Biblische Eigennamen und ihre Bedeutung in der Allgemeinsprache
1.Nomen Proprium vs. Nomen Appellativum
2.Benennung des Sacrum (Numinosum)
3.Säkularisierungsansätze innerhalb der Eigennamen – Sprachunterschiede
4.Liste der appellativierten biblischen Namen (Auswahl)
Literatur
1. Nomen Proprium vs. Nomen Appellativum
Der Gesamtwortschatz einer Sprache wird traditionell in zwei ungleiche Klassen aufgeteilt: die Eigennamen (Nomina Propria) und die Gattungsnamen (Nomina Appellativa). Grob gesagt werden die Ersten benutzt, um auf jemanden/ etwas direkt hinzuweisen, worüber etwas mit Hilfe von den Letzteren geäußert wird. Dementsprechend lassen sich die beiden Klassen syntaktisch durch Subjekt- oder Prädikatsstellung voneinander unterscheiden. Man geht davon aus, dass nur die Gattungsnamen eine Bedeutung hätten, weil sie sich für Prädikate eignen (Prädikation als verbale Zuschreibung von bestimmten Eigenschaften). Die Eigennamen erfüllen lediglich eine identifizierende Funktion – sie werden in Bedeutungswörterbücher (die wohl populärste Art von Wörterbüchern überhaupt) i. d. R. nicht aufgenommen. Mit ihrer Erforschung beschäftigt sich die Onomastik (Namenskunde) – ein traditionsreicher Zweig der Linguistik, der sich vor allem historisch orientiert und für Etymologien der Eigennamen, die oft sehr alt sind, zuständig ist. Zu den Aufgaben der Namenskunde gehört auch, Spezialwörterbücher mit onomastischem Material herauszugeben. In den slawischen Sprachen kann man Eigennamen schon aufgrund der Rechtschreibung erkennen: Sie werden großgeschrieben. Dieses Kriterium ist aber nicht immer zuverlässig, weil die Großschreibung auch möglich ist, um eine besondere emotionale Einstellung des oder der Schreibenden zum genannten Objekt graphisch sichtbar zu machen (wie z. B. bei Bezeichnungen von Verwandtschaftsbeziehungen oder Namen von besonders hochgeschätzten Werten). Im Vergleich zum Deutschen, wo alle Substantive großgeschrieben werden müssen, ist dies im Slawischen dennoch eine Orientierungshilfe. Wenn auch die Rechtschreibnorm nicht weiter hilft, hat die deutsche Sprache grammatische Mittel zu Verfügung, nämlich den Artikel, der gebraucht werden muss, um die Bezugnahme eines Wortes auf die äußere Wirklichkeit zu gewährleisten. Eigennamen bedürfen dank ihrem eindeutigen Bezug auf benannte Objekte keiner solchen Bestimmung – sie werden i. d. R. ohne Artikel benutzt.
Obwohl die Eigennamen im aktuellen Sprachgebrauch in der Tat nur eine identifizierende Rolle spielen, sind sie – ihrer Herkunft nach – auch komprimierte Aussagen, die man mit Methoden historischer Linguistik rekonstruieren kann. Vor allem war es bei Personennamen üblich, jemandem mit der Namensgebung einen Wunsch in die Wiege zu legen (solche „sprechenden Namen“ gibt es noch heute, ihre Struktur ist dennoch den Benutzern selten bewusst, vgl. slowak., tschech. Bohumil, poln. Bogumił, dt. Gottlieb). Die meisten christlichen Vornamen, die aus dem Hebräischen, Griechischen oder Latein stammen, sind nicht mehr transparent. Im Zentrum der Namenswahl steht meist nicht die Intention, Aussagen über eine Person zu treffen.
Dennoch haben die Eigennamen wenigstens eine kategorielle Bedeutung. Sie informieren die Sprachkundigen, ob es sich um die Kategorie ‘Mensch’‚ ‘Stadt’‚ ‘Fluss’ usw. handelt. Die allgemeine Verteilung des Sprachmaterials gestaltet sich laut HSK „Namenforschung“ wie folgt: Etwa zwei Drittel stellen die (individuellen oder kollektiven) Personennamen dar, ein Drittel dagegen fällt auf geographische Bezeichnungen (Siedlungen, Länder, Gebirge, Gewässer usw.). Zur Kategorie ‘Personennamen’ müsste man auch Götternamen, Namen von Tieren, körperlosen Geistern, fiktiven Gestalten u. ä. rechnen: Man kann hier vom Anthropomorphismus und -zentrismus sprechen. Die Personennamen informieren auch über das Geschlecht ihrer Träger(innen). Im Polnischen lässt sich anhand des Nachnamens nicht nur der Umstand erkennen, dass es sich um eine Frau handelt, sondern teils auch, ob die Frau verheiratet ist. Es ist auch ausgeschlossen, einem Mädchen amtlich einen männlichen Vornamen zu geben.
