Übersicht
religiös | humilativ | stoisch | admirativ | servil | Reue | |
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Deutsch | ||||||
Polnisch | ||||||
Slowakisch | ||||||
Tschechisch |
de:123456
pl:123456
sk:123456
cz:123456
Sprachvergleich
Demut – pokora – pokora – pokora
Die Profile von dt. Demut/ poln., slow., tschech. pokora gleichen sich in den untersuchten Sprachen weitgehend. Alle Profile sind sowohl im Deutschen als auch in den slawischen Sprachen vertreten; lediglich im Polnischen fehlt das Reueprofil. Die weitreichende semantische Äquivalenz von dt. Demut/ poln., slow., tschech. pokora äußert sich auch in zwischensprachlich sehr ähnlichen Kollokationen sowie lexikalischen Relationen.
Als besonders hervorstechend gilt das humilative Profil. Es bezieht sich auf die Einsicht in eigene Unzulänglichkeiten und die daraus folgende Ein- und Unterordnung unter bestimmte Autoritäten. In allen vier Sprachen ist dt. Demut/ poln., slow., tschech. pokora zu dt. Bescheidenheit/ poln. skromność/ slow. skromnosť/ tschech. skromnost synonym bzw. tritt mit diesem Lexem oder seinen Derivaten häufig in Kookkurrenzen auf. Anders als Bescheidenheit/ skromność/ skromnosť/ skromnost wirkt das Wort Demut/ pokora in allen vier Sprachen buchsprachlich bzw. gehoben. Besonders im Deutschen wird das Wort in rhetorischen Texten verwendet, z. B. von Politikern bei der Amtsübernahme, bei der Einleitung neuer politischer Epochen usw. (vgl. formelhafte Wendungen wie dt. ein Amt mit großer Demut annehmen).
Das stoische, das admirative und das Reueprofil sind mit dem humilativen Profil semantisch eng verbunden, indem sie einen Aspekt von Demut als bescheidener Gemütshaltung hervorheben (versöhnliche Einstellung dem eigenen Schicksal gegenüber, Respekt und Achtung vor Autoritäten, im Verhalten manifestierte Reue).
Für eine Trennung zwischen der säkularen und religiösen Profilierung von Demut/ pokora muss i. d. R. der jeweilige diskursive Kontext berücksichtigt werden. Einerseits ist eine klare religiöse Profilierung des Begriffs nur in Texten mit religiöser Thematik zu erkennen. Andererseits ist zu vermuten, dass das Wort Demut/ pokora für viele gegenwärtige Sprecher auch in anderen Textzusammenhängen diffus religiös ist, sei es wegen seiner buchsprachlichen Markierung, oder wegen des Widerspruchs zwischen der angestrebten Einstellung und dem modernen Ideal der Selbstverwirklichung des Individuums. In einem klar religiösen Kontext ist Demut/ pokora in allen vier Sprachen in äquivalente lexikalische Relationen eingebunden, die auf christliche Tugendlehre zurückzuführen sind; vgl. dt. Tugend/ poln. cnota/ slow. cnosť/ tschech. ctnost als Hyperonym und dt. Hochmut/ poln. pycha/ slow. und tschech. pýcha als Oppositum.
Im religiösen, humilativen, stoischen, admirativen sowie im Reueprofil gilt Demut/ pokora als eine positiv zu bewertende Gemütshaltung. Dass es sich um eine erwünschte Eigenschaft handelt, äußert sich in häufigen Aussagen, in denen Demut/ pokora gefordert oder ihr Mangel beklagt wird, vgl. dt. etwas mehr Demut wäre angebracht, es hat ihm an Demut gefehlt, poln. nie mają ani trochę pokory ‘sie haben kein bisschen Demut’, Trochę pokory! ‘Ein bisschen Demut!; sagt man, wenn jmd. zu sehr von sich überzeugt erscheint’, slow. človek dneška to asi veľmi ťažko pochopí – z nedostatku pokory a s ňou spojenej, zdravej sebareflexie ‘ein heutiger Mensch wird es wahrscheinlich schwierig verstehen können – aus Mangel an Demut und mit ihr verbundener, gesunder Selbstreflexion’, tschech. lidé se musí k morálce stavět s pokorou ‘Menschen müssen der Moral mit Demut begegnen’ usw. Die Spannung zwischen einer deklarativen Inanspruchnahme dieser erwünschten Eigenschaft und dem beobachtbaren Verhalten kommt in Attribuierungen wie dt. falsche Demut, slow. predstieraná pokora ‘vorgetäuschte Demut’, tschech. falešná pokora ‘falsche Demut’ u. ä. zum Ausdruck.
Allein im servilen Profil wird Demut/ pokora negativ als Unterwürfigkeit bewertet. In allen vier untersuchten Sprachen hängen mit diesem Profil mehrere verwandte Lexeme zusammen, vgl. dt. demütigen, Demütigung, poln. pokorzenie ‘Demütigung’, upokarzać ‘demütigen’, slow. pokorenie ‘Demütigung’, pokorovať ‘demütigen’, pokorený ‘besiegt’, tschech. pokořený ‘erniedrigt’, pokořený ‘besiegt’, pokořit se ‘sich unterwerfen’ u. a. In bestimmten Kontexten kann die lexikalische Verwandtschaft mit diesen Lexemen die negative Bewertung von Demut/ pokora verstärken, vgl. Kollokationen wie dt. blinde Demut, poln. pokora i konformizm ‘Demut und Konformismus’, slow. prehnaná pokora ‘übertriebene Demut’, tschech. pokora a poslušnost ‘Demut und Gehorsam’ u. a.