Polysemie
- religiös: ‘Erlöser’
- säkular: ‘Rettergestalt’
Definition
Messias
Nach der biblischen Vorstellung der Messias, der versprochene Erlöser, der im Alten Testament den Juden als Erlöser der Menschheit bzw. des Volkes Israel versprochen wurde, nach christlicher Lehre Jesus Christus. In der christlichen (und somit allgemein religiösen) Bedeutung überschneidet sich der Begriff Messias weitgehend mit demjenigen von Christus.
Konnotationen
- langes Warten, Ende der Zeiten, gerechte Weltordnung, göttliches Gericht, Auferstehung der Toten, 1000-jähriges Friedensreich, weißes Gewand, strahlende Aura
Lexikalische Relationen
Synonyme
- Erlöser
- Heiland
- Christus
- Jesus
- Prophet
- Sohn Gottes
Wortbildungen
Substantive
- Messiade ‘geistliches Epos über Leben und Leiden Jesu Christi als Messias’
- Messianismus1 ‘die messianische Sendung’
Adjektive
- messianisch1 ‘auf den Messias bezogen, wie ein Messias’, vgl. messianische Psalmen ‘eine Reihe von Psalmen, die von der Vision des Auftretens und den Handlungen des jüdischen Erlöserfigur handeln’
- messianistisch ‘auf die messianische Sendung bezogen, eine ideologische oder chiliastische Strömung’
Phraseme, Kollokationen
Kollokationen
- Ankunft des Messias
- der verheißene Messias
- der ersehnte/ erwartete Messias
- jüdischer Messias
- Messias des jüdischen Volkes
- Wiederkunft des Messias
Belege
Seit 1955 lebt der in New York geborene Rabbi im Heiligen Land, in das er „als Individuum“ kam und nicht als „Teil der Sammlung der in der Diaspora verstreuten Juden“, wie er betont. Erst wenn Gott den Messias schickt, sei die Zeit reif für die Rückkehr der Exilierten, erklärt Rabbi Hirsch. Ein Handeln auf eigene Faust nach Art der Zionisten, die den Staat aufbauen, ohne die göttliche Entscheidung abzuwarten, bringe „das gesamte jüdische Volk in Gefahr“.
Nürnberger Nachrichten, 14.07.1994
Es erscheint wie ein Widerspruch, daß der Theologe und Philosoph trotz seiner liberalen Positionen die Juden für das „auserwählte Volk“ hielt, das allen anderen überlegen sei. Einzig aus dem Grund, daß „wir es leid sind, von den Gojim (Nicht-Juden) beherrscht zu werden“, leitete er die Notwendigkeit für die Existenz des Staates Israel ab. Im Gegensatz zu den religiösen Parlamentariern trat Leibowitz stets für eine strikte Trennung von Staat und Religion ein. Obschon er bis zu seinem Tod stets in den Morgenstunden zum Gebet in die Synagoge ging, verehrte Leibowitz weder die Klagemauer noch die Thora als Heiligtum. Er glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod oder die Ankunft des Messias. „Die Idee und die Figur des Messias ist ein zentrales Element im Christentum. Für das Judentum ist der Messias absolut nebensächlich. Es spielt keine Rolle, ob er kommt oder nicht.“
Nürnberger Nachrichten, 19.08.1994
Die Heiligkeit des Heiligen Landes und die Ausübung des jüdischen Glaubens bedürfen nicht notwendigerweise der jüdischen Staatlichkeit. Dafür haben schon die Talmud-Gelehrten gesorgt, die das Judentum in eine internationale, „transportable“ Religion verwandelten. Daß manche streng orthodoxen Juden antizionistisch sind, einen jüdischen Staat vor der Ankunft des Messias also kompromißlos ablehnen, wird auch Nahost-Interessierten geläufig sein, die sich nicht so intensiv mit der Materie befaßt haben.
Nürnberger Nachrichten, 20.07.1993
Zehntausende Rumänen haben Autos, Häuser und Vieh verkauft oder ihr Sparbuch geplündert, um das Geld zum Klausenburger Messias zu tragen.
Nürnberger Nachrichten, 27.09.1993
„Damaskus“ sei als Codename für Qumran (möglicherweise identisch mit Gomorra) gängig, die Berufungs-Vision habe auf dem Weg dorthin stattgefunden. Paulus habe sich dann nicht nach Arabien zurückgezogen, sondern in eine Steppe ähnlichen Namens unweit des Toten Meeres. Er habe „ein Reformjudentum mit Jesus als Messias anbahnen wollen“. Hinsichtlich eines Paulus-Aufenthaltes in Qumran meldet Prof. Kirchschläger Datierungsbedenken an.
