schrecklich schön. Elefant – Mensch – Elfenbein
Humboldt Forum Berlin
Claire-Elisa Rüffer
Die Ausstellung schrecklich schön ist die erste Sonderausstellung des Berliner Humboldt Forums. Sie handelt von der ambivalenten Geschichte des Elfenbeins, dem weißem Gold mit blutiger Schattenseite. Anhand 200 originaler Elfenbein-Exponate aus aller Welt werden die vielfältigen Erscheinungs- und Verwendungsformen des edlen Materials präsentiert.
Kostbarer Schmuck und religiöse Artefakte weisen seine Bedeutung als Kulturvermittler, Status- und Glaubenssymbol auf. Interaktive Interviews mit TierschützerInnen, Wild-Life ExpertInnen, und ehemaligen Jägern erlauben einen multiperspektivischen Einblick in die gegenwärtige Bedeutung des Elfenbeins und die Probleme des Elfenbeinhandels. Begleitet wird die Ausstellung von der philosophischen Frage des Verhältnisses von Mensch und Natur und inwiefern der Mensch das Recht auf einen lebendigen Rohstoff hat.
Durch eine große Flügeltür betritt man den Ausstellungsraum. Es ist dunkel. Die schwergewichtige Tür fällt lautstark ins Schloß. Es folgt nicht wie erwartet die angenehme dumpfe Museumsstille, stattdessen ertönt von oben her ein schwer zu deutendes rhythmisches Geräusch. Ein tiefes, dumpfes beunruhigendes Schnauben oder Röcheln. Das Geräusch, so erfährt man zum Ende der Ausstellung, sind die letzen verzweifelten Atemzüge eines sterbenden Elefanten. Verarbeitet wurde das grausame Spektakel von der Künstlerin Liesel Burisch, die den Elefanten 36 Stunden bis zu seinem Tod begleitete und daraus ein Videokunstwerk schuf.1 Der dazugehörige O-Ton heißt nun die Besucher von schrecklich schön willkommen und begleitet sie durch ihren Ausstellungsbesuch. Dass es sich bei diesem Elefanten nicht um ein wegen seiner Stoßzähne getötetes Tier handelt, erfährt der Besucher nicht. Dennoch ist das Leiden des mächtigen Tiers beeindruckend.
Thematisch steigt die Ausstellung mit einer breitgefächerten Auswahl von Elfenbeinobjekten ein. Darunter ein 40 000 Jahre altes Mammutfigürchen aus der Schwäbischen Alb, Schmuck aus Sri Lanka, Knie- und Hüftprothesen aus dem Vereinigten Königreich des 17. Jahrhunderts, moderne Billardkugeln und Klaviaturen. Die beeindruckende Bandbreite an Objekten vermittelt unmissverständlich die vielseitige Verwendung des Rohstoffs, welcher sich aufgrund seiner robusten, in Wasser aufgeweicht aber zugleich dehnbaren Eigenschaften für Kunsthandwerk, sowie auch Gebrauchsgegenstände eignet. Zwischen der Vielzahl an Objekten tummeln sich Texterläuterungen, QR Codes und Touchmonitore, welche zur thematischen Vertiefung anregen.
Die Variation an Vermittlungsmedien ist einerseits angenehm abwechslungsreich, gleichzeitig lenken die bunten Texte und Displays an manchen Stellen von den eigentlichen Inhalten ab. Auch wenn verschieden aufbereitet, enthalten sie oft die gleichen Informationen. So werden vereinzelte Themen gelungen und intensiv vermittelt, andere jedoch argumentativ verkürzt. Dazu kommen die in ,,einfacher’’ Sprache formulierten Ausstellungstexte, welche zwar für eine große Bandbreite an BesucherInnen verständlich sind, die Komplexität des Themas Elfenbein jedoch nicht erfassen können. Auch wenn eine Verständlichkeit für Laien gewünscht ist, sollte die sprachliche Inklusion nicht über der wahrheitsgetreuen Darstellung des komplexen Sachverhalts stehen.
Im Themenbereich ,,Kulturkontakte’’ wird unter anderem eine Süd-indische Juwelendose aus dem späten 16. Jahrhundert, die nach chinesischem Vorbild gefertigt wurde, präsentiert. Ihr gegenüber ist eine Fotografie aus dem Jahre 2017 einer öffentlichen Stoßzahn-Verbrennung in Nigeria zu sehen. Der Ausstellungstext weist auf die Ambivalenz des Elfenbeins als Kulturvermittler und Handelsgut hin. An vielen Stellen der Ausstellung trifft man auf solche Gegenüberstellungen des "guten" und des "bösen" Elfenbeins. In diesem Falle steht die Juwelendose für das schöne Elfenbein, die Stoßzahnverbrennung für das schreckliche. Unerkannt bleibt in dieser Gut-gegen-Böse Narration leider genau die angestrebte Darstellung der Ambivalenz des Elfenbeins.