Zwischen Eigennamen und Gattungsnamen gibt es eine breite Zone mit Übergangsformen. Produktiv sind vor allem Chrematonyme (griech. chrema, chrematos ‘Ding, Gegenstand, Ware’), die Firmennamen von zahlreichen Artefakten umfassen, sowie Ideonyme (Titel von literarischen, musikalischen oder Kunstwerken, Zeitungstitel, Namen von Parteien und Verbänden etc.). Auch temporale Namen von Festen, Wochen- und Feiertagen werden den Eigennamen zugeordnet, darunter viele christlich geprägte, heutzutage säkularisierte Feier wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten. Für viele Sprecher sind es einfach im Jahreskalender fest verankerte Daten, die es in narrativen Strukturen leichter machen, bestimmte Ereignisse temporal zu lokalisieren (z. B. Esgeschah vor/ nach Weihnachten, tschech. na Tři Krále ‘am 6. Januar’). Es geht nicht unbedingt darum, etwas über das Fest selbst auszusagen.
2. Benennung des Sacrum (Numinosum)
Nach Jenni (1995) sind im Alten Testament (AT) ca. 2600 Eigennamen bezeugt, wobei 170 davon auch im Neuen Testament (NT) auftauchen. Hinzu kommen weitere 400 im NT. Insgesamt sind es also ca. 3000 Namen. Unter den fünf häufigsten befinden sich ausschließlich Anthroponyme. Im AT sind es – die Zahlen in den Klammern geben die Frequenz wieder – Jahwe (6282), Israel (2500), David (1075), Juda (814) und Mose (766). Im NT: Jesus (905), Christus (529), Jude (194), Paulus (158) und Petrus (154). Diese Statistik bestätigt also die allgemeine quantitative Verteilung der Nomina Propria, die in erster Linie Personennamen repräsentieren.
Der Sprache und insbesondere den Namen wird eine magische Funktion zugeschrieben, die auf die im uralten Denken verwurzelte Identifizierung des Namens mit seinem Bezugsobjekt zurückgeht. Ihre Spuren sind noch in Sprichwörtern (Mal den Teufel nicht an die Wand!, poln. Nie wywołuj wilka z lasu!) oder in folkloristischen Zauberformeln zu sehen. Auch moderne Sprechakttheorien betonten diese Funktion des sprachlichen Ausdrucks, wodurch nicht nur die Welt beschrieben wird, sondern auch neue Sachverhalte geschaffen werden können. Dies führt zu bestimmten Sprachverboten: Manche Wörter werden mit einem Tabu belegt. Man darf sie nicht straflos aussprechen. Dazu gehört der Name Gottes. Das zweite Gebot im Dekalog lautet: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht. (Ex 20,7; Dtn 5,11).Im AT gibt es das heilige Tetragramm יהוה (JHWH) – Jahwe. Es werden auch Namen wie Adonai und Elohim benutzt. Sie werden mit dem Judaismus in Verbindung gebracht (und in der katholischen Liturgie aus Respekt vor jüdischer Tradition nicht mehr verwendet). In der religiösen Sprache kennt man anthropomorphische Metaphern für ‘Gott’ wie dt. Herr (lat. Dominus, poln. Pan, slowak., tschech. Pán) oder dt. Herr Gott/ Herrgott (poln. Pan Bóg, slowak. Pán Boh, tschech. Pán Bůh). Eine Art Umschreibung stellt die in der Rhetorik bekannte Figur Antonomasie dar, die auf Ersetzung des Eigennamens durch einen Gattungsnamen beruht, wie Gott → Der Allmächtige/ Der Schöpfer/ Der Erlöser, slowak. Boh → Najvyšší, Stvoriteľ,Spasiteľ. Diese Art Antonomasie ist dabei nicht stilistisch, sondern religiös als Anzeichen der Gottesfurcht motiviert.
