Übersicht
religiös | intensivierend | ethisch | |
---|---|---|---|
Deutsch | |||
Polnisch | |||
Slowakisch | |||
Tschechisch |
de:123
pl:123
sk:123
cz:123
Sprachvergleich
Teufel – diabeł – diabol – ďábel
Das zentrale personale Konzept Teufel ist in allen vier untersuchten Sprachen durch Lexeme vertreten, die auf das griechisch-lateinische diabolos/ diabolus zurückgehen, wobei sich grundlegende Unterschiede zwischen dem Deutschen und den westslawischen Sprachen zeigen. Die westslawischen Lexeme diabeł – diabol – ďábel gelangen mittels germanischer Formen in den Wortschatz. Während Teufel an engeren Synonymen lediglich stilistisch dem Fremdwort diabolos/ diabolus (DUW) gegenübersteht, konkurrieren die slawisierten Lexeme darüberhinaus lexikalisch-semantisch mit dem Synonym czart/ czort – čert – čert und im Polnischen noch scherzhaftes kusy. Konzeptgeschichtlich waren noch viele weitere Begriffe, die sich im vorliegenden Wörterbuch als Synonyme erfasst finden, prägend, was als Zeugnis einer begrifflichen Vieldeutigkeit und konfessionell wie historisch-regional heterogener Bibelexegese gelesen werden kann. Aktuelle Schlüsselbegriffe sind Antichrist [vgl. SuP], Satan und Luzifer, in denen sich die Motive des Widersachers und des gefallenen Engels variieren und überschneiden. Darüber hinaus sind andere dämonologische Konzepte bösartiger oder schädlicher Wesen wie böser Geist (vgl. etwa Lk 11, 14 und Lemma Geist in SuP) bedeutsam, die oft mit Geisteskrankheiten in Verbindung gebracht wurden. In vielen Religionen gibt es außerdem Gegengötter, die partielle Ähnlichkeiten und thematische Konvergenzen zu Teufelskonzepten zeigen. Diese finden sich im Christentum nicht, im Laufe der Geschichte der Bibel und der christlichen Theologie hat Teufel das nunmehr gleichbedeutende Satan nicht vollständig ersetzt, aber eingeholt und wird auch von Antichrist im Allgemeinverständnis nicht mehr klar unterschieden. Dieser begrifflichen Zentralisierung in der Konzeptgeschichte stehen lexikalisch vor allem weitere slawische Synonyme von czart/ czort – čert – čert gegenüber, die dämonologische und folkloristische Bedeutungskomponenten in die Teufelskonzepte hinein-, bzw. zurücktragen. Während im Deutschen Teufel im religiösen Sinne zwar bibelsprachlich ist, wird es aber im heutigen Sprecherbewusstsein stark mit folkloristischen, populärkulturellen und ‘abergläubig’ naiven vor- oder nichtchristlichen Vorstellungen assoziiert, als religiös-theologischer Begriff ist dagegen im deutschen Diskurs Antichrist geläufiger. Im Deutschen und Westslawischen kommt also die stilistische Opposition von Fremd- und Eigenwort historisch bedingt mit unterschiedlichen lexikalischen Ergebnissen, aber in gleicher Funktion zur Geltung. Teufel als Konzept behandelt keine Person im anthropologischen Sinne, sondern eines als kognitive Schablone geformten Einzelwesens, einer Verkörperung als unterscheidbarer und identifizierbarer Wesenheit. Insoweit ist sie abstrakter als eine Person aber konkreter als eine unpersönliche Wirkmacht, was in Kontrast zu Antichrist deutlich wird, der anonym-unpersönlich als durch verschiedene Instanzen und Kategorien wirksame Macht betrachtet wird.
