Anna Dorothea Therbusch
Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Laura Koepp
Jean-Baptiste Siménon Chardin, Antoine Pesne, Gerard ter Borch – viele Männer machten sich im 18. Jahrhundert in Europa mit ihrer Malerei einen Namen und sind bis heute bekannt. In der Berliner Gemäldegalerie, deren Direktorin seit 2021 die Kunsthistorikerin Dagmar Hirschfelder ist – die zweite Frau in diesem Amt seit ihrer Gründung im Jahr 1830 – wird zurzeit eine weibliche Künstlerin des 18. Jahrhundert präsentiert, die sich trotz vieler Hindernisse gegenüber ihren männlichen Zeitgenossen durchsetzen konnte und noch zu Lebzeiten erstaunlich erfolgreich war.
Rund dreißig Gemälde wurden zu einer kleinen, von der jungen Kunsthistorikerin Nuria Jetter kuratierten Sonderausstellung mit dem Titel Anna Dorothea Therbusch. Eine Berliner Künstlerin der Aufklärungszeit versammelt, um das 300-jährige Jubiläum der Berliner Malerin Anna Dorothea Therbusch (1721-1782) zu feiern. Die Künstlerin ist hier mit zwölf Gemälden vertreten, die sich in der Sammlung der Staatlichen Museen zu Berlin befinden. Sie wurden vergleichend neben Gemälde anderer Künstler*innen ihrer Zeit gehängt und können somit in ihren historischen, motivischen und künstlerischen Kontext eingeordnet werden.
Im Zentrum des Foyers der Gemäldegalerie wird auf einer großen digitalen Leinwand mit dem berühmten Selbstportrait Therbuschs auf die Sonderausstellung aufmerksam gemacht. Es zeigt die schon ältere Künstlerin mit einem auffälligen Augenglas über ihrem rechten Auge, das ihr als Hilfsmittel bei der künstlerischen Arbeit dient. Schwierig zu finden sind im Gegensatz zu dieser Ankündigung die Hinweise auf die Ausstellung in den Museumsräumen selbst. Nicht einmal auf dem Lageplan, der einem am Eingang in die Hand gedrückt wird, ist sie markiert. So irrt man eine Weile durch die großen Ausstellungsräume des Rundganges, bis man irgendwo zwischen holländischer Malerei des 17. und englischer Malerei des 18. Jahrhunderts auf den unscheinbaren Eingang zur Ausstellung trifft, die in zwei kleineren Räumen untergebracht ist.
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die künstlerische Entwicklung Therbuschs. Im ersten Raum informiert ein nicht zu langer Text auf einem schlichten Plakat über ihre Anfänge als Künstlerin. Sie stammte aus bescheidenen Verhältnissen, war Gastwirtsfrau und Mutter von fünf Kindern. Erst im Alter von 40 Jahren konnte sie ihre künstlerische Laufbahn ernsthaft beginnen. Therbusch kam aus einer Malerfamilie und lernte von ihrem Vater Georg Lisiewsky, aber auch durch Nachahmung – etwa des preußischen Hofmalers Antoine Pesne. Ihre selbstbewusste Kopie von Pesnes Porträt seiner Tochter aus dem Jahr 1745 im Vergleich mit ihrem eigenen Originalporträt von Henriette Herz aus dem Jahr 1778 macht deutlich, wie drastisch sich ihre Gemälde im Laufe ihres Lebens verbesserten. Die Falten der schimmernden Stoffe sind hier lebendig und fließend geworden.
Ein Vergleich von Therbuschs Gemälden mit anderen Werken des 18. Jahrhunderts zeigt, wie sie sich an der französischen und niederländischen Malerei ihrer Zeit orientierte. Sie malte Seide wie Gerard ter Borch und Stillleben im Stil von Jean-Baptiste Siméon Chardin oder den niederländischen Genremalern. Die Ausstellung weist zu Recht darauf hin, dass Therbusch deren Werke vermutlich kannte und studierte und verdeutlicht damit ihren Lernprozess, versucht aber nicht, eine direkte Linie von bestimmten Werken oder Künstlern zu Therbuschs eigenen Werken zu ziehen, sondern stellt sie als einzigartig heraus. Im Zentrum des ersten Raumes steht das schon genannte Selbstbildnis Therbuschs, das sie wenige Tage vor ihrem Tod vollendete. Sie zeigt sich darin in einem metallisch schimmernden Kleid, mit einem aufgeschlagenen Buch in der Hand und durch ein Augenglas blickend als selbstbewusste, scharfsinnige, aufgeklärte Gelehrte.
Einen Schwerpunkt im zweiten Raum der Ausstellung bilden Therbuschs Reisen und ihre Aufnahme in die Pariser Académie Royale de Peinture et de Sculpture, die damals eine Obergrenze von vier weiblichen Mitgliedern festsetzte. In Deutschland dauerte es noch fast zwei Jahrhunderte, bis Frauen in der Weimarer Republik an staatlichen Kunstakademien studieren durften. Mit ihrer Aufnahme in die berühmte Pariser Akademie im Jahr 1767 erlangte Therbusch schnell großen Erfolg und sie malte an zahlreichen Höfen in ganz Westeuropa. Sie begeisterte ihre Auftraggeber mit Portraits und den preußischen König Friedrich II. mit mythologischen Historiendarstellungen. Als „Künstlerin der Aufklärungszeit“, wie es im Titel der Ausstellung heißt, setzte sich Therbusch gegen alle Hindernisse ihrer Zeit als Frau durch und schlug eine „typisch männliche“ Karriere ein.
Die Ausstellung zeigt auch Werke anderer Malerinnen des 18. Jahrhunderts, die deutlich machen, dass es zwar wenige, aber begabte und durchaus erfolgreiche Künstlerinnen gegeben hat. Angelika Kauff-mann etwa war Mitbegründerin der Londoner Akademie, etwa zur gleichen Zeit, als Therbusch in die Pariser Akademie eintrat und Elisabeth Vigée-Lebrun malte ebenso Familienporträts für europäische Höfe. Besonders stechen die schönen Stillleben von Anne Vallayer-Coster heraus, die wie Therbusch in Paris malte.
Die Ausstellung hinterlässt den Wunsch, mehr über solche Künstlerinnen und Anna Dorothea Therbusch zu erfahren. So ist es schade, dass sie nicht von einer Publikation, ja nicht einmal von einem Flyer begleitet wird. Das Einzige, was im Museumshop über die Künstlerin zu finden ist, ist ein historischer Roman über Therbuschs Leben: Die Portraitmalerin von Cornelia Naumann.
Am 23. Juli 2021 feierten Künstlerinnen des Aktionsbündnisses faire share! Sichtbarkeit von Künstlerinnen auf der Museumsinsel Therbuschs 300. Geburtstag. Sie wollten damit ihr Leben und ihr Werk in Erinnerung rufen und darauf aufmerksam machen, dass eine zu Lebzeiten berühmte Künstlerin im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen von der Kunstgeschichte und dem Museumsbetrieb bis heute weitgehend unbeachtet geblieben ist. Den Aktivistinnen schwebte zwar ein größerer, repräsentativerer Auftritt von Therbuschs Œuvre vor, aber die aktuelle Ausstellung in der Gemäldegalerie ist doch ein wichtiger Schritt, um die Malerin wieder ins kollektive Gedächtnis zu rücken.
Anna Dorothea Therbusch. Eine Berliner Künstlerin der Aufklärungszeit
03.12.2021 – 10.04.2022
Gemäldegalerie
Matthäikirchplatz
10785 Berlin
https://www.smb.museum/ausstellungen/detail/anna-dorothea-therbusch/