3. Säkularisierungsansätze innerhalb der Eigennamen – Sprachunterschiede
Die Appellativierung eines Eigennamens bedeutet den Verlust des Bezugs eines Wortes auf ein Unikum und stattdessen die Bezugnahme auf eine Klasse von Objekten, denen auf diese Art und Weise eine überindividuelle Eigenschaft zugeschrieben wird. Grammatikalisch wird dieser Prozess durch die Möglichkeit der Flexion in beiden Numeri signalisiert, vgl. poln. Apokalipsa ‘Offenbarung des hl. Johannes’ (Singularetantum) und apokalipsa (Sg.)/ apokalipsy (Pl.) als ‘Katastrophe, Vision(en) einer Katastrophe’. Es gibt auch zahlreiche syntaktische Signale, wie z. B. die Verbindbarkeit mit bestimmten Attributen, die nahelegen, dass es sich um eine sekundäre Lesart handelt, vgl. Messias in Syntagmen mit adjektivischem Attribut wie der neue Messias, der schwarze Messias, oder einem Genitivattribut: Messias der Linken, poln. mesjasz lewicy u. a.
Semantisch betrachtet haben wir es mit einer Metaphorisierung zu tun, wobei die Basisdomäne die Darstellung einer Szene, einer Geschichte in der Bibel ist, die häufig unterschiedliche Interpretationen zulässt. Zum Beispiel wird die nicht eindeutige Figur des Messias von Christen mit Jesus Christus identifiziert (griech. Christós ist etymologisch gesehen eine Lehnprägung vom hebräischen mašîah ‘Gesalbter’); Juden aber warten noch auf den Messias, mit dem sie andere Vorstellungen verbinden. Solche christlichen Teilaspekte des Konzepts wie ‘Selbstaufopferung’, ‘Unschuld’, ‘großes Leiden’, ‘grausamer Tod’ treten in säkularen Kontexten in den Hintergrund. Als zentral werden solche Elemente hervorgehoben wie ‘Heilbringer für die Nation’, ‘Erlösung aus der Not’, ‘Hoffnungsträger’, ‘charismatischer Anführer’, der ‘Anhängerscharen’ anzieht. (Siehe auch die Analyse der Appellativierungsvorgänge von Mojżesz ‘Moses’in der polnischen Publizistik – Przybylska 2014: 317–325).Dieser Prozess hat mehrere markante Stufen: von okkasionellen, kontextgebundenen Variationen (wie bei Mojżesz), über eine feste Polysemie des Typs onymische vs. appellativische Bedeutung (wie bei Messias)bis zum Verlust der Motivation der neuen Gattungsbedeutung durch einen biblischen Eigennamen, vgl. poln. judasz ‘Verräter’ (diese Bedeutung ist noch nachvollziehbar), aber auch ‘Guckloch in der Tür’. Völlig von der Bibel losgelöst sind auch poln. cham ‘Rüpel, Prolet’, veraltet auch ‘Bauer’ (nach Ham, dem Sohn von Noah, der von seinem Vater verflucht worden war – Gen 9,18–27), tschech. filip (Philippus – der Name des Apostels), synonym mit ‘Verstand’, vgl. Nechal filipa doma ‘Er hat seinen Verstand zu Hause gelassen’ (siehe Knobloch 1995: 1858).
Nicht alle biblischen Eigennamen sind in der Allgemeinsprache verbreitet. Manche sind diatopisch als „mundartlich“ markiert und werden in Dialektwörterbüchern verzeichnet (viele davon als Teile von Sprichwörtern oder festen Phrasemen – vgl. poln. Maciej/ maciek ‘Dummkopf, einfacher Mensch’, mehr darüber: Długosz-Kurczabowa 1990: 50). Andere Nomina Propria sind dagegen nur in der geschriebenen Sprachvariante zu finden und somit stilistisch markiert, vgl. Ahasver ‘der ewige Jude’ aus der Volkserzählung, die mit der Kreuzigung von Jesus verbunden ist (literarisch und künstlerisch in vielen Sprachen/ Ländern bearbeitet). Manche Eigennamen werden (fast) ausschließlich als Bestandteil eines Phraseologismus benutzt, vgl. poln. istna wieża Babel, slowak. hotový Babylon, tschech. hotový/ úplný Babylón (Gen 11,1–19) ‘totales Durcheinander, babylonische (Sprach‑)Verwirrung’ (Babel = Wirrsal); poln. niewierny Tomasz, slowak. neveriaci Tomáš, tschech. nevěřící Tomáš, dt. (veraltet) ungläubiger Thomas (Joh 20,24–29) über einen ‘Skeptiker’, poln. cnotliwa Zuzanna ‘keusche Susanne’ über eine unschuldige, sittliche Frau, (siehe Dan 13,1–63) u. v. a.
