Übersicht
apokalyptisch | metaphysisch | ideologisch | affektiv | popkulturell | |
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Sprachvergleich
Antichrist – antychryst – antikrist – antikrist
Die verschiedenen Profile von Antichrist haben sich in allen Sprachen ähnlich entwickelt. Dabei wird von der biblischen Gestalt des Antichrists ausgegangen, der lediglich dreimal in den Briefen des Johannes, d.h. in keinem der zentralen Texte des Neuen Testaments, erwähnt wird. Aufgrund der nur kursorischen Erwähnung dieses Namens für einen endzeitlichen Gegner Christus fehlen stabile Assoziationen und Konnotationen bzw. sind diese erst sekundär entstanden, indem man die Schilderung von Figuren aus der Offenbarung des Johannes (wie des Tieres, der falschen Zeugen u.ä.) mit den Attributen des Antichristen gleichsetzte.
Das Glied -christ in der deutschen Form kann nicht nur mit Christus gleichgesetzt werden, sondern auch mit Christen, poln. chrześijanin/ chrześcijanie. Die Ambiguität verdeutlicht die Doppelübersetzung ins Polnische des Werkes von F. Nietzsche als "Antychryst" oder als "Antychrześcijanin". Die Groß- und Kleinschreibung in den slawischen Sprachen deutet darauf hin, dass das Wort als Eigenname oder als Gattungsname verstanden werden kann.
Der Begriff hat unterschiedliche Interpretationen erfahren, am häufigsten als Widersacher Christi. Die Polysemie der griechischen Präposition anti- lässt aber auch die Deutung als falscher Erlöser (wörtl. an Stelle von Christus) zu, die bis heute zu den Konnotationen des Wortes gehört und insbesondere im ideologischen und metaphysischen Profil aktualisiert wird. Die Unbestimmtheit der Figur lässt sowohl eine Personalisierung als auch – eher okkasionell - eine Identifizierung mit Kollektiven und Gegenständen zu, gegenüber der Figur des Teufels fehlen aber volkstümliche Züge. In der Regel ist ein Bezug zum Christentum oder christlichen Werten vorhanden, obwohl das Wort auch synonym für einen ‘Erzfeind’ oder ‘großen Gegner’ verwendet werden kann. Insgesamt wird das Wort im ideologischen und metaphysischen Profil in allen Sprachen immer seltener verwendet und hat meist einen Zitatcharakter oder drückt eine ironische Distanzierung zum Sachverhalt aus. Möglicherweise drückt auch die der Norm widersprechende zunehmende Einordnung von antychryst im Polnischen in die Klasse männlich-personaler Substantive das Verblassen der komplexen christlichen Konzeptualisierung aus, indem sich bei den Sprechern immer stärker die Vorstellung einer konkreten Person durchsetzt. In den großen Kirchen wird heutzutage die Figur des Antichrists analog zu Konzepten wie Hölle, Fegefeuer, aber auch Himmel usw. nur selten thematisiert.
Eine Randerscheinung des metaphysischen Profils ist das Wiederaufleben des Antichrists in der künstlerischen Verarbeitung von Endzeitschilderungen, besonders im Film, wo eine an grauenerregenden, geheimnisvollen und verschwörungstheoretischen Aspekten orientierte Faszination am Religiösen zu verzeichnen ist (vgl. auch das Lemma Apokalypse).
Auf einer ähnlichen Faszination baut auch das popkulturelle Profil auf, wobei die traditionell negativen Aspekte der Figur nun entweder positiv gewertet werden bzw. häufiger als einfaches Mittel fungieren, um Aufmerksamkeit zu erregen, zu schockieren und zu provozieren. Sowohl die künstlerische als auch die popkulturelle Verwendung des Worts treten weitgehend kontextfrei auf und führen nur einzelne religiöse Vorstellungen weiter, die mehr als schmückendes Beiwerk fungieren als einen genuin ideologischen Inhalt haben.
Das affektive Profil ist ebenfalls in allen Sprachen im Rückgang begriffen und im Deutschen und Tschechischen in der aktuellen Sprache kaum noch vorhanden. Da die religiöse Einstellung eines Menschen bei seiner moralischen Bewertung (mit Ausnahme Polens) keine Rolle mehr spielt, ist die Bezeichnung nicht nur veraltet, sondern teilweise sogar schon unverständlich. Antichrist/ antychryst/ antikrist/ Antikrist dürfte in der Verwendung als Schimpfwort eher ein Synonym zu Atheist (bzw. von abwertenden Äquivalenten wie tschech. und slow. neznaboh, slow. bezbožník) sein und auf die Gottlosigkeit und Nichtchristlichkeit des so Angesprochenen ebenso anspielen wie auf seine fragwürdigen moralischen Qualitäten; beiden Lesarten käme heute eher Unterhaltungswert zu, als dass sie sich als ernsthafte Beleidigungen eignen würden.
Antichrist/ antychryst/ antikrist/ Antikrist hat nur zu wenigen Wortbildungen geführt. Im Slowakischen und Tschechischen ist das das Possesivadjektiv slow. antikristov, tschech. antikristův in den meisten Profilen vertreten, okkasionell tritt das relationale Adjektiv tschech. antikristovský, poln. antychrystowy auf. Daneben treten im Slowakischen und Tschechischen die expressiven Lautvarianten tschech. ancijáš, ancejáš, in beiden Sprachen anciáš und ancikrist auf, die inzwischen als veraltet anzusehen sind.
In jüngerer Zeit findet sich der religiös-weltanschaulich verstandene Begriff des Antichristen vor allem in Diskursen von Sekten (wie den Zeugen Jehovas) oder er wird als Sammelbegriff für Phänomene benutzt, die dem Christlichen entgegenstehen. Im allgemeinen Verständnis gibt es keine scharfe Trennung zwischen Antichrist und anderen Vertretern des Bösen wie Teufel/ diabeł/ diabol/ d'ábel; Satan/ szatan/ satanas/ satan; Bestie/ bestia/ bestia/ bestie. Dennnoch ist der Antichrist etwas schwächer als die letzten Begirffe.