Dauerausstellung Ein Haus für Kunst, Mode und Design im Kunstgewerbemuseum Berlin
Johanna Bär
Das Kunstgewerbemuseum in Berlin beschäftigt sich in einem eigenen Sammlungsschwerpunkt mit dem Thema Mode. 130 Exponate dieser Sammlung lassen sich seit 2014 in einer Dauerausstellung betrachten. Die galerieartige Schaureihung ermöglicht ein Flanieren durch die letzten 300 Jahre europäischen Stilempfindens.
Das Kunstgewerbemuseum lädt zu einem besonderen Schaufensterbummel ein. Im Ausstellungsbereich Mode lassen sich in geräumigen Vitrinen gut 130 Kostüme und Accessoires bestaunen. Was fehlt, sind scheinbar nur noch die Preisschilder. Stattdessen geben kleine Tafeln Auskunft über Art des Kleidungsstücks, Material und Entstehungszeit. Eine schlicht und dunkel gehaltene Raumstruktur leitet durch lange Korridore entlang der galeriehaften Vitrinenreihung. Gefüllt sind diese mit einzelnen Exponaten oder Ensembles des Barock bis heute. Unterteilt in fünf Epochen, lässt sich hier durch die letzten 300 Jahre der Modeentwicklung, zumindest der aristokratischen, spazieren.
Bis auf ausgewählte Fotografien und knappe Einleitungstexte sprechen die Dinge in dieser Ausstellung für sich selbst. Es wird darauf verzichtet, sie in ihrem jeweiligen Kontext zu inszenieren. Auf handgefertigten, farblosen Schneiderpuppen findet vom üppigen Barocktüll bis zum koketten kleinen Schwarzen einiges zusammen. So zum Beispiel ein umständlich-ausladendes Kleid des späten 17. Jahrhunderts, laut Beschreibung ein „informelles Hauskleid“. Hier etwa fragt sich der/ die Betrachtende, welche Ansprüche wir heute an unsere Garderobe stellen. Wie viele der Objekte stammt das Kleid aus der Sammlung Kamer/ Ruf, mit deren Ankauf sich das Museum im Jahre 2003 für einen neuen Schwerpunkt entschieden hat. Die Sammlung besteht aus Haute Couture, Coutierschöpfungen und vornehmen Schnitten wie Stoffen – von Subkulturen oder Gegenwelten keine Spur. Dass sich politische und soziale Veränderungen in Moden und Ästhetikideen spiegeln, scheint vorausgesetzt, auf eine umfassende historische Belehrung wird hingegen verzichtet.
Sensible Materialien nötigen nun zu besonderem Präsentationsaufwand: Möglichst dunkel und staubgeschützt, bestenfalls wechselnde Exponatensembles, so der Anspruch. Was daraus folgt ist eine Distanz und Unnahbarkeit, die sich aus den großen Vitrinenscheiben speist, die zwischen Werke und Besuchende treten. Recht asketisch und steif kommt die Inszenierung auf den ersten Blick daher. Die serielle und reine Präsentationsform scheint sich bewusst gegen sonst so häufig aufgeladene Emotionsobjekte auszusprechen[1]. Wer immer Versace, Chanel und Co. getragen hat und zu welchem Anlass – es findet hier keine Erwähnung. Die Exponate kommunizieren über ihren Singularitätsanspruch, über ihre Materie, über ihre Form. Der jeweilige historische Lifestyle ist der Phantasie der Besuchenden überlassen. Und hierin liegt schließlich das inspirative Potential, das es rechtfertigt, den Werken einen eigenen Kommunikationsrahmen zu verschaffen.
Die Präsentationsform intendiert darüber hinaus eine Konsumanalogie, die die Exponate aus ihrem klassischen Museumsdasein herauszulocken scheint. Anders aber als im Einkaufszentrum, lässt sich nicht mit den Objekten in Kontakt treten. Gerade Kleidung, so ließe sich argumentieren, birgt Aspekte der Berührung, des Gefühls, des Gewichtes von Stoffen, des Faltenwurfes. Die Ausstellung MODE funktioniert indes weitestgehend visuell. Es wird das vergleichende Sehen animiert und die Narration erfolgt anhand der Objekte selbst. Es werden keine auditiven oder haptischen Reize adressiert, eine Anprobe von Repliken ist nicht möglich.
Sollten Museen eine ideengeschichtliche Annährung erleichtern wollen; die Distanz scheint in diesem Falle ungebrochen. Ein Medienraum, zurzeit nicht zugänglich, bietet einen Film zum Thema Mode und Textilrestauration. Wenn der Katalog also „ein[en] Ort, an dem Modegeschichte vielfältig erlebbar ist“[2] verspricht, so lässt sich fragen, was den Erlebnischarakter an dieser Stelle ausmachen soll. Keine Interaktion, keine virtuelle Anprobe, kein didaktisch abverlangendes Konzept. Evidenzen scheinen nicht überworfen[3], es werden kaum kritische Reaktionen provoziert und die Ausstellung entbehrt einer Selbstreflektion. Durch das Glas ergibt sich eine seltsame Distanz zu den Werken und die asketische Visualisierungsform zieht sich auch durch die Kunstschatz- und Designabteilungen des Kunstgewerbemuseums. Mehr ein stilles Zeigen, denn ein Ausdeuten der Werke findet hier Realisierung. Brüche im eigenen Denken oder innovative Fragestellungen erwartet Interessent_Innen weniger, als vielmehr eine belegende Präsentation der Belle Époque bis in die 2000er. Entgegen manch klassisch-ödem Museumstext aber wird so auch auf nur eine vorgegebene Lesart verzichtet. Die Leerstellen lassen sich als Anstoß verstehen, eigene Fragen an die Exponate zu erdenken, nach dem Anderen oder nach Abwesenheiten zu fragen. Und so ermöglicht das Konzept den Besuchenden, ihre eigene Ausstellungserfahrung zu gestalten.
Mit 10.000 Besucher_Innen 2014[4] zählt das Kunstgewerbemuseum im Berliner Vergleich zu den weniger frequentierten Einrichtungen. An einem Dienstagnachmittag im Mai durchwandeln drei weitere Besucher_Innen die Modesammlung, das Personal ist deutlich in der Überzahl. Beim Verlassen des Gebäudes findet sich gerade eine Seniorengruppe davor ein. Wenn Mode gleich Wandel ist, dann stellt sich die Frage: Wann wandelt sich der Museumsbetrieb?
[1] Vgl. bspw. die Ausstellungsidee Treasured Posessions, unter: http://www.fitzmuseum.cam.ac.uk/gallery/treasuredpossessions/, zuletzt geprüft am 26.05.2016
[2] Vgl. Waidenschlager, Christine: Mode. Kunst. Werke. 1715 bis heute. Kunstgewerbemuseum – Staatliche Museen zu Berlin 2014.
[3] Wie z.B. von Daniel Tyradelis gefordert. Vgl. Tyradelis, Daniel: Müde Museen. Oder: Wie Ausstellungen unser Denken verändern könnten, Hamburg 2014, S. 151.
[4] Vgl. http://www.preussischer-kulturbesitz.de/fileadmin/user_upload/documents/presse/pressemitteilungen/2015/150128_JPK_02_Anhang-Zahlen.pdf, zuletzt geprüft am 02.06.2016.
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Ein Haus für Kunst, Mode und Design
Kunstgewerbemuseum
Matthäikirchplatz
10785 Berlin