Übersicht
religiös-personal | religiös-literarisch | säkular | charismatisch | innovativ | |
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Deutsch | |||||
Polnisch | |||||
Slowakisch | |||||
Tschechisch |
de:12345
pl:12345
sk:12345
cz:12345
Sprachvergleich
Prophet – prorok – prorok – prorok
In allen hier untersuchten Sprachen sind jeweils fünf Profile vorhanden: ein religiös-personales, ein religiös-literarisches, ein säkulares, ein charismatisches sowie ein innovatives Profil. Zusätzliche Profile in einzelnen Sprachen wurden für Prophet nicht ausgegliedert.
Das religiös-personale Profil: es handelt sich um den berufenen Sprecher Gottes, einen in seinem Auftrag handelnden ‘Verkünder’. Da der biblische Kanon geschlossen und in den großen christlichen Kirchen kein Prophetenamt vorgesehen ist (sie kommen dagegen als charismatisches Amt in christlichen Religionsgemeinschaften wie bei verschiedenen Apostolischen Kirchen vor oder bezeichnen heute auch ein hohes Kirchenamt wie z.B. bei den Mormonen), nehmen die meisten Verwendungen in diesem Profil auf das Alte Testament Bezug, was durch Kollokationen wie dt. biblischer Prophet, tschech. biblický prorok, alttestamentalische Propheten, tschech. starozakonní proroci, jüdischer Prophet, slow. židovský prorok usw. angezeigt wird.
Das religiös-literarische Profil stellt eine metonymische Übertragung von der Person auf eine literarische Gattung dar. Es ist auf den kirchlichen Gebrauch beschränkt. Typisch sind synekdochische Fügungen, in denen in einer totum-pro-parte-Relation der Prophetenname wie oder als ein Buchtitel behandelt wird: vgl. beim Propheten (Jesaja) lesen wir…/ slow. U proroka (Izaiáša) čítame...; tschech. V Prorocích se projevuje moc Božího slova ‘in den Propheten zeigt sich die Kraft des göttlichen Wortes’.
Beim säkularen Profil handelt es sich um eine metonymische Übertragung eines Teilaspekts, auf das die Rolle des Propheten irrtümlicherweise ebenfalls oft reduziert wird, nämlich die Fähigkeit des Visionärs zum Vorhersagen von zukünftigen Ereignissen, auf säkulare Zusammenhänge, es ist ‘jmd., der die Zukunft vorhersagt’. Für dieses Profil sind Prädikativa wie <jmd.> ist ein/ kein Prophet/ poln. <ktoś> jest/ nie jest prorokiem typisch. In der ersten Person ist es oft ironisch gebraucht oder wird zur Abwehr von Zukunftsaussagen oder zur Betonung der Unsicherheit einer Aussage gebraucht. Relationale Adjektive geben dabei oft die Domäne (tschech. levicový prorok ‘Prophet der Linken’, slow. novodobý prorok ‘Prophet der modernen Zeit’, moderný prorok ‘moderner Prophet’) an oder drücken ein Werturteil aus (tschech. mizerný prorok ‘armseliger Prophet’, slow. zlý prorok ‘Prophet, der Schlimmes vorhersagt’).
Das charismatische Profil ist ebenfalls eine metonymische Übertragung eines weiteren Teilaspekts vieler religiöser Seher, dass sie in Krisenzeiten als berufene (politische) Führer ihres Volkes auftreten. Während in den slawischen Sprachen nicht selten im Zeitalter der nationalen Wiedergeburt Erwecker und Führer des Volkes als prorok ‘Prophet’ bezeichnet wurden (vgl. poln. narodowy prorok ‘nationaler Prophet’, slow. národný prorok), oft in Synonymgruppen (slow. kriesiť schopných prorokov a múdrych vodcov národov‘fähige Propheten und kluge Führer der Völker erwecken’, tschech. proroci, vojevůdci, politici ‘Propheten, Heerführer, Politiker’), verwendete man das Wort im Deutschen selten für nationale Führergestalten (statt dessen findet man in dieser Funktion eher Führer, Erwecker, Vater usw.). Dagegen wird im Deutschen dadurch heute die Hochschätzung für eine Führungsgestalt einer Bewegung oder Ideologie durch die Anhänger ausgedrückt. (typisch sind aber auch Aussagen von Außenstehenden wie selbst ernannter Prophet, wird von seinen Anhängern als „Prophet und Reformator“ gepriesen, gilt in Esoterik-Kreisen als Star unter den Propheten).