4. Liste der appellativierten biblischen Namen (Auswahl)
Die unten angegebene Wortliste beinhaltet das Material aus den vier hier untersuchten Sprachen. Wenn nichts anderes vermerkt wird, ist ihre Reihenfolge wie folgt angelegt: Deutsch, Polnisch, Slowakisch, Tschechisch. Sind polnische, slowakische oder tschechische Formen identisch mit den vorherigen, werden sie nicht wiederholt. Da es sich um Internationalismen handelt, kann sich die formale Übereinstimmung auf weitere Sprachen erstrecken. Mögliche Varianten in einer Sprache, vor allem in Hinblick auf Groß- und Kleinschreibung, werden mit einem Schrägstrich getrennt.
Antichrist, Antychryst/ antychryst, Antikrist/ antikrist
Siehe die sprachspezifischen Stichwortartikel → dt. Antichrist, → poln. antychryst, → slowak. antikrist und → tschech. antikrist sowie den Sprachvergleichsartikel → Antichrist
Apokalypse, Apokalipsa/ apokalipsa, Apokalypsa/ apokalypsa
Siehe die sprachspezifischen Stichwortartikel → dt. Apokalypse, → poln. apokalipsa, → slowak. apokalypsa und → tschech. apokalypsa sowie den Sprachvergleichsartikel → Apokalypse
Armageddon/ Harmageddon, armagedon/ armageddon
(Hebr. Har Megiddo) Eine Ebene im südlichen Karmelgebirge, die in der Offenbarung des Johannes als Ort der endzeitlichen Schlacht gegen das Böse erwähnt wird (Ap 16,16). In der Allgemeinsprache ‘der Weltuntergang, globale Katastrophe’. Der Name wurde durch den US-amerikanischen Katastrophenfilm „Armageddon“ (1998) in der Regie von Michael Bay, mit Bruce Willis in der Hauptrolle, popularisiert. Im Spielfilm droht der Menschheit ein vernichtender Meteoriteneinschlag.
Benjamin, Beniamin(ek), Benjamin
Der Name des jüngsten Sohnes von Jakob und Rahel (Gen 35,16–18), allgemeine Bedeutung ‘der jüngste einer Gruppe’, poln. Hypokoristikum beniaminek ‘jemandes Liebling’.
Bibel, Biblia/ biblia, biblia, bible
Der Gesamttitel der Bücher des AT und des NT. Allgemein: ‘ein wichtiges Buch, das für jemanden einen autoritativen Wegweiser darstellt’ (vgl. Kopecký 2012: 115).
Christus, Chrystus, Kristus
Siehe die sprachspezifischen Stichwortartikel → dt. Christus, → poln. Chrystus, → slowak. Kristus und → tschech. Kristus sowie den Sprachvergleichsartikel → Christus
Dekalog, Dekalog/ dekalog
Vom griech. deka ‘zehn’ und logoi ‘Worte’ – Zehn Gebote Gottes, die von Moses auf zwei Steintafeln niedergeschrieben und in der Bundeslade aufbewahrt wurden (Ex 20,1–17; Dtn 5,1–21). Allgemein ‘zehn Regeln, Empfehlungen, die in einem Bereich befolgt werden sollen’. Im Tschechischen auch desatero, vgl. ekologické desatero (siehe Kopecký 2012: 118). In einem zehnteiligen Filmzyklus unter dem Gesamttitel „Dekalog“ (1988–1989) versuchte der Regisseur Krzysztof Kieślowski eine laizistische Interpretation der Zehn Gebote zu geben, indem er ethische Aspekte menschlichen Handelns hervorgehoben hat.
Eden, Eden/ eden
Aus Gen 2,8 – der Name des biblischen Paradieses, in dem Adam und Eva wohnten, bevor sie infolge einer Sünde von Gott verbannt wurden. In der Allgemeinsprache ‘Ort der Glückseligkeit, an dem es besonders schön ist und/ oder an dem man ein gutes Leben führen kann’.
Evangelium, Ewangelia/ ewangelia, evanjelium, evangelium
Vom griech. euaggelion ‘gute Botschaft’, als Ideonym bezeichnet das Wort eines der vier ersten Bücher im Neuen Testament (Pl. Evangelien). Als Gattungsname (Sg. tant.) ‘ein Text, etwas, das man als Instanz für eigenes Handeln betrachtet, woran man ohne Einschränkungen fest glaubt’.
