Sprachvergleich
Guru – guru – guru – guru
Die semantische Entwicklung des Wortes in den hier betrachteten Sprachen ist weitgehend identisch. Das Lexem wurde zunächst nur in Fremdwörterbüchern verzeichnet und als Exotismus zur Bezeichnung religiöser Führer und Lehrer in indischen Religionen verwendet.
Seit Ende der 1960er Jahre etabliert sich parallel zur Verbreitung fernöstlicher religiöser und lebensphilosophischer Ideen im deutschen Sprachraum zunächst das Lifestyle-Profil des Wortes. In den slawischen Sprachen tritt dieses Profil verstärkt seit den 1990er Jahren auf. In den letzten zwanzig Jahren wurde die Bedeutung des Lexems in allen vier Sprachen außerdem um ein Expertenprofil erweitert. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um eine Lehnprägung aus dem Englischen. Außerdem liegen manche semantischen Ähnlichkeiten des Expertenprofils mit dem religiösen und Lifestyle-Profil auf der Hand. Beispielsweise werden das Spezialwissen, besondere Fähigkeiten und das Charisma eines außerordentlichen Künstlers oder Firmengründers mit den geheimnisvollen Anlagen eines Gurus gleichgesetzt; auch seine Führer- und Vorbildrolle wird thematisiert. Die Bedeutungswörterbücher der betrachteten Sprachen stellen i.d.R. beide übertragenen Profile gemeinsam in einem Eintrag dar, die metaphorische Bedeutung wird meistens mit Begriffen wie ‘Lehrer, Autorität, Vorbild’ u.Ä. beschrieben.
Die Ausbildung der drei aufgeführten Profile ist eine gesamteuropäische Entwicklung. Da bisher auch keine landesspezifischen kulturellen, politischen oder sozialen Diskurse zu Guru zu verzeichnen waren, ist es noch zu keiner Sonderentwicklung von Profilen in einer der betrachteten Sprachen gekommen.
Im Deutschen wird das Substantiv Guru dem natürlichen Geschlecht nach als Maskulinum verwendet, im Plural trägt es die Endung –s, die auch sonst für untypisch auslautende Fremdwörter üblich ist. In den slawischen Sprachen ist das Wort ebenfalls ein Maskulinum. Die Inkompabilität des Wortes mit den jeweiligen morphologischen Systemen wird entweder dadurch umgangen, dass das Wort nicht dekliniert wird (so ausschließlich im Polnischen, teilweise im Tschechischen und Slowakischen), oder es wird an die Deklination von Masculina Animata angepasst (vgl. im Tschechischen die Formen gurua, guruové, guruovi etc. und im Slowakischen gurua, guruovia, guruov etc.).
Die Wortbildung zu dem Lexem ist in den betrachteten Sprachen zahlenmäßig gering, im Polnischen konnten keine Derivate und Komposita belegt werden. Es werden entsprechende Adjektiv-Adverbien gebildet, vgl. dt. guruartig, guruhaft und gurumäßig, tschech. guruovský, guruovsky und slow. guruovský, guruovsky. Im Tschechischen und Slowakischen finden sich auch die regelmäßig gebildeten Possessivadjektiva tschech. guruův bzw. slow. guruov. Im Deutschen werden mit Guru Komposita gebildet, z. B. Börsenguru, Gurubewegung, Gurumeister, wie auch zahlreiche Ad-Hoc-Bildungen, z. B. Fitnessguru, Modeguru, Spar-Guru, Parteiguru etc. Dieselben Sachverhalte werden in slawischen Sprachen durch Syntagmen wiedergegeben, vgl. poln. guru mody, slow. módny guru und tschech. módní guru oder poln. internetowy guru, slow./ tschech. internetový guru usw.
Da Guru/ guru nicht zu den Kernkonzepten der deutschen bzw. der westslawischen Kulturen gehört, werden in den untersuchten Sprachen keine Phraseme oder Sprichwörter mit diesem Wort gebildet.