Die Europäische Ethnologie geht von einer in den letzten Jahren verstärkt voranschreitenden Ästhetisierung unserer Alltagswelten aus.
[1] Um sich dem vielfältigen und unscharfen Begriff der Ästhetik zu nähern kann sich zunächst auf den griechischen Begriff Aisthesis zurückbezogen werden. Dieser beschreibt die Praktiken der sensuellen Wahrnehmung und emotionalen Bewertung, die zu sinnlicher Erkenntnis führen.
[2] Was genau als ästhetisch empfunden wird, ist äußerst schwer greifbar. Einen produktiven Definitionsversuch liefert der Soziologe Andreas Reckwitz. Er betont, dass für die ästhetische Wahrnehmung nicht entscheidend ist, ob ihr Gegenstand schön oder hässlich ist. Harmonie oder Dissonanz stehen für ihn bei einer ästhetischen Erfahrung nicht im Vordergrund. Vielmehr ist für die Auseinandersetzung mit ästhetischer Wahrnehmung entscheidend, dass sie sich nicht dem zweckrationalen Handeln unterordnet, sondern vielmehr diesem gegenüber eine relative Eigendynamik besitzt.
[3] Wir möchten diesem Begriffsverständnis folgend den Blick auf Ästhetisierungsprozesse im Alltag richten. Praktiken, die zum Ziel haben, Sinneseindrücke, Emotionen und ästhetisches Erleben zu erzeugen, können somit als Teile gesellschaftlicher Dynamiken verstanden werden. Diese Neigung zur Ästhetisierung in unserer Gesellschaft bedeutet für die Menschen, die darin agieren, dass sie dazu angehalten sind selbstkreativ zu sein. Es geht darum, sich wiederholend anregen zu lassen und ästhetisch produktiv zu werden.
Die Medialisierung und Digitalisierung, also das verstärkte Einbinden von Medien, wie beispielsweise Fotografien, fördern die Ästhetisierung, indem sie kreative Räume schaffen. So kann Instagram beispielsweise als kreativer Raum verstanden werden, in dem Menschen ästhetische Erfahrungen kreieren, sammeln und Inspiration aus ihnen ziehen.
[1]Kaspar Maase/ Christoph Bareither/ Brigitte Frizzoni/ Mirjam Nast: Titel. In: Christoph Bareither/ Brigitte Frizzoni/ Kaspar Maase/ Mirjam Nast (Hg.): Macher – Medien – Publika. Beiträge der Europäischen Ethnologie zu Geschmack und Vergnügen. Würzburg 2014. S.7.
[2]Kaspar Maase: Freude an den schönen Dingen. Ästhetische Erfahrung als Alltagsglück? In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 106, 2010, S. 81-90. Jenseits der Massenkultur. Ein Vorschlag, populäre Kultur als repräsentative Kultur zu lesen. In: Udo Göttlich/Winfried Gebhardt/Clemens Albrecht (Hg.): Populäre Kultur als repräsentative Kultur. Die Herausforderung der Cultural Studies. Zweite, aktual. Aufl. Köln 2010. S.84.
[3]Vgl. Andreas Reckwitz: Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess der gesellschaftlichen Ästhetisierung. Suhrkamp 2014. S.23.