Für alle vier Sprachen liegen ein religiöses, ein intensivierendes und ein ethisches Profil vor. Das religiöse Profil stellt die lexikalische und konzeptuelle Basis dar, auf die die beiden säkularen Profile metaphorisch aufbauen. Alle drei Profile sind in den drei Sprachen fest etabliert, im religiösen Profil ist die Frequenz jedoch tendenziell rückläufig, während sich die säkularen Profile produktiv neue Domänen erschließen. Ausnahme hiervon ist das intensivierende Profil im Tschechischen, wo es wie in den anderen Sprachen in drei konkreteren Ausprägungen – ‘„wildes“ Kind’, ‘markante „Persönlichkeit“ des öffentlichen kulturellen Lebens’und ‘bewundernd über einen Sportler’vorliegt, allerdings mit einer sehr geringen Belegdichte. [Zum Vergleich: Ähnliches gilt im vorliegenden Wörterbuch für das Rettungsprofil in Noemova archa im Tschechischen, wo allerdings aufgrund einer vergleichsweise noch wesentlich schlechteren Belegbarkeit kein Rettungsprofil für das Tschechische postuliert wurde (vgl. auch die dort angegebene Literatur).] In weiterer Forschung wäre die These zu überprüfen, ob im Mainstream des religiösen Diskurs Teufel und Hölle als Schlüsselkonzepte hinwegschwinden, während sie in neokonservativ geprägten Strömungen an Land gewinnen. Die säkularen Profile zeichnen sich durch einen axiologisch gegenläufigen Wertungsaspekt aus, wobei Teufel im intensivierenden Profil auch indirekte negative Wertungen implizieren kann, jedoch liegt der Fokus auf einer positiven Umwertung, die die Wahl des Lexems Teufel provoziert. Prinzipiell kann für das intensivierende Profil eine Adaption semantischer Merkmale des religiösen Profils angesetzt werden, bei der sich diese auf axiologischer Ebene ins Positive verschieben. Im Gegensatz dazu beinhaltet das ethische Profil ausschließlich eine negative Wertung und ist semantisch-pragmatisch auch nicht vollständig säkularisiert; manche Belege haben eine klar religiöse Referenzfolie, manche sind abstrakt und damit oft ambivalent, da die Folie nicht explizit wird, andere sind klar ideologisch. Die Unterscheidung der beiden Profile erschöpft sich jedoch nicht in dieser axiologischen und sakrologischen Gegenüberstellung. Sind für die Gebrauchsmuster im intensivierenden Profil Konnotationen wie Vitalität, Genialität, Charakter und Freiheitsliebe typisch, so ist für das ethische Profil insbesondere eine Domänenanalyse aufschlussreich. Die Belege zeigen, dass zwei Muster in allen Sprachen verbreitet sind: eine charismatische Einzelperson, historisch oder fiktiv, oft als literarische Gestalt, die ein bösartiges und verschwörerisches Projekt verfolgt und entfaltet, sowie andererseits das Muster des Trägers einer geopolitischen bösen Macht, der eher metonymisch und funktional eine politische Seite repräsentiert, vgl. auch das Phrasem rudý ďábel / roter Teufel ‘Kommunist’ im Tschechischen, in allen Sprachen sind häufige Diskurskollokatoren Saddam Hussein sowie amerikanische und russische Präsidenten. Dieses Muster entspricht in seiner pathetisch-dramatischen „Verteufelung“ der Reinform des ethischen Profils und wird in journalistischen Genres oft auch ironisch verwendet, im ersten Muster kann der jeweilige Teufel auch sympathische Züge tragen, was dann einen Übergang zum intensivierenden Profil anzeigt.
