Übersicht
religiös | liberativ | hyperbolisch | utopisch | mortal | |
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Deutsch | |||||
Polnisch | |||||
Slowakisch | |||||
Tschechisch |
de:1235
pl:123
sk:134
cz:134
Sprachvergleich
erlösen – zbawić – spasiť – spasit
Die Lexeme dt. erlösen/ poln. zbawić/ slow. spasiť/ tschech. spasit sind nicht völlig äquivalent. Tschechisches spasit und slowakisches spasiť werden weitgehend gleich verwendet; zwischen diesen beiden Sprachen, dem polnischen zbawić und dem deutschen erlösen gibt es jeweils nur teilweise Überlappungen.
In allen vier Sprachen ist das religiöse Profil als zentrale Bedeutung vorhanden. Es bezieht sich auf erlösen/ zbawić/ spasiť/ spasit im Sinne von ‘von Sünden und Schuld befreien und auf diese Weise das ewige Leben ermöglichen’. Für das christliche Verständnis ist dabei der stellvertretende Tod Christi am Kreuz zur Errettung der Menschheit von zentraler Bedeutung. In den verglichenen Sprachen tritt erlösen/ zbawić/ spasiť/ spasit zum Teil mit unterschiedlichen Kollokatoren auf. Vgl. den Vers aus dem Vaterunser dt. erlöse uns von dem Bösen/ poln. zbaw nas ode złego versus slow. zbav nás zlého und tschech. zbav nás od zlého (slow. zbaviť/ tschech. zbavit ‘entledigen, befreien’), oder dt. von Sünden erlösen/ poln. zbawić od grzechów versus slow. oslobodiť od hriechov und tschech. vysvobodit z hříchů (slow. oslobodiť/ tschech. vysvobodit ‘befreien’). Im Polnischen, Slowakischen und Tschechischen tritt poln. dusza/ slow. duša/ tschech. duše ‘Seele’ als typischer Kollokator auf, z. B. poln. zbaw moją duszę ‘errette meine Seele’, slow. spasili svoju hriešnu dušu ‘ihre sündigen Seelen wurden errettet’, tschech. Misionáři se snažili spasit duše pohanů. ‘Die Missionare versuchten, die Seelen der Heiden zu retten.’ In allen vier Sprachen werden häufig auch die Wörter dt. Menschen, Menschheit/ poln. ludzie, ludzkość/ slow. ľudia, ľudstvo/ tschech. lidé, lidstvo oder Personalpronomina als Patiens erwähnt, vgl. dt. Jesus opferte sich der Menschheit, um sie zu erlösen., poln. Jezus jest mym Panem, Jezus zbawił mnie. ‘Jesus ist mein Herr, Jesus hat mich erlöst.’, slow. Hľa, ja spasím svoj ľud z celej zeme. ‘Siehe, ich erlöse mein Volk aus dem ganzen Land.’, tschech. Ježíš svou krví spasil lidstvo. ‘Jesus hat durch sein Blut die Menschheit erlöst.’
Das liberative Profil ist nur im Deutschen und Polnischen vorhanden. Es bedeutet ‘jemanden aus einer bedrängten Lage befreien, jemandem Freiheit verschaffen’. Beim deutschen erlösen kann in diesem Profil die Wortbildungsbedeutung (Ableitung von los) stärker ins Bewusstsein treten. Das Wort wird in diesem Sinne vorzugsweise in Texten wie Märchen oder Sagen verwendet und hat eine buchsprachliche Markierung; in der Allgemeinsprache wird gegenüber erlösen das Verb befreien bevorzugt. Im Polnischen wird das Wort zbawić verwendet, wenn es sich um eine ernsthafte Bedrohung für ein Land, die Welt oder die Menschheit handelt, z. B. zbawić Polskę od niewoli rosyjskiej ‘Polen von dem russischen Joch befreien’, zbawić ojczyznę ‘das Vaterland befreien, bewahren’. In anderen Fällen wird das verwandte Verb wybawić ‘retten’ gebraucht (z. B. wybawić z kłopotu ‘von einer Unannehmlichkeit befreien’).
