Übersicht
religiös-benedikativ | religiös-inaugurierend | kommemorativ | symbolisch | inaugurierend | widmen | |
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Deutsch | ||||||
Polnisch | ||||||
Slowakisch | ||||||
Tschechisch |
de:1246
pl:123
sk:12345
cz:123
Sprachvergleich
weihen – święcić – svätiť – světit
Die Bedeutungen der Wörter dt. weihen/ poln. święcić/ slow. svätiť/ tschech. světit sind nur teilweise äquivalent. In allen vier Sprachen sind das religiös-benedikative und das religiös-inaugurierende Profil vorhanden. Das kommemorative Profil ist nur bei poln. święcić, slow. svätiť und tschech. světit vorhanden. Im Deutschen drücken diese Bedeutung heilighalten, heiligen, feiern, ehren und andere Wörter aus. Das symbolische Profil konnte für dt. weihen und slow. svätiť festgehalten werden. Entsprechende Kollokationen im Tschechischen (světit prapor ‘die Fahne weihen’, světit znak obce ‘das Gemeindewappen weihen’) unterscheiden sich in ihrer Bedeutung nicht von dem religiös-benedikativen Profil. Das inaugurierende Profil wurde für slow. svätiť verzeichnet. Im Deutschen und Tschechischen drücken dieselbe Bedeutung präfigierte Verben aus – dt. einweihen, tschech. zasvětit. Im Polnischen gibt es eine entsprechende lexikalisierte Metapher nicht, es werden in der Bedeutung die Wörter zainicjować ‘einführen’ und wtajemniczyć ‘in die Geheimnisse von etw. einführen’ verwendet. Das Profil ‘widmen’ wurde lediglich für das dt. weihen belegt. Im Polnischen, Slowakischen und Tschechischen drücken diese Bedeutung präfigierte Verben aus: poln. poświęcić, slow. posvätiť und tschech. zasvětit.
Im religiös-benedikativen Profil bedeuten weihen/ święcić/ svätiť/ světit ‘eine Sache rituell heiligen und damit für die Ausführung religiöser Handlungen besonders geeignet machen’. Die Weihepraxis unterscheidet sich in einzelnen Kirchen, gemeinsam bleibt jedoch der Moment der Exklusivität. Es werden nur Gegenstände geweiht, die für das religiöse Ritual eine besondere Bedeutung haben (z. B. Kirchen und Kapellen, Altäre, Wein, Wasser und Brot). In allen vier Sprachen ist jedoch eine Konfusion von weihen und segnen (poln. błogosławić/ slow. požehnať/ tschech. žehnat) zu beobachten, d. h. als Patiens von weihen/ święcić/ svätiť/ světit können auch weitere Gegenstände (z. B. Speisen, Flaggen, Grundsteine, Transportmittel usw.) auftreten. National bzw. regional unterscheidet sich dabei, welche Gegenstände zu welchen Anlässen geweiht werden und wie verbreitet die Praxis ist. Vgl. slow. svätiť svätenou vodou rohy miestnosti, aby v dome zdravie bolo ‘mit dem Weihwasser die Raumecken weihen, damit alle im Haus gesund bleiben’, svätiť autá ‘Autos weihen’, poln. święcić jajka ‘die Ostereier weihen’, tschech. světit vinici ‘den Weinberg weihen’, světit koledníčkům křídy ‘den Sternsingern die Kreiden weihen’. dt. Nach der Auferstehungsfeier wurden die mitgebrachten Speisen geweiht. Im Gegensatz zu der offiziellen Lehrmeinung der Kirchen sind viele Menschen mit der Vorstellung vertraut (wenn sie sie auch nicht teilen), dass geweihte Gegenstände einen herausgehobenen, heiligen Charakter haben und über eine magische Schutzkraft verfügen können. Spricht man von der Kirchenweihe, schwingt auch der Moment der Widmung einem oder einer Heiligen oder einem Kult mit. So im Deutschen, vgl. Die neue Kirche wurde der Heiligen Hedwig geweiht. Im Slowakischen und Tschechischen werden in den Fügungen mit dem Dativ präfigierte Verben benutzt: slow. zasvätiť kostol sv. Tomášovi/ tschech. zasvětit kostel Nejsvětější Trojici. Der synonyme Latinismus dt. konsekrieren/ poln. konsekrować/ slow. konsekrovať/ tschech. konsekrovat ist in allen vier Sprachen buchsprachlich markiert.
