Sprachvergleich
lästern – bluźnić – rúhať sa – rouhat se
Für alle hier miteinander verglichenen Sprachen wurden in SuP zwei Profile ausgegliedert: ein religiöses und ein säkulares bzw. diskreditierendes Profil. Das diskreditierende Profil im Deutschen unterscheidet sich dabei deutlich vom säkularen Profil in den slawischen Sprachen.
Die Unterschiede in der Semantik der Lemmata in den Einzelsprachen liegen darin begründet, das sie sind von der ihrer Bedeutung her nicht äquivalent sind. Zunächst ist festzustellen, dass nicht nur das Deutsche lästern, sondern auch die Wörter bluźnić im Polnischen und rúhať sa/ rouhat se im Slowakischen bzw. im Tschechischen auf verschiedene Etyma zurückgehen, denen keine gemeinsame Lehnübersetzung aus dem Griechischen oder Lateinischen zugrunde liegt. Obwohl in allen Sprachen zwei Profile vorhanden sind, haben sie jeweils verschieden Bedeutungskerne: Im heutigen Deutsch bedeutet lästern vor allem ‘tratschen, schlecht reden’ und wird nicht als primär religiös empfunden (wohl aber die Substantive Lästerung und noch stärker das Kompositum Gotteslästerung). Im synchronen modernen Slowakisch und Tschechisch ist die Komponente ‘fluchen’ dominant. In diesen drei Sprachen stehen also die säkularen Verwendungskontexte im Vordergrund. Im Polnischen ist dagegen das religiöse Profil stärker entwickelt, während der Gebrauch von bluźnić im säkularen Profil veraltet ist.
Einzelsprachlich fächert sich das Lemma folgendermaßen auf: Im Deutschen drückt lästern im religiösen Profil einen Sprechakt aus, mit dem ein religiöses Tabu gebrochen wird. Mit lästern gegen den Heiligen Geist wird eine Sünde bezeichnet, von der im Neuen Testament gesagt wird, dass sie nicht verziehen werden kann. Es handelte sich bei solchen Sünden um Wirkungen des Heiligen Geistes wie z.B. Krankenheilungen, die von den Feinden der christlichen Lehre dem Wirken von Dämonen zugeschrieben wurden.
Im säkularen Profil ist das Wort ein Synonym zu fluchen. Das Wort gehört jedoch der gehobenen Sprache an und konnotiert entweder ein Verstoß gegen gesellschaftliche Normen bzw. es wird als scherzhafte und den Sprecher leicht entschuldigende Form des Fluchens aufgefasst. Vgl. folgende Definition: „sich missbilligend äußern, indem man die Schwächen, Mängel oder Fehler von jmdm./ etw. (übertrieben) herausstellt“. Es kann auch adhortativ verwendet werden: „Wir sollten nicht so lästern.“ Typischerweise stellt man sich ein vertrauliches Gespräch unter Freunden oder Bekannten mit wenig Selbstkontrolle vor. In diesem Profil kommt auch das Kompositum „Lästerschwester(n)“, das synonymisch mit Klatsch und Tratschgebraucht wird, aber nicht wie das Verb der Buchprache angehört.
Es wird nicht beabsichtigt, durch Kritik Veränderungen herbeizuführen, sondern man will sich abreagieren und seiner Missbilligung freien Lauf lassen. Der Sprecher kann auch feindliche Absichten verfolgen, z. B. jemanden auszugrenzen. In der Publizistik auch als redeeinleitendes Verb im Sinne von ‘sich beklagen’ verwendet.“(Quelle?)
Im Polnischen ist bluźnić im religiösen Profil in etwa mit dem Deutschen lästernidentisch, kann aber auch mit schmähen übersetzt werden. Es sind vor allem verbale Tabubrüche, d.h. Verstöße gegen Gottes Gebote. Im folgenden Beispiel kann auch die Leugnung des eigenen Glaubens gemeint sein. (Bsp.: Dlatego uważam, że muzułmanie są mądrzejsi i do nich należy przyszłość. Rozumieją, że jeśli się wierzy naprawdę, można się wiary zaprzeć, można nawet bluźnić, byle zachować życie.‘Deswegen bin ich der Meinung, dass die Muslime klüger sind und ihnen die Zukunft gehört. Sie verstehen, dass wenn man wahrhaft glaubt, kann man den Glauben verleugnen, ja sogar freveln, wenn es darum geht, zu überleben.’) Bluźnić rückt in die Nähe des Frevels (vgl. Robert krzyczy, bluźni, niszczy wszystkie świętości ‘Robert schreit, flucht und tastet alles Heilige an’ oder auch bluźnić przeciw Kościołowi ‘gegen die Kirche fluchen’). Dies zeigt sich deutlicher bei einigen Derivaten wie im Adjektiv bluźnierczy ‘blasphemisch, frevelhaft, gotteslästerlich, sakrilegisch’, das am Rande auch auf eine Handlung rekurriert oder noch klarer bei bluźnierstwo, dass sichauch auf Handlungen und Werke bezieht, z.B. in der Kunst, die als Verletzung religiöser Gefühle interpretiert werden.
Die primär religiöse Bedeutung wird dadurch verstärkt, dass bluźnić mit der Bedeutung ‘fluchen’ im säkularen Profil veraltet ist und durch die Synonyme kląć/ przeklinać oder bluzgać verdrängt wird. Das letzte Verb ist durch Assonanz entstanden und ist eine Art Euphemismus zu dem stark anprangernden bluźnić. In religiöser Bedeutung wird meistens noch eine syntaktische Ergänzung erwartet: bluźnić przeciw + Dat.: bluźnić przeciw Bogu/ ~ przeciw Ojczyźnie. Säkular verwendet ist es ein einstelliges Verb: X bluźni.