Die Presse, 03.02.1993
Das Oberhaupt der ultra-orthodoxen jüdischen Lubawitsch-Sekte, Rabbiner Menachem Mendel Schneerson, starb am Sonntag im Alter von 92 Jahren in New York. Von seinen Jüngern wurde er als Messias verehrt, Israel kondolierte der 300.000 Anhänger zählenden Sekte.
Die Presse, 13.06.1994
Definition
Messias
Im säkularen Gebrauch meist von jmdm. über jmdn. in ironischer und distanzierter Weise referiert, der als ein sehnsüchtig erwarteter Retter, als eine Heilsgestalt, als großer Mann und Führer auftritt oder wahrgenommen wird. In der Regel werden Verkünder einer Befreiungsidee (z. B. zur Befreiung eines Volks vom Joch der Fremdherrschaft) so bezeichnet.
Konnotationen
- Ansprachen, Fahnen, Denkmäler, nationale Wiedergeburt, Massenveranstaltungen, Licht, Stärke
Lexikalische Relationen
Synonyme
- Befreier
- Erlöser
- Erretter
- Retter
Wortbildungen
Substantive
- Messianismus2 ‘Messianismus, die messianische Sendung in Bezug auf einen Messias (säkulares Profil)’, vgl. der politische Messianismus der Linken
Adjektive
- messianisch2 ‘auf einen Messias bezogen, wie ein Messias’, vgl. die messianische Sendung des Führers der Befreiungsbewegung
Phraseme, Kollokationen
Phraseme
- für den Messias halten: <jmd.> hält <jmdn.> für den Messias ‘auf jmdm. wie eine Erlösergestalt ansehen
- nicht der Messias sein: <jmd.>ist nicht der Messias ‘man sollte sich von jmdm. keine Wunderdinge erwarten’
- wie (die Juden) auf den Messias warten: <jmd.> wartet <auf jmdn.> wie (die Juden) auf den Messias ‘sagt man über jmdn., den man sehnsüchtig und dringend erwartet’
- zum Messias werden: <jmd.> wird zum Messias ‘jmd. wird für einen bestimmten Personenkreis zu einer charismatischen Führerfigur’
Kollokationen
- Messias der Völker
- Messias unserer Zeit
- neuer Messias
- wahrer Messias
Belege
WEBER: Die Woche Pause tut uns gut. Wir werden versuchen, Kraft zu tanken, denn die brauchen wir für unser Spiel. Von heute auf morgen werden wir aber unsere spielerischen Probleme nicht abstellen können. Ich bin auch kein Messias.
Salzburger Nachrichten, 23.08.1993
Jean-Bertrand Aristide gilt den hungernden Menschen in den unvorstellbar elenden Slums von Port-au-Prince als ein zweiter Messias, und er hat sich von dem Hoffnungsschrei der Massen anstecken lassen: „Ich folge dem Beispiel Jesu Christi.“ – „Was sind wir, was bin ich? Doch nichts anderes als die Verkörperung der Hoffnung und des Hungers nach Brot, Gerechtigkeit und Ehre.“
Nürnberger Nachrichten, 19.10.1993
Als Mahner für religiöse Toleranz wurde Sachs auch entdeckt. „Ein durchaus demokratischer Mensch“ sei er zudem gewesen, befand Karl Bröger in der Weimarer Republik. Die Nationalsozialisten vereinnahmten ab 1933 weniger den Dichter, sondern mehr das Werk Richard Wagners. Der Komponist erschien der NSDAP „als strammer deutscher Antisemit“. Und entsprechend wurde auch Hans Sachs im völkisch antisemitischen Sinn interpretiert, der Dichter zum Sänger für den politischen Messias Adolf Hitler verbogen.
