Übersicht
religiös | desiderativ | adorativ | hesitativ | |
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Deutsch | ||||
Polnisch | ||||
Slowakisch | ||||
Tschechisch |
de:12
pl:1234
sk:123
cz:123
Sprachvergleich
beten – modlić się – modliť sa – modlit se
Das Verb beten sowie die reflexiven Verbäquivalente in den slawischen Sprachen (pol.) modlić się – (tschech.) modliť sa – (slow.) modlit se bezeichnen eine zentrale Glaubenspraxis vieler Religionen. Die religiöse Bedeutung des Lemmas wird in der Lexikographie der jeweiligen Sprachen angeführt. Darüber hinaus wird das Lemma im gegenwärtigen Sprachgebrauch in verschieden profanen Kontexten festgehalten. Im SuP werden insgesamt vier Profile des Konzepts BETEN unterschieden. Das religiöse Profil, welches sich auf die Gebetshandlung bezieht, liegt in allen hier verglichenen Sprachen vor. Es werden jeweils mehrere Facetten dieser Sprechhandlung unterscheiden, wie z.B.: individueller spontan formulierter Sprechakt oder tradierte, feststehende Wortformen. Im Zusammenhang mit Gebeten werden oftmals Symbole oder Hilfsmittel verwendet, wie Gebetsketten, Kruzifixe oder Ikonen. Das religiöse Profil weist in allen vier Sprachen den häufigsten Gebrauch auf. Sowohl im Deutschen als auch in den slawischen Sprachen werden durch Präfigierung Verbformen gebildet, die sich meistens auf die Dauer und die Intensität der Gebetshandlung beziehen, vgl. (de.): herunterbeten ‘routinemäßig ein Gebet sprechen’, (pol.): zamodlić się ‘im Gebet versunken sein’, rozmodlić się ‘lange oder intensiv beten’, namodlić się ‘Frequentativform: viel oder häufig beten’; (slow.): domodliť sa ‘das Gebet beenden, zu Ende beten’, vymodliť sa ‘intensiv oder widerholt beten’; (tschech.): vymodlit si ‘etwas durch ein Gebet erreichen/ erlangen, erhört werden’.
Im desiderativen Profil werden beten – modlić się – modliť sa – modlit se synonymisch mit ‘hoffen’ gebraucht. Meistens werden diese Aussagen angewandt, wenn man hilflos einer schwierigen oder schrecklichen Situation entgegen sieht oder hyperbolisch im Sportslang, wenn man sich den Sieg herbeiwünscht. Typischerweise wird dieses Profil als Satzgefüge mit Konjugationen wie dass, aby, żeby, pro realisiert, vgl. (de.) beten, dass...; (pol.) modlić się, aby...; modlić się o <coś>; modlić się, żeby...; (tschech.) modlit se, aby...; modlit se o/ pro/ za něco; (slow.) modliť sa, aby...; modliť sa o/ za niečo. Im Tschechischen und Slowakischen werden die aus dem religiösen Profil stammenden Derivate vymodlit si (něco/ někoho), vymodlit si in diesem Profil in der Bedeutung ‘die Erfüllung eines brennenden Wunsches erlangen’ gebraucht, vgl.:
Za záchranné brzdy zatáhla ve čtvrtém utkání baráže o hokejovou extraligu Opava a po vítězství 4:1 ve Znojmě si vymodlila páté utkání, které sehraje v neděli na domácím stadiónu.
Auch das Adjektiv vymodlený wird in der Bedeutung ‘erbeten, erwünscht’ in diesem Profil festgehalten, vgl. vymodlený zázrak ‘das erbetene Wunder’. Im Polnischen und im Deutschen liegen in diesem Profil keine Wortbildungen vor. Im Deutschen wird das Lemma oft in Aussagen wie ‘es hilft nur noch beten’ oder ‘wir müssen hoffen und beten’ verwendet.
Das adorative Profil liegt nur in den slawischen Sprachen vor. Im Deutschen wird diese Bedeutung durch das Verb anbeten ‘jmdn. verehren’ realisiert. Dieses Profil wird obligatorisch mit den Präpositionen do (im Polnischen) und k (im Tschechischen und Slowakischen) realisiert. Es handelt sich dabei um Aussagen, die einer Person oder Sache einen zentralen Stellenwert zuschreiben, diese können sowohl affirmativ oder kritisch als auch hyperbolisch oder ironisch gebraucht werden.
Das hesitative Profil ist eine Erscheinung der polnischen Umgangssprache. Es wird mit der Präposition nad ‘über’ meistens zur Ermunterung jmds. zu essen realisiert. Typischerweise wird dabei eine rhetorische Frage Co ty się tak modlisz <nad tą zupą/ kanapką/ tym talerzem>? angewandt. Dieses Profil hat einen okkasionellen Charakter, häufiger werden in den geschilderten Situationen Verben wie debatować ‘debattieren’, zastanawiać się ‘grübeln’, rozmyślać ‘überlegen’ oder marzyć ‘vor sich hin träumen’ synonym gebraucht.
Zusammenfassend wird das religiöse Profil im gegenwärtigen Sprachgebrauch der hier verglichenen Sprachen als das dominierende festgehalten. Die säkularen Profile sind dennoch in den jeweiligen Diskursen fest verankert und weisen in den Korpora zahlreiche Beispiele des Gebrauchs auf.