Dem religiös-benedikativen Profil wird bei slow. svätiť und tschech. světit auch die buchsprachlich markierte und weitgehend auf Phraseme beschränkte Lesart ‘heiligen,ehrwürdig und unantastbar machen, rechtfertigen’ zugeordnet (mit der Rektion slow. niečosvätí niečo, tschech. něco světí něco). Diese Bedeutung beruht auf einer Metapher (‘etwas so ansehen, als wäre die Sache heilig, d. h. exklusiv, unantastbar, unter allen Umständen gerechtfertigt’). Vgl. das Phrasem slow. účel svätí prostriedky/ tschech. účel světí prostředky ‘der Zweck heiligt die Mittel; zum Erreichen eines guten Ziels kann man auch zweifelhafte Mittel verwenden’, seltener auch in anderen Fügungen wie z. B. slow. V ich očiach ich svätil nejaký vyšší záujem. ‘In ihren Augen wurden sie durch ein höheres Ziel geheiligt.’, tschech. naše zbraně posvětila krev nevinných padlých ‘unsere Waffen heiligte das Blut unschuldig Gefallener’.
Im religiös-inaugurierenden Profil bedeuten weihen/ święcić/ svätiť/ světit ‘jemandem in einem zeremoniellen Akt ein geistliches Amt übertragen’, typischerweise handelt es sich um die Weihe eines (katholischen) Priesters. In diesem Profil treten mit weihen/ święcić/ svätiť/ světit üblicherweise Bezeichnungen geistlicher Ämter zusammen auf (dt. jemanden zum Bischof weihen, sich zum Priester weihen lassen, slow. svätiť niekoho za kňaza ‘jemanden zum Priester weihen’, tschech. světit vybrané kněze na biskupy ‘ausgewählte Priester zu Bischöfen weihen’. Geht es um die Weihe einer einzelnen Person, wird im Polnischen und Tschechischen das präfigierte Verb wyświęcić/ vysvětit bevorzugt (z. B. poln. wyświęcić kogoś na księdza ‘jmdn. zum Priester weihen’, tschech. byl vysvěcen na kněze ‘er wurde zum Priester geweiht’). Metaphorische Übertragungen der religiös-inaugirierenden Bedeutung von weihen/ święcić/ svätiť/ světit im Sinne von ‘jmdn. zu etwas ernennen, jmdn. ehren’ konnten nicht belegt werden. Lediglich im Deutschen findet sich ein Beleg (Der Patriarch Kyrill hatte Putin zum fleischgewordenen Erlöser geweiht.). Es handelt sich jedoch um einen Okkasionalismus, wo die Vorstellung der kirchlich ausgeführten Priesterweise geweckt wird, um das Machtbündnis zwischen dem Staat und der Kirche spöttisch zu kritisieren.
Das kommemorative Profil von święcić/ svätiť/ světit umfasst die Bedeutungen ‘einen Feiertag, ein Jubiläum u. Ä. feiern, begehen, einhalten’. Es bezieht sich primär auf religiös motiviertes Feiern (z. B. auf die Heilighaltung des Sonntags), sekundär auch auf das Gedenken nationaler Feiertage. Vgl. poln. święcić dzień święty ‘den Feiertag heilighalten, in der Regel in Bezug auf den Sonntag’, slow. svätiť nedeľu ‘den Sonntag heiligen’, svätiť Veľkú noc ‘die Osternacht feiern’, svätiť pätnásty marec ‘den 15. März feiern; 15. 3. ist ein ungarischer Nationalfeiertag, Gedenktag der Revolution 1848’, tschech. světit neděli ‘den Sonntag heiligen’, světit svátek Jana Husa ‘den Feiertag von Jan Hus feiern, in Bezug auf den 6. Juli als Nationalfeiertag’. Im Tschechischen kann světit als markiertes Synonym zu držet/ dodržovat ‘einhalten’ auftreten, wenn gemeint wird, dass jemand besondere, für einen Zeitabschnitt gebotene Verhaltensregeln einhält, insbesondere indem man nicht arbeitet, vgl. tschech. Vím, že člověk si musí umět říct dost. I v práci. Takže léto světím. ‘Ich weiß, dass man aufhören können muss. Auch an der Arbeit. Deshalb halte ich den Sommer ein.’