Nürnberger Nachrichten, 29.12.1993
Zwar sind alle Voraussetzungen vereint, die es Jacques Delors ermöglichen würden, in der Heimat wieder einmal Flagge zu zeigen und sich politisch zu positionieren. Die Umfragedaten sind geradezu schmeichelhaft, der Druck vieler Freunde bei den Sozialisten und auch darüber hinaus ist groß, und bei seinen jungen Fußtruppen in der sozialistischen Partei, jene Generation der Vierzigjährigen, die er selbst aufgebaut hat, regt sich gar Ungeduld. Dennoch hat Delors all jenen unwirsch abgewunken, die in ihm schon heuer den Messias aus Brüssel sehen wollten. Er werde gar nicht nach Lorient kommen, drohte er seinen Freunden, wenn sie ihn weiter als „Instrument“ benützten.
Die Presse, 30.08.1993
Die Ereignisse haben eine Eigendynamik bekommen: Was zunächst noch als durchaus willkommene Polit-Intrige angelegt war, scheint den ORF in seinen Grundfesten zu erschüttern. Die Affäre Marboe hat nun zu einem Schritt geführt, der Beachtung verdient: Der Generalintendant hat „sämtliche bisher erteilte Genehmigungen für Nebenbeschäftigungen außer Kraft gesetzt“ und damit einen Versuch gestartet, ein wenig „Licht ins Dunkel“ zu bringen. Gerd Bacher sieht sich angesichts des enormen öffentlichen Drucks auf „sein“ Unternehmen nun offensichtlich als Medien-Gorbi, dem die Stunde der Geschichte die Verwirklichung von Perestrojka auferlegt. Wie Gorbi ist jedoch auch Bacher kein Messias von außen, vielmehr ist gerade er die Symbolfigur für den ORF. Und vor allem: Es wäre zu billig, nun die Kleinen zu jagen, die Großen aber zu schonen. Denn die Nebenbeschäftigungen können bestenfalls ein Detailaspekt zu mehr Transparenz hin sein. Viel gravierender wiegen die familiären Verflechtungen, die einer generellen Normierung bedürfen. Und es geht um die großen Fische, die sich zumeist in ausgeklügelten Firmenkonstruktionen tummeln. Bei deren Beseitigung dürfte Gorbi-Bacher vermutlich noch manch ein Tschernenko begegnen.
Die Presse, 01.10.1993
Wortindex
- messianisch2
- Messianismus1
- Messianismus2
- messianistisch
- nicht der Messias sein
- Prophet
- Retter
- Sohn Gottes
- wie (die Juden) auf den Messias warten
- zum Messias werden
Etymologie
‘Heilsbringer’ im 18. Jh. entlehnt aus kirchenlat. Messias als Bezeichnung für den den Juden verheißenen Erlöser; dieses aus griech. messías, aus hebr. mạšîaḥ ‘Gesalbter’. Die gleiche Etymologie weist das dem Griechischen entlehnte kristus (griech. chrīo ‘salben’) auf.
Ebenso nndl. Messias, ne. Messiah, nfrz. Messie, nschw. Messias, nnorw. Messias.
Semantischer Wandel
Das DUW expliziert das Wort folgendermaßen: 1. <ohne Plural> im Alten Testament verheißener königlicher Heilsbringer 2. Befreier, Erlöser aus religiöser, sozialer oder ähnlicher Unterdrückung‘.
Das vorliegende Wörterbuch führt für das Deutsche zwei Profile auf: ein religiöses (‘Erlöser’) und ein säkulares Profil (‘Rettergestalt’). Das säkulare Profil stellt eine metaphorische Erweiterung des religiösen Begriffs dar; die Sprecher drücken in der Regel ihre Distanz zu der so gekennzeichneten Person aus.
Verwendungsunterschiede zwischen beiden Profilen zeigen sich in den Phrasemen, wobei sich die Phraseologie im säkularen Profil durch einen ironischen oder kritisch-distanzierten Standpunkt des Sprechers auszeichnet. (vgl. Dennoch hat Delors all jenen unwirsch abgewunken, die in ihm schon heuer den Messias aus Brüssel sehen wollten; der Dichter [wurde] zum Sänger für den politischen Messias Adolf Hitler verbogen). Häufig wird das Wort in negativ formulierten Sätzen verwendet. (vgl. Wie Gorbi ist jedoch auch Bacher kein Messias; Ich bin auch kein Messias). Die Wortverwendung wird auf diese Weise als unangemessen und hyperbolisch kritisiert (vgl. auch: Barack Obama - der neue Messias der Linken). Die gleiche pragmatische Konnotation zeigt sich auch in den Phrasemen (jmdn. für den Messias halten; wie die Juden auf den Messias warten).
