Alexandre Singh – The School for Objects Criticized AE
Sprüth Magers, Berlin
Björn Swoboda
Eine kalte Stahltreppe windet sich in den zweiten Stock empor. Industriell, clean und schick. Oben angekommen befindet man sich im Eingangsfoyer. Ein dunkles schwarzes Loch tut sich in der Wand auf, der Eingang zu Alexandre Singh´s Arbeit The School for Objects Criticized AE. Beim Eintreten schockiert zunächst die vollkommene Dunkelheit, die im Fortschreiten in einem sich auftuenden Raum endet. Es ist scheinbar ein Raum im Raum. Man ist weit weg von dem kühlen Stahl und dem blanken Holz der Galerie Sprüth Magers und befindet sich nun inmitten eines stark akustisch gedämpften, dunklen Raumes. Es gibt kein Tageslicht, lediglich dramatisch ausgeleuchtete Podeste, auf denen Figuren zu sehen sind. Man ist um so mehr schockiert, enttäuscht und interessiert wenn man feststellt, dass es sich bei den Objekten um eine Flasche Chlorbleiche, einen Toaster, zwei Kassettenrecorder, eine derivative abstrakte Skulptur, ein ausgestopftes Stinktier und ein Slinky-Spielzeug handelt. Es zeugt von einer Szenerie ähnlich dem eines Museums, wo wertvolle historische Plastiken, mit speziell ausgerichteten Spots, ausgeleuchtet werden.
Mit Erstaunen stellt man fest, dass es sich bei der Ausstellung nicht nur um eine Anordnung eklektischer Objekte handelt, sondern viel mehr um ein technisch aufwendig produziertes Hörspieltheater. Der mit Lautsprechern ausgestattete Raum und eine abgespielte Tonspur vermitteln den Eindruck, als würden die Objekte tatsächlich zum Leben erwachen, denn immer zur vollen Stunde starten die Gegenstände eine rege Diskussion miteinander. Der Zuschauer wird somit nach und nach zu einem Zuhörer. Im Fortlaufen des Gesprächs verdeutlicht sich, dass diese Objekte nicht nur für sich sprechen können, sondern auch dramatisch fein konturierte Charaktere haben und faszinierende Beziehungen zueinander führen. Exaltiert unterhalten sie sich über Kunst und Kunstkritik, über Kreationsprozesse und Massenproduktion, über Gott und das Leben, Sex und Tod. Dabei kommen sie immer wieder auf die Installation eines Künstlers namens Alexander Singh (der Künstler der Ausstellung) zurück, die sie kürzlich gesehen haben. Die Ähnlichkeit dieser Installation mit ihrer eigenen Konstellation fällt den Objekt-Figuren zwar auf, führt dabei aber nicht zur Einsicht, dass sie tatsächlich über sich selbst sprechen.
Immer wenn ein Charakter die Szene im Hörspieltheater betritt, wird der Sockel, auf dem der Gegenstand steht, der diese Figur verkörpert, mit einem Scheinwerfer beleuchtet. Hinzu kommen elaborierte Soundeffekte die in Verbindung mit verschiedenen Stufen der Beleuchtungsintensität dazu führen, dass die einzelnen Objekt-Figuren regelrecht zum Leben erwachen. Ab diesem Zeitpunkt fängt man an zu erkennen, welch technische Raffinesse der zunächst simpel anmutenden Installation inhärent ist. Was Alexander Singhs widersprüchlichen Einzelteile jedoch verbindet, ist eine ungewöhnliche und packende Narration. Hierbei verknüpft er handwerkliche Raffinesse im Umgang mit einer Vielzahl an Medien mit einem einzigartigen Ideen- und Erzählkonstrukt. Dieses wiederum beruht auf assoziativen Sprüngen und nimmt den Zuhörer mit auf fabulöse und brillante Umwege, welche oft erst unerwartet und plötzlich Sinn ergeben.
