Peter Miller – Dear Photography
C/O Berlin
Marike Blum
Burnt Hole Sun VIII, 2016 . Courtesy Galerie Crone Berlin/Wien © Peter Miller. VG-Bildkunst, Bonn 2021
Als wir den ersten Raum der Ausstellung „Dear Photography“ im oberen Geschoss des C/O Berlin betreten, finden wir uns zwischen bunten Farben und rasant schnell wechselnden Bildern wieder. Bei einigen der hier zu sehenden Werke könnte man sich beinahe fragen, was diese überhaupt mit dem Thema Fotografie zu tun haben, da die Verbindung hierzu auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist.
Die Werke des amerikanischen Künstlers Peter Miller, die in dieser Ausstellung vom 11.09. bis zum 03.12.2021 zu sehen sind, vermitteln eine ganz unkonventionelle Art, die Welt durch eine Fotolinse zu betrachten. Gleich zu Beginn wird in dem zweiseitiges Begleitheft betont, dass sich in vielen von Millers ausgestellten Werken sein Kindheitswunsch, ein Zauberer sein zu können noch immer bemerkbar macht. Hierbei setzt sich Miller mit der Geschichte der technischen Medien und deren Bausteine, wie zum Beispiel Licht und Chemie auseinander.
Miller lebt mittlerweile in Essen und Paris, während seine Werke auch international ausgestellt werden. Er nutzt im Gegensatz zu den meisten anderen Fotografen seiner Zeit eine analoge Kamera. Neben seiner Fotografien gestaltet Miller auch Skulpturen und Installationen.[1]
Besonders auffällig begegnen einem zu Beginn der Ausstellung Fotografien von Sonnenuntergängen in schwarz-weiß, die Miller fotografierte. An dem Platz der hier vermeintlichen Sonne ist ein Loch auf den Postkarten zu sehen. Bei genauerem Hinsehen ist schnell zu erkennen, dass es sich um ein Brandloch handelt: Miller stellt hier eine Analogie zwischen einer Fotolinse und der Sonne her. Fotolinsen können, wie in dem Begleitheft erklärt, Licht bündeln und somit die Energiedichte des Lichtes so weit erhören, dass Papier verbrannt werden kann.[2]
Auf einer anderen Wand des Raumes bilden schnell wechselnde, bunte Bilder weiterer Sonnenuntergänge ab: gegenüber steht eine Kamera im Raum, die den Film für diese Bildern abspielt. Hinter diesem Ausstellungsstück steckt ein weiters technisches Phänomen, auf das Miller anspielen will. Miller benutzte ca. 10.000 Fotos eines Sonnenuntergangs aus dem Internet und ordnete diese so an, dass die Abfolge dieser Bilder beim Abspielen für das menschlichen Auge wie ein einheitlicher Film wirken. Die Zuschauer*innen nehmen die zusammengesetzten Fotos (diesen vermeintlichen Film) dennoch als einzelne, schnell hintereinander ablaufende Fotos war, sodass der sogenannte Flicker-Effekt entsteht, da der Wechsel zwischen den Bildern nicht kurz genug ist, um für die Betrachter*innen eine Scheinbewegung darzustellen. [3]
Doch die Ausstellung hält nicht nur interessante Werke zu technischen Effekten bereit. In einem weiteren Teil der Ausstellung wird ein von Miller veränderter Fotoautomat präsentiert, dessen Linse sich mehrfach spiegelt und so ein Foto von einem außenliegenden Bereich schießt. Die Zuschauer*innen können hier Teil eines Werks von Miller werden, indem sie den Fotoautomat betätigen und sich innerhalb des markierten Feldes fotografieren lassen.
In den folgenden Räumen der Ausstellung sind weitere Kunstwerke zu sehen, die meistens auf ihre Art und Weise das Produkt einer etwas ausgefallenen Fototechnik sind. Oft lässt Miller einen entscheidenden Schritt bei der Entwicklung von Fotos einfach weg oder experimentiert mit diesem.
Einige Motive, die Miller mehrfach in seine Fotografie aufnimmt, findet man an verschiedenen Stellen der Ausstellung wieder. Beispielsweise spielt Miller in verschiedenen, hier ausgestellten Fotografien auf ein älteres Werk von Muybridge an, in dem der Bewegungsablauf eines Pferdes fotografiert wurde. Miller bezieht sich hier auf die Relevanz dieses Werkes für die Foto- und Mediengeschichte, welches wichtige Impulse für die Entwicklung des Bewegtbildes lieferte. Millers Referenzen zu verschiedenen bedeutenden Werken der Vergangenheit können als Liebesbrief an die Fotografie(-geschichte) verstanden werden: passend zu dem Ausstellungstitel “Dear Photography”.[4]
Millers Werke werden in einem schlichten Umfeld präsentiert. Neutrale Farben an Wand und Boden im Zusammenspiel mit einem relativ hellen Licht sorgen dafür, dass der Fokus vollkommen auf den Exponaten liegt. Auch unter den Werken ist keine ausschweifende Beschreibung von Millers Werken, sondern nur der Name dessen zu sehen.
Da die abstrakten Formen der Fotografie, die präsentiert werden, nicht gerade selbsterklärend sind, begleitet der kleine, faltbare Katalog die Besucher*innen durch die Ausstellungen, in dem er zu jedem Ausstellungsstück eine knapp formulierte Erklärung bereithält. Möchte man die Werke ohne weitere Informationen auf sich wirken lassen und den großen Interpretationsspielraum nutzen, ist auch dies möglich, in dem man den Katalog weglegt.
Eine Besonderheit stellt außerdem eine Erweiterung des „normalen“ Ausstellungskataloges da. Explizit für Kinder wurde ein kreativer Katalog mit Millers Werken zu Fantasielandschaften ausgegeben, der zum selbst experimentieren anregen soll. Trotz dieses abwechslungsreichen Angebots waren keine anderen Besucher*innen in der Ausstellung aufzufinden.
Abschließend betrachtet ist die übersichtliche Ausstellung mit 28 Stücken eine Möglichkeit, die Fotografie aus neuen Perspektiven zu sehen und regt zum Nachdenken über konventionelle Techniken an. Durch diesen besonderen Reiz ist ein Besuch dieser Ausstellung mit Sicherheit nie langweilig. Als ich persönlich am Ende der Ausstellung angelangt bin, begegnet mir ein Einleitungstext zu Millers Leben und Werken. In diesem Moment wird mir klar, dass wir die Ausstellung genau in der entgegengesetzten Reihenfolge, also „falschherum“ gefolgt sein müssen. Da die Werke jedoch einzeln für sich wirken und nur der Einleitungstext auf den „Beginn“ der Ausstellung hinweist, ist dies wohl kein Problem gewesen, sondern nur die Eröffnung einer weiteren, neuen Perspektive.
[1] Vgl. Schönegg, Kathrin: Dear Photography. In: Schönegg, Kathrin (Hg.): Dear Photography. Peter Miller. Werkbeschreibungen. Ausst.-Katalog, Berlin, 11.09.-03.02.2021, S. 1.
[2] Vgl. ebd., S. 1.
[3] Vgl. Schönegg, Kathrin: Dear Photography. In: Schönegg, Kathrin (Hg.): Dear Photography. Peter Miller. Werkbeschreibungen. Ausst.-Katalog, Berlin, 11.09.-03.02.2021, S. 1.
[4] Vgl. ebd., S. 1.
Peter Miller – Dear Photography
11. Sep 2021–3. Dez 2021
C/O Berlin
Amerika-Haus
Hardenbergstraße 22–24
10623 Berlin
https://co-berlin.org/