Messias und Christus haben z.T. ähnliche Verwendungskontexte, da beide eine vergleichbare Etymologie aufweisen (hebräisch bzw. griechisch bedeuten beide Wörter jeweils ‘Gesalbter’). Christus stellt zudem eine Übertragung und Erweiterung des jüdischen Konzepts (‘eine menschliche Erlösergestalt, die im Auftrag Gottes das Volk Israel befreit’ auf den christlichen Erlöser ‘eine gleichermaßen göttliche wie menschliche Gestalt, die die Menschheit erlöst’) dar. Aufgrund der jüdischen Herkunft des Begriffes und seiner Referenz auf einen von Gott gesandten, aber (im Unterschied zu Christus) rein menschlichen Akteur kann der Begriff Messias auf Erlösergestalten im Allgemeinen übertragen werden und wird daher weitaus häufiger verwendet als das Wort Christus in säkularer Bedeutung.
Die Wortbildung (vgl. messianische Sendung, messianistische Bewegung, politischer Messianismus) beschränkt sich aufgrund der nichtnativen Herkunft auf einen aus der Theologie stammenden Fachwortschatz, der vom Durchschnittssprecher nicht verwendet wird. Er wird aber mitunter in politischen Diskursen verwendet. Sowohl im religiösen wie im säkularen Profil kommen die gleichen Wortbildungen mit jeweils unterschiedlicher Referenz vor.
Sprichwörter
Vor der kann Messias nicht kommen! ‘sie ist so hässlich, dass sie sogar den Messias zurückschreckt bzw. sein Erscheinen aufhält’
Kulturelle Kontexte
Literatur
- Gottlieb Klopstock Friedrich: Der Messias, 1773.
- Ludolf Herbst: Hitlers Charisma: Die Erfindung eines deutschen Messias, 2011.
- Michael Frost & Alan Hirsch: Der wilde Messias: Mission und Kirche von Jesus neu gestaltet, 2013.
Film
- Messias - Die Sieben Zeichen (The Rapture, Regie: Harry Bradbeer), Großbritanien 2008.
- Messias des Bösen (Messiah of Evil, Regie: Willard Huyck), USA 1973.
Musik
- Georg Friedrich Händel: Oratorium Messiah, 1742.
Sonstiges
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Cover eine "Spiegelausgabe"(Quelle: https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/image/title/SP/2008/7/300)
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Plakat für ein Konzert(Quelle: http://projektchor-ludger.de/wordpress/wp-content/uploads/2014/04/131022_Messias_PK.jpg)
Bibliographie
Bradley, Arthur (Hg.) 2011: The messianic now: philosophy, religion, culture, London.
Collins, Adela Yarbro 2008: King and Messiah as son of Goddivine, human, and angelic messianic figures in biblical and related literature, Grand Rapids.
Denecke, Axel 1993: „Jüdisch-marxistischer Messianismus bei Ernst Bloch und der christliche Messiasglaube.“, in: Bloch-Almanach: Periodicum des Ernst-Bloch-Archivs des Kulturbüros der Stadt Ludwigshafen, 13, S. 59-76.
Katz, David S. 2000: Messianic revolution: radical religious politics to the end of the Second Millennium, London.
Kennard, Douglas Welker 2008: Messiah Jesus: christology in his day and ours, New York.
Löwy, Michael 1997: Erlösung und Utopie: jüdischer Messianismus und libertäres Denken: eine Wahlverwandtschaft, Berlin.
Lucass, Shirley 2011: The concept of the Messiah in the scriptures of Judaism and Christianity, New York.
Mayhew, Eugene J. 2009: Encyclopedia of messianic candidates & movements in Judaism, Samaritanism, and Islam, St. Clair Shores.
Seitschek, Hans Otto 2005: Politischer Messianismus: Totalitarismuskritik und philosophische Geschichtsschreibung im Anschluss an Jacob Leib Talmon, Paderborn.
Solibakke, Karl Ivan 2011: „Divine Justice and Profane Power: Benjamin's and Kafka's Approach to Messianism.“, in: Symposium: A Quarterly Journal in Modern Literatures, 65 (1), S. 63-76.
Weidauer, Friedemann 2007: „Jakob der Gerechte, Bruder Jesu?: zur messianischen Idee in Jurek Beckers Jakob der Lügner.“, in: Hermand, Jost (Hg.), Positive Dialektik: Hoffnungsvolle Momente in der deutschen Kultur, Oxford, S. 171-182.