Graustufen in der Legitimation des Elfenbeins, wie die afrikanischen Nationen, die seit ihrer Kolonisierung wirtschaftlich abhängig von dem Handel mit Elfenbeinhandel sind, oder die Museen, die von ihren Elfenbein-Sammlungen profitieren und diese auch nicht weiter in den Umlauf bringen, werden nur oberflächlich behandelt.
Von den Kulturkontakten wird der Besucher in den Bereich Voice of Ivory geleitet, welcher eine mehrperspektivische Auseinandersetzung mit dem Thema Elfenbein verspricht. Hier können BesucherInnen, mittels eigenständiger Auswahl von Interviewfragen und Videoantworten, mit verschiedene Betroffenen des Elfenbeinhandels in den Dialog kommen. Die kulturelle und berufliche Variabilität der Sprecher ist positiv zu bewerten, besonders die Stimmen nichtakademischer Betroffener - wie die Perspektive eines ehemaligen Jägers - ist spannend und neu.
Der Themenbereich schrecklich schön widmet sich dem Elfenbein als Träger rassistischer Handlungen und Ideale. Zitate aus Shakespeare und Edgar Allan Poe zieren in großer Schrift die Wände des Themenbereichs. Während die 13 Zitate der weißen SchriftstellerInnen viel Platz einnehmen, ist das Video einer schwarzen Künstlerin, die sich in metaphorischer Anlehnung an das weiße Schönheitsideal, das sich im Elfenbein wiederfindet, mit weißer Farbe das Gesicht einschmiert, klein und fällt kaum auf. Warum die metaphorische bzw. rhetorische Verwendung von Elfenbein von solcher Bedeutung ist, dass sie fast den gesamten Themenbereich einnimmt, ist nicht ganz ersichtlich. Dadurch, dass der Fokus des Bereichs auf die rhetorische Verwendung des Elfenbein gelegt wird, also Elfenbein als Metapher dargestellt wird, erscheint das Thema Rassismus ebenfalls metaphorisch und abstrahiert. Eine direkte Konfrontation zwischen Besucher und rassistischen Inhalten in Verbindung mit Elfenbein erfolgt nicht.
Die Ausstellung endet mit dem Elefanten selber, als Symbol animalischer Kraft und herrschaftlicher Macht, sowie als Talisman religiösen Glaubens. Exemplarisch werden Elefantenmasken ausgestellt, die zur Bekämpfung des Bösen getragen wurden, sowie ein königlicher Thron aus Elfenbein, der die Stärke des Elefanten auf seinen Besitzer übertragen soll. Protagonist wird zum Ende hin also das Tier selber, weniger das Elfenbein, dessen Jagd oder Handel. Das letzte Exponat ist ein von einem Elefanten zertrümmerter Jeep. Ein Hinweis darauf, dass die Natur mächtiger ist als wir Menschen und bei Bedarf mit gewaltiger Kraft zurück schlägt.
Das schwere Atmen des Elefanten, das zu Beginn als so unangenehm empfunden wurde, ist zum Hintergrundgeräusch geworden. Es erscheint nun angenehm rhythmisch, der Inhalt wurde schon längst abstrahiert, das Leid, das es repräsentiert, wird bereits ausgeblendet. Leicht benommen von dem dunklen Raum mit seinen bedrückenden Inhalten stolpert der Besucher in Richtung Ausgang und landet im grell ausgeleuchteten Museumsshop, welcher zum Verlassen passiert werden muss. Um die bedrückte Stimmung möglichst schnell zu vergessen, begnügt der Besuchende sich mit einem Kaffee und einem Stück Torte. Der Shop ist nämlich praktischerweise zugleich ein Café. Nach der kurzen Erholung, stöbert der Besuchende zwischen Elefantenanhänger, Bitcoin-Büchern und Humboldt-Forum-Fanartikeln und kauft eine Postkarte vom ehemaligen Berliner Stadtschloss und begibt sich schnellstmöglich in die Ethnologische Ausstellung, das Zeitfenster hat bereits begonnen.
1 Liesel Burisch: A Sporadic - Video und Tonaufnahme, 2017.
Schrecklich schön. Elefant - Mensch - Elfenbein
20.07.2021 bis 23.01.2022
Humboldt Forum
Schloßplatz
10178 Berlin