Gehenna, gehenna
Ursprünglich ein südlich von Jerusalem gelegenes Tal (heute innerhalb der Stadt), wegen des Moloch-Kultes (des heidnischen Götzen) verflucht (2 Chr 28,3). In älteren Übersetzungen des NT auch als Synonym von Hölle, Höllenfeuer benutzt (siehe Długosz-Kurczabowa 1990: 35). In der säkularisierten Bedeutung ‘lang andauerndes Leiden, psychische und physische Qual’.
Golgatha, Golgota/ golgota
Vom aramäischen gulgulta ‘Schädel’, lat. Calvaria (siehe → Kalvarienberg unten) – ein Hügel hinter der Jerusalemer Stadtmauer, auf dem Jesus gekreuzigt wurde. Im allgemeinen psychologischen Sinn wird so ein großes, unverschuldetes Leiden bezeichnet, seltener auch der Ort solchen Leidens, der dann nicht notwendigerweise mit Jerusalem und der Passion Christi verbunden ist.
Goliath, Goliat/ goliat, Goliáš
Name des riesigen Kriegers der Phillister, der vom viel kleineren David besiegt wurde. Allgemein ‘Riese’, vgl. EU gegen Google – Goliath gegen Goliath (TV, mo:ma), auch in der Gegenüberstellung: wie David und Goliath/ jak Dawid i Goliat/ ako Dávid a Goliáš/ jako David a Goliáš (über sehr ungleiche Gegner).
Herodes, Herod/ herod, Herodes
Im NT sind drei Personen mit diesem Namen zu finden: Herodes der Große, sein Sohn Herodes Antipass und sein Enkel Herodes Agrippa I. Herodes der Große taucht in der Erzählung über die Verbeugung der drei Könige auf (Mt 2,1–12), ihm wird der Kindermord von Bethlehem angelastet (Mt 2,16–18). Im Lukas-Evangelium wird Herodes der Große auch bei der Geburt von Johannes des Täufers erwähnt (Lk 1,5). Die Gefangennahme und die Hinrichtung des Bußpredigers und Vorläufers Jesu hat dagegen Herodes Antipass befohlen (Mt 14,1–11), der auch in der Passionsgeschichte von Jesus eine Rolle spielte. Herodes Agrippa erscheint in der Apostelgeschichte u. a. als derjenige, der die Apostel Jakobus und Petrus verhaften, den ersten auch enthaupten ließ (ApG 12,1–9). Die Herrscher von Palästina sind als grausam und gnadenlos in die Geschichte eingegangen. In der Alltagssprache ist Herodes/ herod einSynonym für einen rücksichtslosen Menschen, einen Tyrannen. In der Folklore wird so ein Krippenspiel bezeichnet, wie poln. herody (nur im Pl.). Auch ein poln. Binomen herod-baba (wörtlich Herodes-Weib) enthält diesen Namen als Charakteristikum einer despotischen, zanksüchtigen Frau.
Im Tschechischen gibt es einen Phraseologismus posílat někoho od Herodesa k Pilátovi a od Piláta k Herodesovi über nutzloses Hin- und Herschicken einer Person von einer Stelle zur anderen, was Bibelkundige an die Urteilsfindung nach der Festnahme Jesus erinnert (vgl. Lk 23,1–12). In anderssprachigen Äquivalenten tauchen die Namen der Erzpriester auf, vgl. poln. odsyłać kogoś od Annasza do Kajfasza, slowak. posielať niekoho od Annáša ku Kaifášovi. Die Phraseologismen sind völlig säkularisiert, worauf auch die absurde deutsche Variante hindeutet: jmdn. von Pontius zu Pilatus schicken.
Hiob, Hiob/ hiob,Jób, Job/ Jób
Im Buch Ijob (Hiob) des AT wird zunächst sein glückliches Leben als sehr wohlhabender und frommer Familienvater dargestellt, dem aber Gott alles wegnimmt, um seinen Glauben auf die Probe zu stellen. Trotz unverschuldetem Leiden verliert Hiob sein Vertrauen an Gott nicht. Seine Treue zu Gott wird schließlich belohnt, er gewinnt sein Vermögen zurück. In der Allgemeinsprache verweist Hiob auf einen leidenden, mit großem Schmerz überfluteten Menschen, der großes Mitleid erregt. Als Attribut im Kompositum dt. Hiobsbotschaft bzw. inder Phrase poln. hiobowa wieść, slowak. jóbovská správa, tschech. Jobova zvěst hat es die Bedeutung ‘schrecklich, furchtbar’.