Im Slowakischen und Tschechischen wird dem kommemorativen Profil auch die Bedeutung ‘einhalten, achten, ehren’ (mit der Rektion slow. niekto svätí niečo, tschech. někdo světí něco) zugeordnet, die als metaphorische Übertragung der kommemorativen Bedeutung gedeutet werden kann. Vgl. tschech. Na "tradičních" vzorech chování není nic, co bychom měli světit a pěstovat. ‘An „traditionellen“ Verhaltensmustern gibt es nichts, was wir ehren und pflegen sollten’., světit mezinárodní úmluvy ‘internationale Abkommen achten’; slow. Che Guevara svätil vzdelanie a solidaritu. ‘Che Guevara achtete die Bildung und die Solidarität.’
Im symbolischen Profil bezeichnen weihen/ svätiť das Ausführen eines feierlichen Aktes, bei dem etwas zum ersten Mal öffentlich vorgestellt oder benutzt wird und als gemeinsames Eigentum oder Symbol angenommen wird. Typischerweise handelt es sich um eine Fahnenweihe (dt. eine Fahne weihen, eine Standarte weihen/ slow. svätiť zástavu). National und regional gibt es jedoch unterschiedliche Rituale (z. B. slow. svätiť mladé víno ‘jungen Wein weihen’, svätiť zvony ‘Glocken weihen’, dt. eine neue Glocke weihen). Bei dem Fest kann ein Geistlicher oder eine Geistliche anwesend sein und eine religiöse Handlung ausführen (z. B. eine Segnung mit dem Weihwasser), es kann sich aber auch um ein Ritual ohne eine religiöse Bedeutung (bzw. ohne die Bezugnahme auf Gott) handeln. Das symbolische Profil von weihen/ svätiť illustriert die gegenseitige Beeinflussung von kirchlicher und bürgerlicher Festkultur bzw. die Überlagerung religiöser Bedeutungen von Ritualen durch soziale. Mit dem religiös- benedikativen und dem religiös-inaugurierenden Profil hat das symbolische Profil den Moment der Initiation gemeinsam – ein Gegenstand wird zum ersten Mal in seiner besonderen Funktion vorgestellt und kann sie fortan ausüben. Im Tschechischen werden äquivalente Belege (světit městský prapor ‘die Stadtfahne weihen’, světit nový znak a prapor obce ‘das neue Wappen und die Standarte der Gemeinde weihen’) dem religiös-benedikativen Profil zugeordnet, da es sich um Rituale handelt, die von Vertretern der Kirche ausgeführt, oder zumindest mitgestaltet werden. Es besteht somit eine fließende Grenze zu der Bedeutung ‘segnen’, wenn auch auch hier die gesellschaftliche Bedeutung der Zeremonie (Initiation) sicherlich die religiöse (Segnung) überragt.
Das inaugurierende Profil wird nur für das Slowakische (svätiť) ausgegliedert. Es erfasst eine metaphorische Übertragung des religiös-inaugurierenden Profils und zugleich eine Spezifizierung der Bedeutung zu ‘jemanden in ein besonderes Wissen oder Können einführen, mit etwas vertraut machen’. Es werden hier also Assoziation mit der Priesterweihe als einem Ritual geweckt, das einen Menschen zu besonderen Aufgaben befähigt und mit dem man in einen exklusiven Menschenkreis aufgenommen wird. Wegen der Lexikalisierung von svätiť ‘einweihen’ treten solche Konnotationen jedoch in den Hintergrund, das Wort behält lediglich eine expressive Markierung. Eine entsprechende Bedeutung drücken auch dt. einweihen/ tschech. zasvětit aus (im Polnischen dafür wtajemniczyć als Ableitung von tajemnica ‘Geheimnis’). Selbst im Slowakischen ist die präfigierte Form zasvätiť üblicher. Ein kennzeichnender Kollokator ist das Wort dt. Geheimnisse/ slow. tajomstva/ tschech. tajemství. Vgl. slow. svätiť niekoho do tajomstiev tanca ‘jmdn. in die Geheimnisse der Tanzkunst einweihen’, tschech. zasvětil ji do tajemství života ‘er weihte sie in die Geheimnisse des Leben ein, zumeist verhüllend über erste sexuelle Erfahrungen’, weiter z. B. auch tschech. zasvětit někoho do svého plánu ‘jmdn. in seinen Plan einweihen’, slow. zasvätiť niekoho do diania ‘jemanden ins Geschehen einweihen’ u. a. Im Deutschen, Slowakischen und Tschechischen gibt es zu diesem Profil äquivalente Wortbildungen: dt. Eingeweihter/ Eingeweihte/ slow. zasvätenec/ tschech. zasvěcenec ‘über jmdn, der sich auskennt, Bescheid weiß’, dt. eingeweiht/ slow. zasvätený/ tschech. zasvěcený ‘vertraut, bescheidwissend’ (z. B. zasvätený znalec ‘eingeweihter Kenner’, vysoce zasvěcený politologický komentář ‘ein hoch informativer politologischer Kommentar’).
