünde werden in der Werbung die positiven Assoziationen von Versuchung hervorgerufen, die zum Kauf eines Produktes (meistens Süßwaren) veranlassen sollen. Versuchungen treten dabei mit Attributen wie süß, zart, klein, leicht, usw. auf, vgl.: zarte Versuchung, czekoladowa pokusa, sladké pokušenie.
Nicht zuletzt wird der Anreiz, auch die Harmlosigkeit der Versuchung in zahlreichen Aphorismen festgehalten, allen voran das Zitat aus dem Weltliteratur-Klassiker von Oscar Wilde: „The only way to get rid of a temptation is to yield to it. The only way to get rid of a temptation is to yield to it.“ (The Picture of Dorian Gray).