Jordan, Jordan, Jordán
Flussname, der sowohl im AT als auch im NTmehrmals erwähnt wird (heute der Grenzfluss zwischen Israel undJordanien). Im Jordan wurde Jesus von Johannes dem Täufer getauft. In der Allgemeinsprache kommt der Name in Wendungen vor, die einen Übergang von einer Wirklichkeit in die andere meinen, vgl. säkularisiert dt. über den Jordan gehen (synonym zum scherzhaften sich in Abrahams Schoß begeben)‘sterben’, aber auch ‘kaputtgehen’ (über Gegenstände). In der orthodoxen und griechisch-katholischen Kirche ist Jordan auch ein Brauch der Wasserweihe am 6. Januar (am Fest der Drei Könige).
Judas, Judasz/ judasz, Judáš, Jidáš
Der berüchtigte Name des Apostels, der Jesus verraten hat (Mt 26,14–15). Appellativisch als Bezeichnung für einen ‘hinterlistigen, falschen, heuchlerischen Menschen’ benutzt, vgl. tschech. být falešný jako Jidáš, takový Jidáš, slowak. býť falošný ako Judáš ‘ein Scheinheiliger sein’. Seine wahren Absichten verrät schon sein Blick, vgl. die Phraseologie im poln. judaszowe spojrzenie ‘Judasblick’, slowak. pozerať ako Judáš, tschech. koukat jako Jidáš ‘wie Judas blicken’. Laut den Evangelien (Mt 26,48, Mk 14,45, Lk 22,47–48) war ein Kuss das von Judas mit den Wächtern vereinbarte Zeichen, um Jesus zu identifizieren, vgl. Judaskuss, poln. judaszowy pocałunek über jemandes verräterische Geste (eher als Buchsprache markiert). Verwerflich ist auch die Tatsache, dass Judas seinen Verrat für Geld begangen hat, vgl. poln. judaszowe srebrniki, slowak. judašský groš, tschech. Jidášův groš (im dt. dreißig Silbermünzen taucht der Name von Judas nicht auf, parallel aber: Judaslohn).
Im Polnischen wird judasz auch als reifizierende Metapher (vgl. Nagórko 2012: 204) im Sinne ‘Guckloch, Türspion’ benutzt.
Kalvarienberg, Kalwaria/ kalwaria, kalvária, Kalvárie
Von der lateinischen Bezeichnung des Ortes der Kreuzigung von Jesus zum Namen der Szenen aus der Passion, ihrer Darstellung in Form von Bildern und Skulpturen (Via Dolorosa) – und später allgemein als ‘Ort des Leidens’ säkularisiert.
Kain, Kain/ kain
Der Name des erstgeborenen Sohnes von Adam und Eva und zugleich des ersten Mörders in der Bibel, der aus Eifersucht seinen Bruder Abel tötet (Gen 4,1–16). In der Allgemeinsprache ‘Brudermörder’, auch im weiten Sinne der Bruderschaft als Abstammung von gemeinsamen Vorfahren. Die Figur kann man auch theologisch mit dem tragischen Schicksal des durch die Erbsünde gekennzeichneten Menschen in Verbindung bringen, vgl. dt. Kainsmal, poln. kainowe znamię (Gen 4,15).
Kain (engl. Cain) wurde auch der britische Anführer der Labour Partei Ed Miliband genannt, der 2010 den Parteivorsitz übernahm, wofür auch sein älterer Bruder David kandidierte. Die biblische Geschichte fanden die Kommentatoren der politischen Szene als eine geeignete Metapher, die einen politischen Brudermord bildhaft beschreibt.
Lazarus, Łazarz/ łazarz, lazár,lazar
Aus der Bibel sind zwei Männer mit diesem Namen bekannt: Einer ist der Bruder von Maria und Marta, der von Jesus auferweckt wurde (Jh 11,1–44), der Andere erscheint im Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus (Lk 16,19–31). Der Name dieses zweiten, eines armen und kranken Bettlers, hat sich in der Allgemeinsprache in der Gattungsbedeutung ‘notleidender Mensch’ etabliert, vgl. Phrasen wie poln. istny/ prawdziwy łazarz (‘ein wahrer Lazarus’), leżeć jak łazarz (‘wie ein Schwerkranker daliegen’), analogslowak. hotový/ úplný lazár, ležať ako lazár;tschech. hotový/ úplný/ učiněný lazar, ležet jako lazar.