Das innovative Profil bezeichnet den Urheber einer neuen Bewegung oder eines Stils u.Ä., einen Trendsetter. Der Wortgebrauch ähnelt der Verwendung von Guru, wobei ebenso wie bei Guru Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Integrität des so Bezeichneten oder der von ihm vertretenen Anschauungen ausgedrückt werden. Während im charismatischen Profil mitunter Hochachtung gegenüber einer Person aus der Innenperspektive vorliegt, drückt dieses Profil meist Kritik aus und stellt eine Außenperspektive dar. Es liegen überwiegend substantivische Ergänzungen im Genitiv vor, die die Domäne angeben, in dem eine Person als Prophet betrachtet wird (vgl. dt. Prophet der Aufklärung, Prophet des Aktionärskapitalismus, poln. prorok postmodernizmu ‘Prophet des Postmodernismus’, prorok beat generation ‘Prophet der Beat Generation’, evtl. ergänzt um Adjektive, die die Aussage und den Aspekt der Aktualität verstärken (vgl. poln. największy ‘größter’, pierwszy ‘erster’, slow. nový ’neu’, vgl. slow. prorok nového protekcionizmu ‘Prophet eines neuen Protektionismus’, prorok novej kultúry ‘Prophet einer neuen Kultur’) oder aber es werden Kollokationen mit relationellen Adjektiven gebildet (tschech. hudební prorok ‘musikalischer Prophet’, kontrabasový prorok ‘Kontrabassprophet’).
Während das säkulare und das charismatische Profil schon lange in den untersuchten Sprachen vorhanden sind, ist die Verwendung des Wortes im innovativen Profil neueren Datums. Hier steht es für die Sakralisierung säkularer Domänen wie Kunst, Musik und Sport und hat seine Entsprechung in Synonymen, die in gleicher oder ähnlicher Funktion ebenfalls der Sphäre des religiösen Wortschatzes entnommen werden (vgl. Messias, Guru, Papst).
In den slawischen Sprachen tauchen lediglich regelmäßige adjektivische, substantivische und verbale Ableitungen auf: poln. proroczy (selten auch: prorocki), slow. prorocký, dt. prophetisch; dt. Prophezeiung, Prophetie, poln. proroctwo, slow. proroctvo, tschech. proroctví; slow. prorokyňa,dt. Prophetin; (vy-, za-)prorokovať prophezeien (pf.), daneben gibt es noch das Kompositum tsch., slow. lžeprorok/ Lügenprophet. Im Deutschen gibt es wie üblich einige Substantivkomposita verbreiteter, wenn auch nur wenige: Prophetenbuch, Prophetengabe. Im Polnischen sind okkasionell ein Diminutiv proroczek/ Prophetlein und ein Feminativum proroczka ‘weibl. Form von prorok’ (neben der gehobenen prorokini) möglich, die Distanz und Ironie ausdrücken.
Die Phrasematik ist in den Sprachen sehr ähnlich und nimmt entweder auf die Rolle des Propheten als Seher und Zukunftsdeuter oder auf das biblische Schema Bezug (Niemand ist Prophet im eigenen Land). Im Deutschen existiert eine ironische Beschwörungsformel beim Barte des Propheten, die offenbar aus der islamischen Kultur stammt und im Gefolge einer orientalisierenden Exotik durch die Karl-May-Romanen im 19. Jahrhundert m deutschen Sprachraum eingebürgert worden ist.