Kreative Kurator*innen finden sich nicht nur in Museen und Galerien: Social-Media-Accounts schaffen niedrigschwellige „Ausstellungsräume“, in denen User*innen ihren Alltag, ihre Meinung oder Lieblings-Produkte zeigen. Ähnlich wie die Kuratorin im Museumsarchiv wählen sie ihre Objekte geschickt aus: einen wirkungsvollen Bildausschnitt, eine wissenswerte Information samt aktuellem #Hashtag und passendem Emoji. Häufig verbirgt sich dahinter mehr als nur eine beiläufige Tätigkeit – im Gegenteil ist das digitale Kuratieren längst zum Werkzeug sozialer und kultureller Aushandlungsprozesse geworden.
Denn Smartphones und digitale Medien begleiten den Alltag vieler Menschen. Ihre spezifischen technischen Bedingungen prägen die Art, wie sich diese Akteur*innen zueinander und zur Gesellschaft verhalten. Routiniert im Umgang mit Zeichenlimits, Farbfiltern und den Dynamiken der jeweiligen Plattform „kuratieren“ zahllose User*innen wichtige gesellschaftliche Aspekte: Sie verhandeln Normen rund um Körperlichkeit und Selbstdarstellung; sie ringen um Wahrheit in politischen Debatten. Einige betreiben neue Formen von Arbeit und erschaffen ökonomischen Wert.
DIE PROJEKTE
Im MA-Studienprojekt „Curating the Digital in Everyday Life“ (2019/20), geleitet von Christoph Bareither am Institut für Europäische Ethnologie und am Centre for Anthropological Research on Museums and Heritage (CARMAH) der Humboldt-Universität zu Berlin (finanziell gefördert durch die Initiative bologna.lab), erforschten wir diese Themen in insgesamt zehn verschiedenen Beispielfeldern. Dabei nutzten wir die Methoden der Ethnografie, um in unterschiedliche digitale Kulturen einzutauchen: fast ein Jahr lang sammelten wir Social-Media-Posts, führten (Chat-)Interviews, verbrachten zahllose Stunden mit den User*innen, beteiligten uns selbst am Geschehen und hielten alles in unseren Feldnotizen fest. Das gesammelte ethnografische Material haben wir mit Hilfe der Datenanalyse-Software MAXQDA in enger Zusammenarbeit der Gruppen analysiert und zu Argumenten verdichtet. In Zahlen ausgedrückt umfasst das gesammelte Material unserer Forschung über 1700 Social Media Posts, rund 200 Videos, 56 Websites, 83 ausführliche Interviews und hunderte weitere kurze Chatgespräche. Dazu kommen noch hunderte Stunden teilnehmender Beobachtung und autoethnografischen Forschens.
Die spannendsten Ergebnisse und Beispiele aus diesem umfangreichen Material gibt es in unseren multimedialen Ausstellungsräumen zu entdecken. Jeder Ausstellungsraum ist einzigartig und trägt die individuelle Handschrift der jeweiligen Ausstellungsmacher*innen. Aus rechtlichen Gründen wird in den Ausstellungsräumen das Zeigen von Originalbeiträgen, Interface-Designs und Original-Logos bekannter Social Media-Plattformen vermieden; stattdessen haben wir diese audiovisuellen Inhalte mit Open Source-Materialien oder auch durch kreative Nachahmungen aufbereitet. Die Begleittexte zu unseren Ausstellungsräumen sind bewusst in einer zugänglichen Sprache gehalten – wer mehr zu den theoretischen Hintergründen unserer Forschung wissen möchte, kann den jeweiligen Hyperlinks zu Begriffen wie „Infrastruktur„, „Emotionspraktiken“ oder „Affordanzen“ folgen, um mehr darüber zu lernen. Wir wünschen viel Freude beim Erkunden!