Leviathan, Lewiatan/ lewiatan, leviatan
Eine sich windende Kreatur –es handelt sich um ein mythisches Meeresungeheuer, welches im AT einige Male erwähnt und mit Äquivalenten wie Drache oder Wal, Fisch und Schlange übersetzt wird. Appellativisch wird der Name als Machtsymbol des Bösen verstanden. Diese pejorative Semantik verschwindet aber allmählich, was man an der Entwicklung weiterer Eigennamen beobachten kann.
In Polen heißt so seit 2004 eine Vereinigung der Arbeitgeber (in Anlehnung an den gleichnamigen, im Jahre 1919 gegründeten Verein der Polnischen Industrie). Es gibt auch eine polenweite Handelskette Namens „Lewiatan“. Die negativen Konnotationen, die an dem Wort haften, sind Durchschnittssprechern nicht mehr bewusst. In den Vordergrund rückt die Stärke, Gefräßigkeit und einmaliges phantastisches Aussehen dieser riesigen Kreatur.
In Deutschland erscheint eine Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaften „Leviathan“. Offensichtlich braucht man einen Sammelbegriff für einen gesellschaftlichen Komplex, zu dem neben der Wissenschaft und Kultur auch die Politik und Wirtschaft zählen. Vielleicht steckt auch die Furcht dahinter, von diesem Komplex überwältigt zu werden.
An das Böse, das Bedrohliche beim Leviathan erinnert der für einen Oscar nominierte Spielfilm „Leviathan“ (2015) vom russischen Regisseur Andrej Zvjagincev.
Methusalem, Matuzalem, Matuzalem, Metuzalém
Der Name des biblischen Patriarchen (Gen 5,25–27) wurde zum allgemeinen Substantiv mit der Bedeutung ‘ein sehr alter Mensch’, ‘ein sehr hohes Alter’, vgl. dt. alt wie Methusalem, poln. osiągnąć matuzalemowy wiek, slowak. starý ako Matuzalem, tschech. být starý jako Metuzalém.
Messias, Mesjasz/ mesjasz, mesiáš
Siehe die sprachspezifischen Stichwortartikel → dt. Messias, → poln. mesjasz, → slowak. mesiáš und → tschech. mesiáš sowie den Sprachvergleichsartikel → Messias
Moloch, Moloch/ moloch
Wie bei → Leviathan, handelt es sich um ein furchterregendes Wesen, einen Götzen, dem auch die Israeliten Kinderopfer gebracht haben (2 Kön 16,3; 23,10). Übertragen auf die außerbiblische Welt bedeutet Moloch ‘etwas riesiges und unersättliches, was immer wieder neue Opfer verlangt’ (z. B. eine Großstadt/ Krieg/ Geld als Moloch).
Pessach, Pascha/ pascha
Der Name eines jüdischen Fests, welches als Andenken an den Exodus aus Ägypten begangen wird. Zu dem festlichen Abendmahl wird ein Lamm geschlachtet und zubereitet (Ex 12,26–27). Im Neuen Testament hat Jesus vor seinem Tod mit seinen Jüngern pascha (dt. Osterlamm) gegessen(Mt 26,17–19). Da sein Martyrium und die Auferstehung in die jüdische Pessach-Woche fielen, wurde Pessach/ pascha für die Christen synonym zu Ostern (in den westslawischen Sprachen primär mit Kompositum ‘Große Nacht’ bezeichnet, poln. Wielkanoc, slowak.Veľká noc, tschech. velikonoce – vgl. griech. megálē hēméra). Laut der christlichen Lehre wurde Christus wie ein Lamm für alle Sünder geopfert (1 Kor 5,7). Kulinarisch bezeichnet pascha auch eine süße Speise aus Quark, Eiern, Butter und Rosinen, die vor allem in der Ostkirche bekannt ist. Früher zu Ostern serviert, kann sie heutzutage als Nachtisch an anderen Jahreszeiten gegessen werden.
Pilatus, Piłat, Pilát
Pontius Pilatus war römischer Präfekt in Judäa und Samaria. Er spielte eine entscheidende Rolle bei in Jesu Verurteilung (Mt 27,11–14). In der Allgemeinsprache fungiert der Name als Bezeichnung eines Opportunisten, der der Bequemlichkeit wegen Urteile fällt. Er hat auch in der Phraseologie seinen Platz, vgl. tschech. umýt si ruce jako Pilát. In anderen Sprachen ist der Personenname fakultativ: dt. sich die Hände in Unschuld waschen, poln. umywać ręce, slowak. umyť si ruky (zu semantischen Unterschieden siehe Kiraga 2013).