Das hyperbolische Profil ist in allen vier Sprachen vorhanden. Es bedeutet ‘jemandem von einem unangenehmen Zustand abhelfen, etwas Lästiges überwinden helfen’. Die Verben erlösen/ zbawić/ spasiť/ spasit sind in diesem Profil ein Mittel einer emotionalisierten Ausdrucksweise, der Sprecher signalisiert mit dem Wort typischerweise Übertreibung, Ironie oder Scherz. In allen vier Sprachen sind jeweils mehrere Synonyme vorhanden, die der Sprecher bei einer emotional neutralen Einstellung verwenden kann, z. B. dt. befreien, retten, poln. wybawić ‘retten’, slow. zachrániť ‘retten’, pomôcť ‘helfen’, tschech. zachránit ‘retten’ pomoct ‘helfen’. Im Deutschen, Tschechischen und Slowakischen wird das hyperbolische erlösen/ spasiť/ spasit häufig im Sportslang verwendet, vgl. dt. Umstrittener Penalty erlöst den FC Basel in der Nachspielzeit., slow. Higuaín spasil Real štyrmi gólmi ‘Higuaín erlöste Real mit seinen vier Toren.’, tschech. Jágr spasil Capitals šťastnou trefou. ‘Jágr rettete Capitals durch ein glückliches Tor.’, domácí spasil až závěrečný hvizd ‘die Heimmannschaft erlöste erst der Schlusspfiff’. Im deutschen Sportslang wird häufiger das Partizip Präsens verwendet, (erlösend im Sinne von ‘Sieg bringend’), vgl. der erlösende Siegtreffer, das erlösende Tor usw. Im Polnischen, Slowakischen und Tschechischen wird zbawić/ spasiť/ spasit häufig verneint verwendet, z. B. poln. jeden konkurs nie zbawi polskiego teatru ‘ein Auswahlverfahren rettet das polnische Theater nicht’, slow. tých pár šupiek nás nespasí ‘die paar Kronen retten uns auch nicht’, tschech. stát nás v důchodu nespasí ‘der Staat rettet uns in der Rente nicht’. Durch solche Aussagen bringt der Sprecher auf eine saloppe Weise seine Geringschätzung einer Handlung zum Ausdruck; manchmal kann so auch Bescheidenheit oder Nüchternheit signalisiert werden, vgl. tschech. Je nám jasné, že tímto projektem nespasíme svět, ale doufáme, že se nám podaří zlepšit situaci alespoň v našem městě. ‘Es ist uns klar, dass wir mit diesem Projekt die Welt nicht retten, aber wir hoffen, dass es uns gelingt, zumindest die Lage in unserer Stadt zu verbessern.’ Im Slowakischen und Tschechischen wird häufig auch das reflexive spasiť sa/ spasit se ‘sich retten’ verwendet (gegenüber zachrániť sa, zachránit se hyperbolisch markiert), z. B. slow. zavčasu sa spasil útekom ‘er rettete sich rechtzeitig durch Flucht’, tschech. Nájemnice se před požárem spasila skokem z okna. ‘Die Mieterin hat sich vor dem Brand durch einen Fenstersprung gerettet.’ Das polnische Verb zbawić się gibt es zwar auch, aber es wird meistens in der religiösen Bedeutung ʻerlöst werdenʼ verwendet.
Das utopische Profil ist im Polnischen, Slowakischen und Tschechischen vorhanden und wird zumeist als Kollokation poln. zbawić świata/ slow. spasiť svet/ tschech. spasit svět ‘die Welt retten’ oder poln. zbawić ludzkość/ slow. spasiť ľudstvo ‘die Menschheit retten’ realisiert. Es bedeutet ‘eine bessere Ordnung, Lösung schwerwiegender Probleme oder einen makellosen Zustand herbeiführen’. Zbawić/ spasiť/ spasit wird in diesem Sinne i. d. R. hyperbolisch oder ironisch verwendet, der Sprecher drückt durch das Wort seine Zweifel an Handlungen und Bemühungen aus, bei denen man sich übertriebene oder unmögliche Ziele gesetzt hat oder die er als überbewertet ansieht. Vgl. Belege wie tschech.:
Zaujaly mě tlampače, které na projíždějících autech vyhlašovaly, že jedině jejich strana je ze všech stran nejstranovatější a jen ona spasí český a možná i slovenský národ. Přeřvávaly se a já uprostřed těch jarmarečních žvástů pelášil domů.
