Love Around The World
f3 freiraum für fotografie
Miriam Thandiwe Shawa
Ich fahre mit der U8 nach Mitte, genauer gesagt zum Moritzplatz. Die Bahn ist voll, ich habe mir natürlich die perfekte Uhrzeit ausgesucht, um mit den Öffentlichen zu fahren. Am Bahnhof angekommen bewege ich mich, dank Google Maps, zielsicher zur Waldemarstraße 17, wo mich eine Ausstellung der Liebe erwarten soll. Das Gebäude ist auf den ersten Blick unscheinbar und zunächst erkenne ich überhaupt nicht, wo die Ausstellung sein soll. Auf dem Klingelschild sehe ich dann f3-Freiraum für Fotografie. Etwas verwirrt von der sehr privat wirkenden Aufmachung, warte ich auf den Buzzer. Eine junge Frau öffnet hinten im Flur die Tür und gibt mir über die Gegensprechanlage sehr freundlich zu verstehen, dass ich für die Ausstellung doch bitte den Haupteingang benutzen soll, der um die Ecke zu finden ist. Etwas beschämt erkenne ich nach zwei Schritten, dass meine erste Annahme des Unscheinbaren allein meiner Perspektive zu verschulden ist. Ein großes Banner mit dem Namen des Ausstellungsortes und mit großen Plakaten versehene Schaufenster, die den Titel der aktuellen Ausstellung „Love around the world“ tragen, bestätigen mich in meinem Irrtum. Die Galerieaufsicht begrüßt mich freundlich, ich bezahle 3 Euro für den Eintritt und werde in die Ausstellung entlassen. Es gibt keinen bestimmten Anfang, also entscheide ich mich spontan für das Werk, das mir am nächsten ist.
Das Konzept ist simpel. Das Fotografenpaar Andela und Davor Rostuhar aus Kroatien entschied sich nach ihrer Verlobung ein Jahr lang um die Welt zu reisen und dabei die Liebe in all ihren Formen zu fotografieren. Auf fünf Kontinenten und dreißig Ländern führten die beiden über 120 Interviews und trugen diese Ergebnisse dann in Form einer Fotoausstellung zusammen. Das sind alle Informationen, die man als BesucherIn über den Verlauf der Besichtigung erhält.
Beim Betrachten der Werke wird schnell deutlich welches Format hier gewählt wurde und sich einheitlich durch die Ausstellung zieht. Zu jeder Fotografie der Paare oder Beziehungskonstellationen gibt es einen sehr kurz gehaltenen Text zu Namen, Alter und Herkunft der Personen. Außerdem wird in jeder dieser kleinen Beschreibungen ein Zitat zum Thema Liebe von den Portraitierten festgehalten.
Beim langsamen Durcharbeiten der verschiedenen Geschichten beschäftigen mich zwei Dinge am meisten. Zum einen entwickelt sich das Verlangen, mehr über diese Personen und ihre Geschichten zu erfahren, und zum anderen der Wunsch nach Kontextualisierung. Einige dieser Beziehungen sind aus Zwang entstanden oder haben zumindest so begonnen. Insbesondere die Geschichte von Judiah beschäftigt mich. Judiah ist 24 Jahre alt, kommt aus Kenia und gehört dem Samburu Stamm an. Als sie mit einem 50 Jahre alten Mann verheiratet werden sollte, halfen ihr Freunde zu fliehen, und zwar in ein Dorf in dem nur Frauen leben dürfen. Sie erzählt, dass die Ehe ein Alptraum ist und sie keine Lust hat, jemals zu heiraten. Vielleicht ist es die Gemeinsamkeit unseres Alters, vielleicht auch noch mehr, aber in jedem Fall erinnert es mich wieder daran, wie unterschiedlich die Lebens- und Liebesrealitäten auf der Welt aussehen.
In den Beschreibungen wird konsequent wertende Sprache vermieden. Einige Aussagen, insbesondere von Männern, hätte ich sehr gerne kommentiert gesehen, aber das würde den Interpretationsspielraum wahrscheinlich eindämmen. Die Intention dessen ist klar. Die Werke sollen für sich wirken und das Gefühl vermitteln, als würden die fotografierten Personen direkt mit den BesucherInnen kommunizieren. Ich verstehe den Ansatz und trotzdem verlässt mich das Gefühl nicht, dass da etwas auf dem Weg verloren gegangen sein könnte.
Die Darstellungen sind vielfältig. Monogamie, Polygamie, Polyandrie, gleichgeschlechtliche Liebe und klassische Heterokonstellationen. Es ist schön und macht Spaß, sich mit so viel Liebe zu umgeben. Im Letzten der drei Räume kann man sich einen Interviewzusammenschnitt anschauen. Mit passender Musik unterlegt, gibt es Filmaufnahmen der Orte und wunderschönen Natur in Kombination mit den verschiedenen Beziehungen, die man jetzt in bewegten Bildern erleben darf. Ich merke, wie ich auf einmal emotional werde und mir die Tränen verkneifen muss. Ich bin etwas überrascht von meiner Reaktion auf die Aufnahmen, aber sehe es als positiv, dass die Ausstellung das geschafft hat.
Ich verlasse die Ausstellung mit einem Gefühl aus Zufriedenheit, dem Gedanken, was für ein absurder Ort unsere Welt eigentlich ist, und dem Bedürfnis, jemandem von der Ausstellung zu erzählen.