Im Slowakischen und Tschechischen ist rúhať sa/ rouhat se im Wesentlichen auf verbale Akte eingeschränkt. Im religiösen Profil bedeutet das den Tabubruch gegen den unangemessenen Gebrauch von Gottes Namen. Die beiden Lexeme können aber auch ähnlich wie lästern marginal in Kontexten gebraucht werden, in denen auch Handlungen (mit-)gemeint sein können. (vgl. slow. rúhať sa proti Duchu Svätému ‘den Heiligen Geist lästern’ bzw. Ich duch sa vrcholne overil vo vojne s Rimanmi, ktorí ich týrali a mučili, pálili a lámali, podrobovali ich všetkým druhom mučenia, aké im len prišlo na um, a to všetko preto, aby ich donútili rúhať sa Zákonodarcovi alebo zjesť niektorú zakázanú potravu.‘Ihr Geist erwies sich als hochherzig im Krieg mit den Römern, die sie plagten und quälten, verbrannten und brechen wollten. Die Römer unterwarfen sie allen möglichen Arten an Torturen, die ihnen in den Sinn kamen, und das alles, um sie zu zwingen, den Gesetzgeber zu lästern oder irgendeine verbotenen Speise zu essen.’). Im säkularen Profil stellt das Wort eine gehobene Variante zu ‘fluchen’ dar. Auch hier steht es nicht selten in Kookkurrenz mit Wörtern der religiösen Sphäre, was auch hier darauf hinweist, dass es einen Tabubruch zumindest konnotiert (vgl. slow. rúhať sa ako pohán ‘fluchen wie ein Heide’, Rúhal sa rečami o sebe ako dobrom katolíkovi a hrdom komunistovi ‘Er lästerte über sich als einen guten Katholiken und stolzen Kommunisten’; tschech.: Rouhat se může pouze člověk věřící. Když se takzvaně rouhá člověk nevěřící, tak si o něm člověk pomyslí , že je chudák, protože neví, o čem mluví. ‘Lästern kann nur ein gläubiger Mensch. Wenn sozusagen ein ungläubiger Mensch lästert, denkt man über ihn, dass er ein armer Wicht ist, weil er nicht weiß, wovon er redet.’)
Im säkularen Profil tauchen zwei Bedeutungsfacetten auf. Neben ‘fluchen’ bedeutet rúhať sa/ rouhat sehäufig gleichzeitig auch ‘sich beschweren, seinem Herzen Luft machen, angeben’, weist also gegenüber tschech. klít, slow. kliať‘beides: fluchen’ neben der expressiven Stimmungsentladung auch einen spezifischeren semantischen Aspekt auf.
Aufgrund der deutlichen Trennung von religiöser und säkularer Sphäre und der Dominanz des säkularen über das religiöse Profil (bzw. umgekehrt wie im Polnischen) kann man den Säkularisierungsvorgang als abgeschlossen oder als rückläufig (wie im Polnischen) ansehen. Es liegt in allen Sprachen eine stabile Polysemie zwischen dem religiösen und dem säkularen Profil vor. Demnach sind keine wesentlichen Erweiterungen der Domänen oder Verwendungskontexte in nächster Zeit zu erwarten, wenngleich das Verb lästern,rouhat se dabei ist, sich einige neue Domänen wie z.B. die Verwendung im Sportslang zu erobern. (vgl. tschech. "to prostě všechno na h...o!," rouhal se teprve 33letý hráč ‘“Das ist einfach alles Sch…!“ , lästerte der erst 22-jährige Spieler ab.’;"Vůbec jsme totiž nebyli daleko od toho, abychom vyhráli obě utkání," lehce se rouhal trenér SKUP Štěpán Válek. ‘“Wir waren überhaupt nicht weit davon entfernt, beide Spiele zu gewinnen“, regte sich der Trainer von SKUP Štěpán Válek auf.’)Außerdem könnte das säkulare Profil im Polnischen als Mittel zur Erhöhung der stilistischen Variationsbreite in der Publizistik eine Wiederbelebung erfahren.
Die Wortbildung geht einzelsprachlich jeweils vom religiösen Profil aus. Lässt man allerdings die Bildungen mit Gott-/ boho- als erstem Element sowie inzwischen veraltete Derivate außer Acht, so zeigt sich, dass die gleichen Wortbildungen in den säkularen Profilen wieder auftauchen, also sich nur im Verwendungskontext vom religiösen Profil unterscheiden. Ausnahmen sind von der Regel nur Pl.t. bluźnierstwa ‘Schimpfwörter’ und (Gottes-)Lästerung im Deutschen, die der säkularen Sphäre angehören.
In Bezug auf die Phraseme lassen sich im religiösen Profil keine eigentlichen phraseologischen Wendungen, wohl aber einige immer wiederkehrenden Kollokationen ausmachen. Entweder handelt es sich um feststehende Wendungen der Bibelsprache wie rouhat proti Bohu ‘Gott lästern’, bluźnić (przeciwko) Bogu/ niebu/ Kościołowi/ świętościom ‘Gott, den Himmel, die Kirche, die heiligen Dinge lästern’u.a., ruhaťsa proti Duchu Svätému ‘den Heiligen Geist lästern’ oder um verschiedene Formeln mit hoher Frequenz: nerouhej se ‘Lästere nicht!’, Nechcí sa rouhat, ale… ‘Ich will mich nicht beklagen, aber…’,böse Zungen lästern/ laut lästern.