Westslawistik an der Humboldt-Universität
Sprachwissenschaftliche Forschungsschwerpunkte
Das „Leitmotiv“ unserer Forschungstätigkeit bildet das Verhältnis zwischen empirischen sprachlichen Phänomenen und linguistischer Theoriebildung – v. a. mit Blick auf die westslawischen Sprachen, aber auch darüber hinaus. Dabei untersuchen wir eine große Vielfalt von Themen, die von aktuellen Methoden des Fremdsprachenlernens bis hin zur historischen Syntax reicht. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Sprachtechnologie und die Korpuslinguistik, d. h. die Erstellung und Erschließung großer digitalisierter Textsammlungen für sprachwissenschaftliche Zwecke. Einige unserer aktuellen Forschungsthemen sind:
Sprachtechnologie und Korpuslinguistik. In diesem zukunftsträchtigen Bereich arbeiten wir u. a. an der automatischen Analyse historischer Wortformen (Tagging, s. etwa die altkirchenslawische Online-Morphologie – Roland Meyer); an einem deutsch-polnischen Kollokationswörterbuch (gemeinsames Projekt mit der Universität Wrocław, Hanna Burkhardt); an digitalen historischen Textsammlungen des Russischen und Polnischen (s. RRuDi und PolDi; Roland Meyer mit DFG-Projekt); an der Erschließung alt- und mittelpolnischer Texte (Kurationsprojekt CLARIN-D; Roland Meyer, Paul Burzlaff, Simon Ederer); an einem russischen Korpus des kindlichen Spracherwerbs (mit Sabine Stoll, Universität Zürich); an einem mehrsprachigen Parallelkorpus übersetzter Prosatexte (ParaSol) (mit Ruprecht von Waldenfels, Universität Bern).
Intonation und suprasegmentale Phonologie. Hier werden Phänomene wie Wortakzent, tonale Hervorhebungen im Satz und das Verhältnis zwischen Satzmelodie und Sprachverwendung untersucht (Robert Hammel, Roland Meyer).
Sprachkontakt und slawisch-deutsche Mehrsprachigkeit. Der lange und teils sehr intensive Kontakt mit dem Deutschen zeigt sich in der Westslawia besonders an den zahlreichen Lehnwörtern, z. T. auch an lautlichen Veränderungen, und an verschiedenen syntaktischen Konstruktionen (haben-Perfekt, Verbstellung, Pronominagebrauch u. a.). Aktuell tauchen solche und ähnliche Phänomene im Sprachgebrauch slawisch-deutscher Mehrsprachiger auf, von denen es in Berlin bekanntlich viele gibt. Wir erheben in studentischen Projekten Interviews mit Mehrsprachigen und werten sie sprachwissenschaftlich aus (Hanna Burkhardt, Roland Meyer).
Diachrone Syntax slawischer Sprachen. Im Forschungsprojekt „Korpuslinguistik und diachrone Syntax: Subjektkasus, Finitheit und Kongruenz in slawischen Sprachen“ wird untersucht, wie sich verschiedene Passiv- und Impersonalkonstruktionen im Russischen, Polnischen, Ukrainischen und Bosnischen/Kroatischen/Serbischen historisch entwickelt haben. Außerdem geht es um Nominative mit Infinitiv im Tschechischen (Roland Meyer, Iryna Parkhomenko, Uliana Yazhinova, Alexej Tikhonov).
Sprachtypologie. Hier erforschen wir die Eigenschaften westslawischer Sprachen aus sprachvergleichender und typologischer Perspektive (Robert Hammel). In einem aktuellen Projekt (Roland Meyer; Projektleitung: Frank Seifart, MPI Leipzig) werden die Häufigkeiten von Nomina und Verben in sehr unterschiedlichen, z. T. bedrohten, Sprachen untersucht. Aspekte wie Pronominagebrauch und sog. reference tracking sind dabei unmittelbar für die Slawia relevant.
Stilistik und Sprachkultur. Auf diesem Gebiet, das auch hohe praktische Relevanz besitzt, werden u. a. nicht-standardsprachliche Formen des Tschechischen (Robert Hammel) und Stil- und Registervariation im Polnischen (Hanna Burkhardt) untersucht.
Sprachlehrmaterialien und Fremdsprachendidaktik. Am Fachgebiet werden multimediale Lehrmaterialien zum Polnischen (Jan Conrad), Lehrwerke zum Tschechischen (Hana Adam in Kooperation mit der Universität Brno; Lenka Kropáčová) und zum Slowakischen (Jana Orieščiková) vorbereitet bzw. weiterentwickelt.