Johann Erdmann Hummel – Magische Spiegelungen
Alte Nationalgalerie, Berlin
Antonia Feige
Der imposante Eingang der Alten Nationalgalerie in Berlin erweckt immer wieder Staunen der Personen, die das Museum für eine neue Ausstellung besuchen. Nicht nur der rote Teppich, der über die Steintreppen führt, sondern auch die hohen Säulen und die mit Stuck verzierten Steinwände lassen die Eingangshalle glanzvoll und eindrucksvoll wirken. In dieser befinden sich ebenso Informationen über kommende und laufende Ausstellungen.
Da in der Alten Nationalgalerie mehrere Ausstellungen gleichzeitig stattfinden, ist die Wahl nach letzterer nicht auf eine einzige beschränkt. Doch eine Ausstellung erweckte ein besonderes Interesse: „Magische Spiegelungen“, die vom 22.10.2021-20.02.2022 gezeigt wird - präsentiert von Johann Erdmann Hummel gemalte Bilder, Skizzen und Portraits auf der dritten Etage der Nationalgalerie. Bevor man die Ausstellung überhaupt betritt, trifft man im Vorraum auf ein zum Thema der Ausstellung passendes Objekt: Ein großer fünf-eckiger Klotz, der von Spiegel umhüllt ist und in der Mitte des Raumes steht, spiegelt den gesamten Vorraum und leitet somit schon einmal das Thema der gesamten Ausstellung ein. Die eigenständig im Raum stehende künstlerische Installation, leitet das Thema zwar ein, verrät dennoch nicht zu viel, so dass man die nächsten Räume mit Neugierde betritt. An den gegenüberliegenden hohen Steinwänden sind gigantische Plakate mit biographischen Hintergründen des Malers befestigt. Der Vorraum bildet also eine passende Einleitung bezüglich des Themas der Spiegelungen und liefert ebenso schon einmal biographische und malerische Hintergrundinformationen zum Künstler. Auch im ausführlichen Ausstellungskatalog wird die Möglichkeit gegeben, sich über den Maler zu belesen: „Johann Erdmann Hummels künstlerisches Schaffen war in seiner Zeit einzigartig. Nüchterne Sachlichkeit einerseits und eine bis ins transzendente gehende Detailfreudigkeit andererseits zeichnen sein Werk aus. Kein anderer zeitgenössischer Künstler hatten raffinierten Spiegelungen, räumlichen Verschachtelungen und magischen Beleuchtungen ein solches Interesse entgegengebracht wie Hummel.“ Im ersten Ausstellungsraum erkennt man sofort jene ,raffinierten Spiegelungen’. Motive wie Glocken und Brunnen weise Spiegelungen auf ihren glatten Oberflächen auf, das Gemälde wirkt dadurch noch realistischer. Sie wirken gar überrealistisch und beeindrucken durch ihre zeichnerische Klarheit. Johann Erdmann Hummel erhielt 1809 eine Professur für Perspektive, Optik und Architektur an der Berliner Akademie der Künste. Die Perspektive verändert sich von Werk zu Werk: Mal steht man als Betrachter weiter weg vom Geschehen und mal erscheinen Personen, Objekte oder die Natur enorm nah und groß. Das Spiel mit Licht und Spiegelungen spielt da- bei eine relevante Rolle, denn diese kreieren die Raumverhältnisse im Bild. Die Thematik der Werke erstreckt sich auch auf Naturbilder, in denen nicht nur das Licht eine zentrale Rolle erhält, das sich über Regenbögen, Sonnen-und Mondstrahlen erkennen lässt, sondern auch Spiegelungen, die sich -manchmal mehr oder weniger auffällig - in Flüssen oder Seen erkennen lassen. Des Weiteren zeigt der Maler überwiegend Architektur, unter anderem Häuser und Innenräume. In den Innenräumen, in denen sich meist auch Personen befinden, lassen sich Spiegelungen ausmachen, die entweder über einen Spiegel oder über Fenster bei Nacht entstehen. Manche Spiegelungen in den Räumen sind so realistisch gezeichnet, dass man sie erst nach genauem und wiederholtem Hinschauen entdecken kann:
Die Zeichnungen der Spiegelungen ordnen sich fehlerlos in die Licht-und Raumverhältnisse ein, so dass sie sich in das Bild einbetten und unauffällig erscheinen. Dennoch bleiben diese vor dem Betrachter nicht vollends versteckt und unentdeckt: Das Rätselhafte in den Gemälden spornt den Betrachter dazu an, neues zu sichten und Spiegelungen zu finden.
In weiteren Ausstellungsräumen befinden sich ebenso Skizzen, die die Entwicklung einzelner Werke darstellen sollen. Dies ist äußerst interessant, jedoch aus rezeptionsästhetischer Perspektive etwas unvorteilhaft kuriert. Da manche Gemälde in anderen Räumen gezeigt werden, durch welche der Betrachter schon gegangen ist, wird der Bezug zu dem endgültigen ausgestellten Werk und dem der Skizzen unterbrochen. Als Betrachter kann man den gewünschten Effekt des Werdegangs von der Skizze zum vollendeten Werk, nicht komplett nachvollziehen.
Die Ausstellung liefert sowohl Einblicke in Johann Erdmann Hummels Leben als auch Eindrücke seines künstlerischen Schaffens. Die Thematik der Ausstellung wird durch spezifisch ausgewählten Gemälden von Hummel umgesetzt und präsentiert. Das rätselhafte Suchen nach Spiegelungen und die schönen Lichter-und Naturdarstellungen zeigen seine facettenreiche und überaus realistische Malerei. Das Magische in seinen Bildern, das sich auch im Titel der Ausstellung „Magische Spiegelungen“ wiederfindet, wird also zum einen durch die Naturmotive (der Regenbogen, Sonne, Mond und Wälder) als auch durch die versteckten, immer wieder auftretenden Spiegelungen (durch Spiegel, Gewässer und Fenster) bewirkt.
Ein Durchgang der gesamten Ausstellung dauert höchstens dreißig Minuten. Ein Besuch ist sehr lohnenswert, da man in den kurzen dreißig Minuten auch viel entdecken kann: Das Magische in den Portraits, Skizzen und anderen Gemälden erkennt man anhand verschiedener Motive und des überraschenden Auffinden von Spiegelungen in ihnen. Das Magische entsteht also sowohl in den Gemälden als auch bei dem Betrachter selbst: Die magischen Spiegelungen und das Suchen nach ihnen versetzt den Besucher der Ausstellung nicht in eine bloße passive Rolle eines anwesenden Betrachters, sondern bewirkt stattdessen Interaktion mit den Gemälden.
Johann Erdmann Hummel - Magische Spiegelungen
22.10.2021 bis 20.02.2022
Alte Nationalgalerie
Bodestraße 1-3
10178 Berlin