Sprachvergleich
koscher – koszerny – kóšer – košer
Das aus dem Westjiddischen כּשר stammende Adjektiv koscher – koszerny – košer – kóšer weist im gegenwärtigen Sprachgebrauch der hier verglichenen Sprachen eine stabile Polysemie des Typus religiös-profan auf. Im vorliegenden Wörterbuch werden für das Lemma ein religiöses und ein säkulares Profil angeführt. Das religiöse Profil bezieht sich auf rituelle Reinheitsgesetze im Judentum. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Sprachen bestehen zunächst in der Grammatik, im Tschechischen und Slowakischen ist das Adjektiv košer indeklinabel, die frühere Form košerný ist im gegenwärtigen Tschechischen nicht mehr vorhanden, im Slowakischen werden beide Formen gebraucht, vgl. kóšerné víno, kóšerná reštaurácia, kóšerná domácnosť, kóšerné potraviny sowie kóšer fastfood, kóšer kuchyňa, mäso kóšer. Die Kollokationen in allen vier Sprachen sind deckungsgleich und beziehen sich i.d.R. auf Lebensmittel und deren Zubereitung, vgl. koscheres Essen, koscheres Fleisch, koscheres Schächten, koszerna kuchnia, koszerna wódka, koszerne mięso, košer víno, košer jídlo.
Im säkularen Profil steht das Attribut koscher – koszerny – košer – kóšer für ‘tadellos, in Ordnung, einwandfrei, erlaubt, legal, zuverlässig, sicher’. Im Deutschen, Tschechischen und im Slowakischen wird das Wort typischerweise einschränkend negiert, vgl. Etwas kommt jmdm. nicht ganz koscher vor – Není to úplně kóšer – To nie je úplne kóšer ‘Das ist nicht ganz koscher’. Solche Aussagen entsprechen dem Gesetz- oder Moralempfinden des Sprechers. Ähnlich wird das Adjektiv auch im Gegenwartspolnischen angewandt, vgl. to nie jest koszerny biznes ‘das ist kein koscheres Geschäft’. Der Begriff weist jedoch im Polnischen weitaus mehr Anwendungsbereiche als in den andern drei Sprachen auf. Vor allem bei der jüngeren Generation wurde koszerny zum Modewort. In manchen Kreisen wird zudem ein pejorativer Gebrauch, mit antisemitischem Beigeschmack festgehalten. Das Verwendungsspektrum des Lexems ist selten neutral. Die pejorativen Bedeutungen kommen am häufigsten im politischen, rechtspopulistischen Diskurs vor. Diese reichen, von indirekten feindlich gesinnten Äußerungen mit antisemitischem Beigeschmack bis hin zum Gebrauch des Lexems als Schimpfwort – gegenüber liberalen Politikern oder z.B. als Bezeichnung der linksliberal orientierten, größten Tageszeitung Polens Gazeta Wyborcza. (siehe Ewa Geller, 2012).
Im säkularen Profil wird die ursprünglich sakrale Bedeutung der jüdischen Reinheitsgesetze vor allem von jüngeren Sprechern mit gesunder Ernährung oder besonders hochqualitativen Lebensmitteln assoziiert, vgl. (pol.) koszerna dieta ‘eine fleischlose Diät’ oder koszerna wódka ‘als Markenname eines hochwertigen Wodkas’. Darüber hinaus wird im Polnischen eine einfache relationale Funktion des Adjektivs koszerny als ‘in Bezug mit Judentum stehend’ festgehalten, vgl. koszerna muzyka ‘koschere, d.h. jüdische Musik’.
Zusammenfassend erweist sich das säkulare Profil in allen vier Sprachen als semantisch produktiv und erweiterbar.