Übersicht
religiös | Bekenntnis | Geständnis | |
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Deutsch | |||
Polnisch | |||
Slowakisch | |||
Tschechisch |
de:123
pl:123
sk:123
cz:123
Sprachvergleich
beichten – spowiadać się – spovedať sa – zpovídat se
In den hier verglichenen Sprachen liegen die gleichen Profile vor. Unterschiede liegen einerseits in grammatischen Merkmalen (transitives Grundverb im Deutschen gegenüber reflexiver Konstruktion in den slawischen Sprachen), andererseits darin, dass in den slawischen Sprachen die Motivation des Verbs durchsichtig bleibt und mitunter semantische Interferenzen des Simplexverbs powiadać/ povedať/ povídat festgestellt werden können. In den slawischen Sprachen besteht neben den reflexiven Formen auch ein transitiver Partner spowiadać/ spovedať/ zpovídat, dem im Deutschen das Syntagma die Beichte abnehmen entspricht. Während die Verwendungen von transitiven Verben spowiadać/ spovedať/ zpovídat häufig sind, wird das deutsche Syntagma fast nur in religiösen Zusammenhängen verwendet.
Im religiösen Profil werden beichten/ spowiadać/ spovedať/ zpovídat eher in der informellen und gesprochenen Sprache verwendet; die katholische Kirche bevorzugt theologische und buchsprachliche Wendungen: z. B. tschech. přijmout svátost smíření ‘das Sakrament der Versöhnung empfangen’ usw., gleichzeitig wird so das positive Moment der Versöhnung mit Gott stärker akzentuiert und negative Konnotationen (Zwang, unangenehme Gefühle) vermieden und so das Sakrament aufgewertet.
Das Bekenntnisprofil umfasst alle Arten von freiwilligen Geständnissen. Es ist synonym mit einem Sichanvertrauen und der Sprechakt ist typischerweise mit Erleichterung verbunden. Im Deutschen ist das Bekenntnisprofil selten und kommt fast nur in phrasemähnlichen Wendungen vor (seinen Kummer beichten u. ä.).
Das Geständnisprofil im Polnischen, Slowakischen sowie Tschechischen einerseits und im Deutschen andererseits überlappen sich nur teilweise. Im Deutschen handelt es sich typischerweise um Situationen, wo jemand etwas Unmoralisches, Peinliches, Beschämendes (eine Affäre, eine Lüge, eine Sucht) gesteht, zwar von sich aus (wenn man sich auch häufig durch schlechtes Gewissen oder äußere Umstände dazu genötigt fühlt). Im Polnischen, Slowakischen und Tschechischen finden sich im Geständnisprofil neben mehr oder weniger öffentlichen unfreiwilligen Geständnisakten, die sich auf ein vermutetes Fehlverhalten eines Beschuldigten beziehen, häufig auch Sprechakte, in denen ein Sprecher (oft im sozialen Intimbereich der Familie, Freundschaft, Beziehung) gezwungen ist, über sein Verhalten ständig und wiederholt Rechenschaft abzulegen. Hier besteht eine Nähe zu ‘sagen’, ‘berichten’, da der erzwungene Sprechakt hier eher aufgrund sozialer Hierarchien besteht und oft keine Verfehlung festgestellt werden kann. Auch im öffentlichen Bereich wird häufig ein moralischer Druck ausgeübt, wobei in ähnlicher Weise die Intimsphäre öffentlicher Personen verletzt wird.
Oft wird beichten/ spowiadać się/ spovedať sa/ zpovídat se in den Medien lediglich quasi-geständnishaft zum Zwecke der Vermeidung lexikalischer Monotonie sowie aus Gründen der Publizistik häufigen Tendenz der Hyperbolisierung und zur Erheischung von Aufmerksamkeit an Stellen verwendet, an denen einfaches sagen, berichten genauso gut möglich wären. Diese Verwendung ist im publizistischen Bereich in allen betrachteten Sprachen weitgehend akzeptiert, wirkt aber hyperbolisch.
Im Deutschen ist das Geständnisprofil dominant und überwiegt auch quantitativ im Korpus. Das belegen auch lexikographische Einträge (die übertragene Bedeutung wird i.d.R. durch das Synonym eingestehen (DUW) oder auch Vergehen eingestehen (WAHRIG) charakterisiert). In den slawischen Sprachen scheint das Geständnisprofil besonders in zwei Kontexten vorzukommen: Erstens in der Berichterstattung über gerichtliche Untersuchungen oder auch Rechtfertigen eines Politikers vor der Öffentlichkeit u. ä. Grund dafür könnte sein, dass die Verben demselben Wortnest wie slow. zodpovedať sa/ tschech. zodpovídat se ‘sich verantworten’ und slow. vypovedať/ tschech. vypovídat ‘aussagen’ angehören. Zweitens kommt es in Aussagen vor, mit denen der Sprecher eine Abwehr gegen jemandes Neugier oder Anschuldigungen ausdrückt (vgl. tschech. Proč bych se ti měl zpovídat? ‘Warum sollte ich Dir das erzählen?’; Nehodlala jsem se jí zpovídat z toho, co dělám. ‘Ich hatte nicht vor, ihr darüber Auskunft zu erteilen, was ich tue.’, slow. Nebudem sa ti spovedať. ‘Ich lasse mich von dir nicht ausfragen.’ oder poln. Czy ja zawsze muszę się ze wszystkiego spowiadać? ‘Muss ich immer alles erzählen?’). Während das Geständnisprofil in den slawischen Sprachen als homonym zu dem religiösen und Bekenntnisprofil gelten kann, ist es im Deutschen klar als eine metaphorische Übertragung des religiösen Profils wahrzunehmen.