(Jaroslav Strnad, František Stramiska: Panoptikum, 1999)
oder slow.:
„A máš nejaký plán?“ „Myslíš plán na záchranu sveta? Spasiť Slovensko, vyriešiť rómsku otázku? Ja sa nemôžem pustiť do niečoho veľkého – skôr budem robiť – a už som začala – menšie veci.“
(Bohuš M.Rosinský, Texty zo SME blog, 2005)
oder poln.:
Mi też wiele rzeczy na tym świecie wkurza, ale zakazami świata się nie zbawi. Dlatego na przykład nie jestem za zakazem głupoty, a przecież nikt jej nie lubi.
www.forumowisko.pl [3.2.2008]
Das mortale Profil ist nur im Deutschen vorhanden und zumeist durch phrasemhafte Wendungen wie von langem Leiden erlöst werden, von seinen Altersbeschwerden erlöst werden u. ä. vertreten. Es handelt sich um verhüllende Ausdrücke für ‘sterben’, die typischerweise in Todesanzeigen verwendet werden. Manchmal kann auf eine ähnliche Weise auch über das Töten alter oder kranker Tiere gesprochen werden, z. B. Cäsar wurde eingeschläfert, erlöst von den Leiden. Lediglich im Slowakischen ist eine ähnliche Redewendung belegt, vgl. spasiť niekoho zo sveta ‘jmdn. aus der Welt schaffen, umbringen’; der Ausdruck ist heute veraltet.
Ausgehend von dem Deutschen gelten für erlösen im liberativen, hyperbolischen und mortalen Profil häufig andere Übersetzungsäquivalente als zbawić/ spasiť/ spasit. Vgl. beispielsweise folgende Wendungen (auf der Basis der Daten aus Český národní korpus - InterCorp): dt. Der Tod hat ihn von den Leiden erlöst./ poln. Śmierć wybawiła/ wyzwoliła go od cierpień./ slow. Smrť ho zbavila utrpenia/ tschech. Smrt ho zbavila utrpení.; dt. Er wurde aus der Einsamkeit erlöst./ poln. Został wybawiony od samotności./ slow. Zachránil sa zo samoty/ tschech. Zbavil se samoty.; dt. Er erlöste mich von der schrecklichen Hypnose./ poln. Uwolnił mnie od tej strasznej hipnozy./ slow. Vyslobodil ma z tej hroznej hypnózy./ tschech. Vysvobodil mě z té hrozné hypnózy.
In wie weit erlösen/ zbawić/ spasiť/ spasit als ein religiöses Wort wahrgenommen wird, ist vermutlich stark von dem jeweiligen lexikalischen und diskursiven Kontext abhängig. Für die metaphorische Verwendung des Lexems im hyperbolischen Profil, das besonders im Slowakischen und Tschechischen quantitativ überwiegt, scheinen religiös gegründete Vorstellungen von dem Erreichen eines ultimativen, besten Zustands und der Befreiung von vernichtender Schuld der Ausgangspunkt gewesen zu sein. Im Deutschen kann als Grundlage der Hyperbolisierung die gehobene, buchsprachliche Markierung des Wortes hinzutreten.
In allen vier Sprachen werden von erlösen/ zbawić/ spasiť/ spasit die Substantive dt. Erlöser/ poln. zbawca, zbawiciel/ slow. spasiteľ/ tschech. spasitel (im Poln., Slow. und Tschech. häufig großgeschrieben als Ausdruck religiöser Achtung) und dt. Erlösung/ poln. zbawienie/ slow. und tschech. spása abgeleitet, die primär im religiösen Kontext verwendet werden (Erlöser/ Zbawca, Zbawiciel/ Spasiteľ/ Spasitel meistens in Bezug auf Jesus). Ihre Übertragung auf nicht-religiöse Sachverhalte signalisiert in allen vier Sprachen i. d. R. eine distanzierte, ironisierende Einstellung des Sprechers (z. B. dt. Milošević präsentiert sich als neuer Erlöser des angeblich seit ewig unterdrückten serbischen Volks) oder ist ein Mittel einer emotionalisierten, hyperbolischen Ausdrucksweise (z. B. tschech. Většina uprchlíků hledala spásu v Praze. ‘Die meisten Flüchtlinge haben ihre Rettung in Prag gesucht.’).