Über alle Profile hinaus sind einige semantisch-syntaktische und satzpragmatische Funktionen tragend, die in der Lexikographie umschrieben werden (z.B. Kommunikationsmodi wie Fluchen, Erbostheit und Verärgerung, vgl. HAMMEL 2011). Sie treten vor allem in der Phraseologie und Wortbildung auf. Diese Funktionen sind Dynamisierung und Intensivierung (Steigerung der Aussage, Ausdruck eines extremen Maßes von etwas), Negation (Dt. weiß der Teufel, Tsch. Ďábla se starali) und Indefinität und Indifferenz (Ausdruck von Beliebigkeit und Ungenauigkeit), vgl. bůhvíco und čertvíco (HAMMEL 2011), besonders oft in Bezug auf den erwartungsgemäß identischen Effekt der Wahl zwischen zwei oder mehreren Optionen, dies vor allem im Westslawischen, vgl. Tschech. čert jak ďábel und Deutsch den Teufel mit/ durch Beelzebub austreiben; zwischen Teufel und Beelzebub wählen (äquivalent zu zwischen Pest und Cholera wählen). Sie sind generell expressiv aufgeladen und lassen sich aus der Wortsemantik von Teufel ähnlich wie die beiden säkularen Profile ableiten. Die Phraseologie ist maßgeblich an der Dynamik semantisch-pragmatischen Wandels beteiligt, sie leistete dem heutigen Bedeutungsspektrum Vorschub. Sie ist sehr reich entwickelt und viele Phraseme lassen sich vor dem Hintergrund aller drei Profile interpretieren, vgl. nochmals die Karriere von roter Teufel in allen Sprachen – zuerst als von der typischen Farbe des Teufels abgeleiteten Bezeichnung für die „wilden Indianer“, also die amerikanische indigene Bevölkerung durch die europäischen Kolonisatoren, bezeichnet das Phrasem nun im intensivierenden Profil Sportsmannschaften (es handelt sich um Eigennamen und einen Einfluss des Englischen) und im ethischen Profil die Kommunisten (vgl. za komanče ‘unter den Kommunisten’ wörtl. Zur Zeit des Komantschen, in den Romanen Karl Mays der feindliche Indianerstamm der „guten“ Apatschen). Hinzu treten kontextspezifischere Kollokationen, Synonyme und Opposita, typisch für das Westslawische sind drastifizierende Adjektiv-Kollokatoren wie Poln. diabeł wcielony oder Slow. und Tschech. hotový diabol/ ďábel – eine Tautologie, da die Wortwahl Teufel bereits einen semantischen Superlativ darstellt. Weiterhin können als sprachliche Muster Bildungen gezeigt werden, bei denen sich die absolute Semantik des Teufels auf bestimmte Bereiche begrenzt und Bedeutungen wie ‘besondere Schwierigkeit, Falle, böser Geist einer Sache oder eines Bereichs; bösartige unheilbringende Logik; etc. ’ hervorbringt, was Komposita im Deutschen (Fehlerteufel, Verletzungsteufel) oder Kollokationen vom Typ ďábel + Nomen im Genitiv im Tschechischen zeigen (ďábel komerce/ nationalismu/ terorismu nudy …). Dem Druckfehlerteufel entspricht im Poln. chochlik drukarski. Das Substantiv chochlik bezieht sich auf ein bissiges, Streiche spielendes Märchenwesen, einen diabełek/ Teufelchen (Diminutiva verharmlosen die Ausgangsbedeutung). Die Wortbildung ist zwar stabil ausgeprägt, aber weniger variantenreich als bei anderen zentralen Lexemen. Die Derivate schmiegen sich tendenziell an die Semantik der drei Profile an und unterstützen diese. Auffälligkeiten sind die Parallelität von ďáblík und ďábelník im Tschechischen und Slowakischen, die jedoch heute am Verschwinden ist und deutsche Derivate wie fuchsteufelswild und Teufelskerl, in denen das zweite Profil die Ableitungsbasis darstellt. (Vergleiche zu weibliche Formen wie Teufelin siehe SLODIČKA 2011)
Zusammenfassend können folgende Tendenzen des semantischen Wandels festgehalten werden: Teufel unterlag in allen Sprachen einer Säkularisierungswelle durch die thematische Einordnung in die Dämonologie und die einhergehende Folklorisierung, die sich insbesondere in Redensarten und Phraseologie niedergeschlagen haben. Diese Motive wurden literarisiert und werden heutzutage auch populärkulturell zitiert, wobei sie so gut wie alles Schreckliche verloren haben und vor allem lächerlich wirken. Als aktuell anhaltender Säkularisierungsprozess kann dagegen die Virulenz neuer Domänen, insbesondere Sport und Politik betrachtet werden, wobei die unterliegende Polysemie stabil erhalten bleibt und bestätigt, bzw. verstärkt wird.
Literatur:
HAMMEL 2011 Hammel, Robert 2014: „Zu den mit bůhví- und čertví- gebildeten Indefinita im Tschechischen“, in: A. Nagórko, Hg., Sprachliche Säkularisierung (Westslawisch - Deutsch), Hildesheim, Zürich, New York, 259-284.
SLODIČKA 2011 M. Slodicka, BA-Arbeit „Die Genusproblematik der Namen von religiösen Wesen – Morphologie als Zeichen der semantischen Profanisierung (Slowakisch und Russisch)“ (Manuskript)