Das Profil ‘widmen’ ist nur im Deutschen vorhanden. Das Wort weihen ist hier ein buchsprachliches und gehobenes Synonym zu widmen. Es wird benutzt, wenn sich jemand gänzlich Gott oder Spiritualität widmet, übertragen auch in Wendungen wie sein Leben der Wissenschaft weihen, etw. ist dem Krieg geweiht usw. In den slawischen Sprachen haben eine äquivalente Bedeutung präfigierte Verben poln. poświęcić/ slow. posvätiť/ zasvätiť, tschech. zasvětit (z. B. poln. poświęcić życie Bogu ‘sein Leben Gott weihen’, poświęcić życie nauce ‘sein Leben der Wissenschaft weihen‘; slow. posvätiť svoj život za ľudstva práva ‘sein Leben den Menschenrechten weihen’, zasvätiť sa vede ‘sich der Wissenschaft weihen’, Zasvätil celú svoju doterajšiu činnosť slovenskému jazyku. ‘Er hat seine ganze bisherige Tätigkeit der slowakischen Sprache gewidmet’; tschech. zasvětit svůj život Bohu ‘sein Leben Gott weihen’, Zasvětila život tomu, aby se nic podobného neopakovalo. ‘Sie weihte ihr Leben Bemühungen, dass sich so etwas nie wiederholt.’ Das Profil zeichnet sich durch eine buchsprachliche Markierung aus, der Gebrauch von dt. weihen/ poln. poświęcić/ slow. posvätiť/ zasvätiť/ tschech. zasvětit wirkt entweder feierlich, oder übertrieben und leicht scherzhaft. Im Deutschen werden diesem Profil auch die verhüllenden, buchsprachlichen Phraseme etw. ist dem Untergang/ dem Ende/ dem Abgrund geweiht und jmd. ist dem Tod geweiht zugeordnet.
Insgesamt ist festzuhalten, dass alle hier beschriebenen Bedeutungen lexikalisiert sind und dass bei den Wörtern dt. weihen/ poln. święcić/ slow. svätiť/ tschech. světit keine Neosemantismen verzeichnet werden konnten. Die Unterschiede in der Polysemie dieser Wörter ergeben sich überwiegend daraus, dass einige Profile durch präfigierte Verben ausgedrückt werden (z. B. slow. svätiť versus dt. einweihen und tschech. zasvětit für das inaugurierende Profil). Teilweise ergeben sich die Unterschiede auch daraus, dass slow. svätiť und tschech. světit als Ableitungen von dem Adjektiv slow. svätý/ tschech. svatý die Bedeutungen von dt. weihen und heiligen abdecken. Die verzeichneten metaphorischen Bedeutungen wie ‘einen Feiertag begehen, feiern, Arbeitsruhe einhalten’ (für poln. święcić/ slow. svätiť/ tschech. světit), ‘widmen’ (für dt. weihen), ‘etw. rechtfertigen, heiligen’ (für slow. svätiť und tschech. světit), ‘etw. einhalten, achten’ (für slow. svätiť und tschech. světit), ‘in etw. einführen, einweihen’ (für slow. svätiť), ‘ein symbolisches Objekt feierlich vorstellen und annehmen’ (für dt. weihen und slow. svätiť) sind als Ergebnis der sprachlichen Säkularisierung entstanden, d. h. sie beruhen auf der Übertragung des Wortes aus dem religiösen Bereich auf nicht-religiöse Sachverhalte. Manche typischen Kollokationen der Verben in metaphorischer Bedeutung verweisen auf Phänomene, die seit der Aufklärung einen quasi-religiösen Rang erhalten haben wie z. B. Symbole politischer bzw. nationaler Kollektive (vgl. dt. die Fahne weihen/ slow. svätiť zástavu) oder die Wissenschaft (vgl. die Fügung sein Leben der Wissenschaft weihen als Äquivalent zu sein Leben Gott weihen und ihre Entsprechungen im Polnischen, Slowakischen und Tschechischen). Die meisten dieser Metaphern sind in der Gegenwartssprache entweder lexikalisiert und entsprechend assoziationsarm, oder sie wirken buchsprachlich und werden vor allem als Mittel der Übertreibung oder der Ironie verwendet.