Autor/en | Otto, Berthold |
Titel | Gesamtunterricht als Grundlage der Zukunftsschule |
Ort | Berlin |
Datum | 1919.12.23 |
Zusatz | Aus: Vossische Zeitung |
Anmerkungen | Kurze Beschreibung der Berthold-Otto-Schule (-formale Bildung entsteht durch Muttersprache, -Ziel der Schulreform ist der innere Frieden des Volkes) .............................................................. [I.3.2.; formale Bildung] "Ich kam durch jahrelange sehr sorgfältige Untersuchung zu der Überzeugung, daß nicht die Erlernung und Betrachtung der fremden Sprache, sondern die dabei unvermeidlich nebenher betriebene Betrachtung des Baues der Sprache überhaupt an der eigenen Sprache das hervorbringt, was man formale Bildung nennt, das heißt die bewußte wissenschaftliche Betrachtung des eigenen Seelenlebens und des eigenen Willens; sofern sich beides auf die Sprache bezieht. Und ich fand weiter, daß diese wissenschaftliche Betrachtung der Sprache und des Seelenlebens unbedingt eine eben solche Betrachtung der äußeren Natur voraussetzt. Ich meine dabei aber nicht irgendwelche Anhäufungen von Einzelerkenntnissen, sondern die grundlegende Ordnung, wie sie etwa Kant in den Kategorien aufgestellt hat." .............................................................. "Erst dadurch, daß formale Bildung ausschließlich an der Muttersprache erworben werden kann, ist eine einheitliche Bildung des ganzen Volkes möglich." .............................................................. "Und da die grundlegende Ausgestalung des Denkens nicht, wie man noch meistens annimmt, nach der Geschlechtsreife, sondern unter allen Umständen vorher liegt, so kann und wird in Zukunft formale Bildung in jeder Dorfschule mit derselben und mit größerer Sicherheit erzielt werden als jetzt in den höheren Schulen der Städte. Und wenn man erst einmal das Wesen der Geistesbildung als Ausgestaltung und Erwachstum des natürlichen Denkens und zwar gerade seiner Grundrichtungen erkannt hat, dann fällt aller Zwang, bestimmte Fächer als bildungsnotwendig heranzuziehen, ohne weiteres weg." .............................................................. [I.2.3.; Volksorganisches Denken] "Und damit ist eine ungleich größere Sicherheit für die Einheit des Denkens gewonnen, als sie auch der sorgfältigst ausgeklügelte Plan an der Einheitsschule gewährleisten kann. Nun ist man denn in die glückliche Lage versetzt, jeden Schüler treiben und lernen zu lassen, was er will. Grade wenn man das tut, fügt jeder sich am leichtesten organisch in das Volksganze ein." .............................................................. [Zukunftsschule] "Bisher geben die Schulen abgestorbene und absterbende Wissenschaft, indem sie den Kindern gedruckt oder bestenfalls erzählend vorführen, was andere Leute gesehen, gehört, sonst wahrgenommen und in Worte gefaßt haben. Und so kommt es, daß seit vielen Jahrzehnten den Schulkindern immer das als höchste Wahrheit eingetrichtert wird, das wenn sie herangewachsen sind, schon wieder veraltet ist. In diesem Sinne sind alle bisherigen Schulen Vergangenheitsschulen. Das, was wir brauchen, ist die Zukunftsschule, die die Kinder nicht in irgend eine vergangene Kultur vorzugsweise einführt, sondern sie instand setzt, zukünftig an der Weiterführung der Kultur mitzuarbeiten." .............................................................. "Man sieht, daß der Unterschied von Lehrern und Schülern da eigentlich wegfällt, daß wir der Welt als Gesamtheit und zwar als Suchende und Forschende gegenüberstehen, die einander wechselseitig helfen, sich zurechtzufinden." .............................................................. "Dabei macht es sich nur geltend, daß die Unterrichtsweise des Gesamtunterrichts ohne weiteres auch in die Sonderfächer eindringt. Die Schüler sind auch da viel mehr gewohnt zu fragen als in allen anderen Lehrverfahren, und der Lehrer kommt ganz von selber dazu, sich von seinen eigenen Vorbereitungen und von seinen Lehrbüchern freizumachen und nach Möglichkeit den Gang einzuschlagen, der durch das natürliche Interesse der Kinder am Fach vorgeschrieben wird. Das geht überall, sowohl in den fremden Sprachen wie in Mathematik und in Naturwissenschaften." .............................................................. [Schulreform] "Und das wäre doch das Beste; denn schließlich ist letztes Ziel der ganzen Schulreform wie jeder Volkseinrichtung überhaupt doch der innere Friede des ganzen Volkes." |
Archiv | B.-O.-S./II/B/H/III/ |
Signatur | B.-O.-S./II/B/H/III/10 [47] |
Schlagworte | Berthold-Otto-Schule
Bildung Gesamtunterricht Prüfung Schulreform Unterricht Verfahren Volk Volksorganisch Volksorganisches Denken Zukunftsschule |
Abteilungen | 2 |