Übersicht
religiös | admirativ | magisch | Probabilität | |
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Sprachvergleich
Wunder – cud – zázrak – zázrak
Als Wunder – cud – zázrak – zázrak werden in der naiven Vorstellung alle erstaunlichen, außergewöhnlichen oder unerwarteten Ereignisse bezeichnet. Der semantische Wandel des Begriffs wird maßgeblich von dem Stand der wissenschaftlichen Entwicklung beeinflusst. Das naturwissenschaftlich geprägte Weltbild der Neuzeit sieht für Wunder andere Ereignisse vor als zur Zeiten des Descartes, wo ein Regenbogen für ein Wunder gehalten wurde. Im Zeitalter des rationalistischen Wissenschaftsverständnisses ist das Spektrum solcher unerklärbaren Ereignisse geringer oder gar nicht vorhanden, wenn diese als Kontingenzereignisse betrachtet werden. Das aus dem Lateinischen mirari ‘staunen’ abgeleitete Lemma Wunder bezieht sich in erster Linie auf etwas Erstaunliches und wird im Deutschen auch mit dem Verb sich wundern wiedergegeben. Das polnische Derivat cudowa hat die Bedeutung ‘sich wundern, staunen’ im gegenwärtigen Sprachgebrauch verloren, diese wird noch im SJPDor. 1958-1969 festgehalten. Die Bedeutung vom lateinischen mirari wird in den slawischen Sprachen mit dem Verb dziwić się (poln) diviť se (slow.) divit se (tsch.) ausgedrückt, das Substantiv dziw (pol.), div (tschech. und slowak.) gilt dabei als Synonym des Lemmas ‘Wunder’. Der Bezug zum lateinischen miraculum ist dennoch in den Adjektiven cudowny (poln.), zázračný (tschech.), zázračný (slowak.) ‘wundervoll’ vorhanden.
Im SuP werden vier Profile des Wunderkonzeptes unterschieden. Das religiöse Profil bezieht sich zum einem auf die biblischen Wunder (z.B. die Teilung des Roten Meeres beim Auszug aus Ägypten, die Heilung eines Kranken, die Brotvermehrung oder die Verwandlung von Wasser in Wein), zum anderen auf Ereignisse, die sowohl in den polytheistischen als auch in monotheistischen Religionen, auf das Wirken von Gottheiten zurückgeführt werden.
Das admirative Profil wird in allen vier Sprachen am häufigsten wahrscheinlich mit den als Weltwunder geltenden Bauwerken konnotiert. Diese wurden in der Antike ebenfalls als Mirakel bezeichnet, vgl. De septem mundi miraculis. In der Alltagssprache wird der Begriff häufig auch ironisch gebraucht. Vor allem im Polnischen werden zahlreiche Derivate, die eine pejorative Axiologie des Bergriffs aufzeigen, festgehalten, vgl. cudak ‘Sonderling, Eigenbrötler’, cudaczność ‘Absonderlichkeit, Wunderlichkeit’, cudować ‘übertreiben, spinnen’, cudacki ‘wunderlich, verschroben’, cudaczny ‘wunderlich’.
Das magische Profil stellt einen Übergang vom religiösen Bereich dar. Lediglich die Interpretation und Zuordnung des Geschehens durch den Sprecher entscheidet darüber, ob er glaubt, etwas Unfassbares gesehen oder erlebt zu haben. Solche Ereignisse werden auch weitererzählt und von religiösen Menschen als Wunder bejaht, nicht religiöse Menschen verneinen meistens die Möglichkeit von Wundern.
Das Probabilitätsprofil referiert auf unerwartete Ereignisse, häufig solche, die eher eine negative Wendung vermuten lassen. In den hier verglichenen Sprachen ist das Wort zwar syntaktisch frei, wird jedoch typischerweise in Verbindung mit dem Hilfsverb być (poln.), být (tschech.), byť (slowak.) ‘sein’, vgl. To by bylo zázrak, keby... ‘Es würde an ein Wunder grenzen, wenn...’ gebraucht. Im Polnischen und im Deutschen sind in diesem Profil keine Wortbildungen des Lemmas vorhanden. Im Tschechischen und Slowakischen hingegen werden zahlreiche Derivate festgehalten, vgl. zázračnost/ zázračnosť ‘Unerwartbarkeit’, prezázračný ‘überaus unerwartet, überragend’, zázračný ‘unerwartet, überragend’, zázračně/ zázračne ‘unerwartet, überragend’.