Salomon, Salomon/ salomon, Šalamún, Šalamoun
Hebr. Šelomoh, von Šalom ‘Frieden’ – der Name des großen Herrschers Israels, des Sohnes von David und Betsabee. Er war für seine Weisheit berühmt, die er von Gott bekam (1 Kön 3,4–12). In die Allgemeinsprache als ‘der Weise’ eingegangen, der klug urteilen kann (1 Kön 3,16–28) – vgl. Salomonurteil, poln. salomonowy wyrok.
Samariter, Samarytanin/ samarytanin, samaritán
Streng genommen handelt es sich hier nicht um einen individuellen Namen, sondern um die Bezeichnung eines Bewohners von Samaria. Die Samariter und die Juden waren verfeindet. In der ethnischen Bedeutung wird das Wort nicht mehr benutzt. In Anlehnung an ein Gleichnis aus dem Evangelium (Lk 10,30–37) gewann es die Semantik ‘mitleidsvoller Mensch, der bereit ist, Kranke zu pflegen, auch wenn sie Feinde sind’, vgl. den Phraseologismus dt. barmherziger Samariter, poln. miłosierny Samarytanin, slowak., tschech. milosrdný Samaritán. Auch als Name von Hilfsorganisationen bekannt.
Samson
Den Namen trug der Erzfeind der Philister, der sich durch übermenschliche Kraft auszeichnete. Der Prototyp eines Selbstmordattentäters, der sich selbst und seine Feinde unter den Trümmern eines Hauses begraben hat. Seine Geschichte stellt das Buch der Richter (Ri,13–16) vor. Sie wurde häufig als Stoff für literarische und musikalische Werke sowie in der Malerei benutzt. In der Allgemeinsprache hat Samson die Bedeutung ‘ein sehr starker Mann’.
Sodom, Sodoma/ sodoma
Eine Stadt am Toten Meer. Zu ihren Bewohnern gehörte auch ein Neffe Abrahams, Lot. Die Stadt wurde zusammen mit dem benachbarten Gomorra wegen der Unzucht der Einwohner in Schutt und Asche gelegt (Gen 19,1–29). Allgemein bedeutet Sodom ‘Zustand der Lasterhaftigkeit’, auch ‘Ort, an dem anstößige Sitten herrschen’.
Literatur
- Długosz-Kurczabowa, Krystyna 1990: Apelatywizacja biblijnych nazw własnych w języku polskim, Wrocław.
- HSK = Eichler, Ernst/ Hilty, Gerold/ Löffler, Heinrich/ Steger, Hugo/ Zgusta, Ladislav, Hg. 1995: Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft. Band 11/2: Namenforschung. Kapitel XXIII: Namen und Religion, Berlin, 1995, besonders 1846–1858.
- Jenni, Ernst 1995: „Biblische Namen“, in: E. Eichler et al., Hg., Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft. Band 11/2: Namenforschung, Berlin, 1852–1856.
- Kačala, Ján 2014: „Meno Boh/ boh medzi religiozitou a sekulárnosťou“, in: A. Nagórko, Hg., Sprachliche Säkularisierung. Semantik und Pragmatik, Hildesheim – Zürich – New York, 151–159.
- Kiraga, Sebastian 2013: „Von gelben Engeln, Streusündern und dem Waschen seiner Hände in Unschuld – Einblick in ein Forschungsprojekt zur säkularisierten Lexik“, in: A. Greule, E. Kucharska-Dreiß, Hg., Dimensionen des Religiösen und die Sprache. Analysen und Projektberichte, Insingen, 311–323.
- Knobloch, Johann 1995: „Namen christilicher Heiliger“, in E. Eichler et al., Hg., Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft. Band 11/2: Namenforschung, Berlin, 1856–1860.
- Kopecký, Jakub 2012: „Metaphorische Verwendung von Bezeichnungen religiöser Texte (anhand des Tschechischen)“, in A. Nagórko, Hg., Wortsemantik zwischen Säkularisierung und (Re)Sakralisierung öffentlicher Diskurse, Hildesheim – Zürich – New York, 113–128.
- Nagórko, Alicja 2012: „Der religiöse Wortschatz und kognitive Metaphern“, in: A. Nagórko, Hg., Wortsemantik zwischen Säkularisierung und (Re)Sakralisierung öffentlicher Diskurse, Hildesheim – Zürich – New York, 197–212.
- Przybylska, Renata 2014: „Religijny ślad w języku – o metaforyzacji wybranych antroponimów biblijnych: Mojżesz”, in: A. Nagórko, Hg., Sprachliche Säkularisierung. Semantik und Pragmatik, Hildesheim – Zürich – New York, 315–326.