Im folgenden ist ein kurzer Auszug des 50 minütigen Stückes aufgeführt um zu verdeutlichen wie die Objektebene performativ wird. Hierbei unterhalten sich drei der Gegenstände: Osmond und Lucian, die beiden Kassettenrecorder und Penny, die derivative abstrakte Skulptur. Die Kassettenrecorder setzen gerade an der derivativ abstrakten Figur eine eben besuchte Kunstausstellung näher zu bringen. Sie sind sich jedoch uneinig über deren Wert und es ähnelt eher einem Streitgespräch. Besonders gut sind hierbei die assoziativen Sprünge im Gesprächsverlauf zu erkennen.
Lucian: Well I don’t know about all that … but the cause of our disagreement is to do with a certain art exhibition.
Osmond: Uaarrgghh
Lucian: Ohhh you let me finish! It´s an exhibition that is up at the moment about which we happen to have … contradictory opinions.
Osmond: My dear Lucian … you are the master of understatement.
Penny: Ohh please do tell my about it. Should I have seen it? I promise myself to try and keep up on these things. I must be Daphne´s eyes and ears if I am to do my job properly. She says: a good assistant should be everywhere and be seen by everything. Should talk to no one and remember nothing! Oh wait … I don’t think thats right.
Osmond: Very well Penny, if it is instruction that you inquire I am happy to engage my pedagogical faculties. Shall I describe this exhibition to you?
Penny: Ohh yes please! Please do. I am all ears.
Osmond: Very well. Where to start? Hmm .. ok here it goes: Its one of the most … self-indulgent, outmoded, ..
Lucian: Osmond!!!
Osmond: Ahhh let me finish! Boorish, pretentious, affected pieces of clap chat I have laid my eyes on since ..
Lucian: Since you last left your house.
Osmond: .. in weeks my friend. Perhaps even months.
Penny: Hooohh, well now I have to see it!
Osmond: Penny, my dear you must do no such thing. A young, unformed sculpture such as yourself, shouldn’t spend her precious time you have on anything but the very greatest culture. Such tasteles drivel could leave terrible stains on your surfaces and cause you to grow into awkward and unpleasant shapes. And we wouldn’t want that!
Besonders auffällig ist die äußert starke Form des Performativen. Singh ist offensichtlich daran interessiert einen Schwerpunktwechsel vom Kunst-Objekt zum Prozess, zur Performancekunst sichtbar zu machen. Hierbei erinnert die gesamte Installation unmittelbar an ein aufgeführtes Theaterstück. Die Exaltation des Dialogs, die Neigung der Figuren in Paradoxien zu sprechen, die Dramaturgie und das rasante Tempo lassen daran keinen Zweifel und so lässt sich The School for Objects Criticized AE als eine zeitgenössische Comedy of Manners beschreiben. Dreh- und Angelpunkt dieser Comedy of Manners sind die Kunstwelt und ihre Konventionen. So analysiert Singh die feinen anti-intellektuellen und neo-marxistischen Strömungen der Kunstszene, ihre ambivalenten Machtstrukturen, ihre bürgerliche Sattheit und ihren manchmal luftleeren Ehrgeiz. Die Einflussgeber kommen offensichtlich aus einem weit gestreuten Feld der Literatur, des Theaters, der Philosophie, der Naturwissenschaft und der Geschichte und genau dies führt dazu, dass die Kunst auf unerwartete Weise für fremde Wissens- und Erfahrungssysteme geöffnet wird.
Insgesamt überzeugt The School for Objects Criticized AE. Die Arbeit vermag es den Zuschauer – oder auch nur Zuhörer – auf einen wilden assoziativen Diskurs mitzunehmen und verschiedenste Bereiche innerhalb der Felder der Kunst- und Kulturkritik in einer zeitgeistigen Auseinandersetzung zusammenzuführen.
Alexandre Singh - The School for Objects Criticized AE
30.04.2016 bis 25.06.2016
Sprüth Magers, Berlin
Oranienburger Straße 18
10178 Berlin
www.spruethmagers.com